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CD-Besprechungen:

Evan Dando


Baby I'm Bored

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Unlängst war Evan Dando auf Viva im Interview bei Charlotte Roche zu sehen und hinterließ den Eindruck eines Mannes, der sich mittels sämtlicher Suchtmittel das Hirn entfernt hat, und bei dem es wirklich nicht mehr darauf ankommt, daß er nun “bis auf etwas Gras ab und an" clean ist.

Der Kerl nuschelte irgendein völlig belangloses Zeug daher, kicherte permanent ohne Anlaß vor sich hin, und versuchte, alte Songs von Neil Young zu spielen. Den eigentlichen Zweck seines Auftritt, nämlich sein erstes nominelles Soloalbum, und somit seine erste Platte seit sieben Jahren, zu promoten, unterlief er in sympathischer Weise, indem er in einem hellen Moment die Zuschauer aufforderte, sich die Songs aus dem Internet herunter zu laden. Der armen Charlotte war es vorbehalten, die Platte permanent in die Kamera zu halten und zu ihrem Kauf aufzufordern. Ich hoffe, sie bekommt Tantiemen.

Das Bemerkenswerte an "Baby I'm Bored" ist leider nicht die Musik, sondern die schiere Existenz des Albums. Da genaugenommen alle Platten seiner Band Lemonheads ihre Klasse der Begabung des Herrn Dando zu verdanken hatten, ist die Erwartungshaltung nun ziemlich hoch.

Schließlich waren die Lemonheads die bemerkenswerteste Band der Grunge-Ära, mehr noch als die doch ziemlich überschätzten Nirvana und auf jeden Fall eher als die Bluesrock-Knödler und Lynyrd-Skynyrd-Epigonen von Pearl Jam, und schließlich war das 93'er Album "Come On Feel The Lemonheads" eine der besten Platten der Neunziger.

Der Wuschelkopf auf dem Cover gehört nicht etwa dem Meister selbst, sondern seiner Frau Elizabeth, aber das merkt man nur, wenn man es weiß.

So ganz war das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wohl noch nicht wiedererlangt, oder Evan Dando ist in der Zwischenzeit zu einem Teamarbeiter mutiert, bis auf das Schlußstück “In The Grass All Wine Colored” haben an allen Songs Co-Autoren mitgewirkt, bzw. drei Stücke sind gänzlich ohne Dandos Mitwirken als Komponist oder Texter entstanden.

Erschreckend belanglos fällt gleich die Eröffnung mit “Repeat” aus, das Gitarrenspiel gefällt, wie übrigens auf der gesamten Platte, ganz gut, aber der Song kommt nicht zu Potte, da hätte es keine Kollegenhilfe gebraucht.

Hübsch, aber auch sehr verhalten sind “My Idea” und “Rancho Santa Fe”, Letzteres hat wenigstens mal eine Melodie.

Was sich Herr Dando und seine Mitstreiter dann bei “Waking Up” gedacht haben, ist nicht nachvollziehbar, schweigen wir also darüber.

“Hard Drive”, aufgenommen mit Burns und Convertino von Calexico ist nett, aber sehr phlegmatisch, wahrscheinlich eine halbherzige Fingerübung nach dem Anhören von Neil Youngs “Harvest Moon”.

Halbwegs interessant ist “Shot Is Fired”, eine nachdenkliche akkustische Nummer mit schönem Dilettanten-Klavier. Und schon ist, in Vinylkategorien gedacht, Seite 1 vorbei und eigentlich ist nichts passiert.

Bestes Stück auf “Baby I’m Bored” ist “It Looks Like You”, eine fast schwungvolle Popnummer mit Country-Appeal, feinen Harmonien und sich echauffierendem Mittelteil, große Kunst. Ach, könnte nicht jedes Stück auf dieser Platte so sein!

“The Same Thing You Thought Hard About Is The Same Part I Can Live Without” ist ein schöner Titel für ein vergleichsweise aufgeregtes, aber nicht aufregendes Stück. Auf “Why Do You Do This To Yourself?” wird ein Instrument namens Marxophon gespielt.

“All My Live”, geschrieben von Ben Lee, ist angenehm melodiös, verliert jedoch durch den Phasereffekt auf der elektrischen Gitarre, wohingegen “Stop My Head” und “In The Grass All Wine Colored” durchweg gelungen sind und somit einen versöhnlichen Abschluß der Platte bilden.

Mein Plattenhändler meint, es sei immerhin das beste Album von Evan Dando seit sieben Jahren. Und das stimmt genau so.


j.s. – red. / 12. Juli 2003

 

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