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CD-Besprechungen:

KAIROS QUARTETT

Interpretenportrait

Wolfgang Bender und Chatschatur Kanajan
Simone Heiligendorff
Claudius von Wrochem

ISRC DE-L29-01-0009

2001 bei edition zeitklang Musikproduktion

Weitere Informationen:
www.kairosquartett.de

Den Klang in funkelnde Scherben schlagen - ein Interpretenporträt des Kairos Quartetts

Kaum eine Gattung innerhalb der Instrumentalmusik dürfte für kompositionstechnische Innovationen und musikästhetische Reflexionen im 19. und 20. Jahrhundert derart fruchtbar gewesen sein wie das Streichquartett. Allmählich hat sich damit auch das Erscheinungsbild der Ensembles gewandelt: von der bieder-nostalgische Altherrenrunde der Biedermeierzeit über die nervösen Sophismen eines Schönberg oder Webern bis hin zu den "Erspürern" und "Erforschern" neuer, experimenteller Klangwelten. Auch hier lassen sich wieder zwei Tendenzen festmachen: Während die einen in einer entfremdet-verfremdeten Klanglandschaft sehnsüchtig Spuren des Utopischen, einer verlorenen Natürlichkeit beschwören, akzentuieren die anderen gerade das Künstliche, das "Kunst-Artige" der Komposition.

Zu letzteren gehört das 1996 gegründete Berliner Kairos Quartett (Wolfgang Bender/Chatschatur Kanajan: Violinen alternierend; Simone Heilgendorff: Viola und Claudius von Wrochem: Cello), das sich ausschließlich der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts und dabei bevorzugt Uraufführungen widmet. Seine verdienstvolle Arbeit, sein Engagement für Werke auch unbekannterer Künstler hat Anerkennung gefunden in zahlreichen Preisen und Förderungen wie dem Kranichsteiner Stipendium 1996, einem Kompositionsauftrag des Berliner Senats 1997, dem Förderpreis der Ernst von Siemens-Stiftung (2000) und einem Stipendium der Akademie Schloss Solitude (2001). Seit 1998 durch den Deutschen Musikrat gefördert, hat sich das mittlerweile etablierte Quartett durch Auftritte bei den Ferienkursen in Darmstadt (1996 und 1998), dem UltraSchall-Festival Berlin (2000 und 2001) und den Stuttgarter Reihen Eclat-Festival und Musik der Jahrhunderte hervor getan.

Zu den Komponisten, mit denen das Quartett ständig eng zusammen arbeitet, gehören beispielsweise der Schweizer Klaus Huber oder der Mexikaner Julio Estrada (* 1943), dessen "vierdimensionale" Fuge Canto mnémico [1972/83] sich auf der Einspielung befindet. Das ausführliche Begleitheft dokumentiert die überdurchschnittlich intensive, kompetente Auseinandersetzung der Interpreten mit den Kompositionen, den intellektuellen, versierten Zugriff. Das Kairos Quartett übt sich gerne an schwersten Strukturen, die erst durchschaut, durchgearbeitet und bezwungen werden müssen. Die tendenzielle Austreibung des Emotionalen mag manchem ein wenig seelenlos erscheinen: Beispielhaft lässt sich das an der Interpretation von György Kurtágs (*1926) Streichquartett op.1 [1959] zeigen, für dessen einzelne Sätze bildhafte Assoziationen wie Kafkas "Verwandlung" oder ein Spatzen-zwitscherndes "Vogel-Scherzo" zur Verfügung stünden. Entgegen der verbreiteten Gewohnheit, in Kurtágs Musik die Atmosphäre der surrend vitalen "Nachtmusiken" und Naturklänge eines Bartók zu re-inszenieren, findet sich beim Kairos Quartett die ungebrochene Neigung zu einer technisch dominierten Künstlichkeit, die das rhythmisch Akkurate und spielerisch Präzise vor das Agogische stellt und damit ihre optimale Verwendung in der Interpretation von Knut Müllers (*1963) Thorn [1996] findet, einer übermenschlichen Glissandostudie. Hier entsteht ein großartiges, virtuell wirkendes Klangbild, eine monochrome Simulation, die Melodien und Harmonien in Klang-Bits auflöst. Wo man sich in Estradas Canto mehr innere Ruhe, mehr "Gewicht" des Klangs, ebenso bei Kurtág mehr "Körper" in den Klanggesten gewünscht hätte, entspricht der schwerelos-unwirkliche Ton des Kairos Quartetts den ästhetischen Anforderungen von Müllers Stück.

Eine gelungene Synthese ergibt sich in Luciano Berios (*1925) Sincronie [1963-64/1966], bei der technische Präzision und pointierte Ausführung bereits in den affektiven Gestus der Komposition einkalkuliert sind. Alles in allem handelt es sich bei diesem Interpretenportrait des um eine ambitionierte und durch ihre Ernsthaftigkeit überzeugende Pionierleistung, die in der Perfektion der Aufnahmetechnik ihr Pendant findet.

a.s. - red / 06. Juni 2002
Facts:

Kairos Quartett: Interpretenportrait. (György Kurtág: Streichquartett op. 1, Knut Müller: Thorn, Julio Estrada: Canto mnémico, Luciano Berio: Sincronie. Produziert von der edition zeitklang und DeutschlandRadio
Gesamtzeit: 47:04

2001 bei edition zeitklang Musikproduktion,
D - 38528 Adenbüttel
Hotline: +49 (0)177 - 6661777
www.zeitklang.de

Weitere Informationen:
www.kairosquartett.de

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© 2002 Kultura (alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar.)
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