Herrn K passiert etwas: Frau K wird ihn heiraten
Eines Tages brachte man Frau K in dieses Haus. Man sprach so: „Ab jetzt,
Frau K, haben Sie das Essen vorzubereiten und zu spülen, haben Sie zu nähen und
zu scheuern, fernzusehen und einzukaufen, zu organisieren und zu
reservieren, mit den anderen Frauen zu plappern und mit den anderen Männern zu
flirten. Abends wird er heim kommen, Sie werden ihn unterhalten und schlafen,
wenn er Lust dazu kriegt. Sie werden ihn beruhigen - denn sonst
werden Sie Stunden schweren Schweigens zu ertragen haben und in anderen Momenten seine
Agressivität erleiden müssen. Sie werden schwanger werden und die Kinder
großziehen; Sie werden nur zwei kriegen, das reicht ja auch. Alle zusammen
werden Sie Urlaub machen. Am Erinnerungstag Ihres ersten Treffens werden Sie
ins Restaurant gehen. Sie werden Angst kriegen, jedesmal wenn Sie nach
Sonnenuntergang aus dem Haus gehen müssen. Sie werden Romane lesen dürfen,
sobald das Haus ordentlich ist. Sind die Kinder einmal groß, werden Sie sich
ehrenamtlich einem Wohltätigkeitsverein widmen können.“ Frau Ks Mund
verkrampfte sich. Trotz allem fragte Sie mit einem Lächeln, um ihr Gegenüber
nicht zu ärgern: „Habe ich mich Ihrem Befehl zu unterwerfen?“ Ihr wurde
geantwortet: „Ganz und gar nicht. Dann können Sie entweder Grundschullehrerin
oder Nutte werden. Als Letztere werden Sie am Anfang viel Geld einbringen,
weil Sie jung sind; das Geld werden Sie aber für Drogen und Alkohol ausgeben
müssen, um Ihr Los ertragen zu können. Es wird niemand mit Ihnen sprechen und
wenn, dann nur mit Herablassung oder Mitleid, oder aber diese Männer, die
unfähig sind, sich an Nicht-Nutten zu wenden, und die nun von Ihnen erwarten, Sie
würden mit ihnen leben - so was wäre natürlich möglich, das Programm dazu hat
man Ihnen schon geschildert. Dann werden Sie reif sein und sich an Ihr
Sklavendasein gewöhnt haben; aber da werden Sie nur noch sehr wenig Geld
einbringen, und Sie werden sich immer noch vollsaufen, da Sie mittlerweile
Alkoholikerin geworden sind. Folglich werden Sie unüberwindbare
Probleme mit der Knete kriegen und zwischen fünfundvierzig und fünfzig im
Elend sterben. Wenn Sie lieber Grundschullehrerin werden möchten, müssen Sie völlig
einsam leben, braune Kleider mit großen rosa und grauen Blumen tragen, eifriges
SPD-Mitglied sein, mit fünfundneunzig sterben, nie lächeln und sich zwingen, immer
den Eindruck zu vermitteln, daß Ihr Leben gescheitert sei.“ „Verzeihen Sie
bitte, könnte ich auch Grundschullehrerin werden und trotzdem alkoholisiert
sein?“ „Nein, das würde höchstens ein oder zwei Jahre gut gehen; die Eltern
würden schnell Klage einreichen, Sie würden zwangsweise von Ihrem Posten
entfernt, und Sie würden als Alkoholikerin und im Elend sterben, aber schon mit
fünfunddreißig bis vierzig. Darüber hinaus wäre es zu spät, um in den
Nuttenstand einzutreten.“ „Verstanden“, sagte Frau K. „Wen werde ich
heiraten?“ „Ganz egal“, wurde geantwortet. „Der Mann, in den Sie verliebt
sind, ist dafür sehr gut geeignet.“ „Da haben Sie recht“, sagte Frau K.
„Ich habe ihn nicht der Vernunft nach ausgesucht, denn es war ja
Liebe; aber ich sehe, daß, auch wenn ich mich nach der Vernunft gerichtet hätte
und nach dem Geld gegangen wäre, das er verdient, nach unseren Persönlichkeiten
und nach den Hobbies, die wir gemeinsam haben oder auch nicht, wäre ich
wohl auf genau diesen Mann gestoßen. Ich weiß nicht, ob man daraus den Schluß
ziehen kann, daß die Welt auf wunderbare Weise geordnet ist oder daß sie im Gegenteil
ein katastrophales Scheitern ist.“
L.S. 2003
Email: l_s@gmx.net
Übersetzung aus dem Französischen: Patrick Wilden und C. Chauvin
Zum Originaltext: Il arrive quelque chose à
M. K : Mme K va l'épouser
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