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Rezensionen: 1 / 2 / 3

Rezension 1

Fried, Amelie (Hg.):

Wann bitte findet das Leben statt?

22.-31. Tsnd. Nov. 1999.
Reinbek bei Hamburg. Rowohlt Taschenbuch-Verlag GmbH
DM 14,90

Gleich vorne weg: Es ist in diesen ("geistfernen") Zeiten immer ein Verdienst, aus der unüberschaubaren Flut der Veröffentlichungen sozusagen Kostproben verschiedener Autoren in einem Band zu veröffentlichen, und dem ohnehin heillos überforderten Durchschnittskonsumenten auf diese Art das Erlebnis zu ersparen, das er, was selten genug geschieht, ein Buch eines Autors erwirbt, um hinterher von derartigen Vorhaben gänzlich abzulassen.

Dieses Verdienst gebührt in unserem Fall Amelie Fried. Wenn man ihr Vorwort nicht mitrechnet, denn allem Anschein nach begreift sich auch Frau Fried als Schriftstellerin, kommt man auf vierzehn Erzählungen verschiedener Autorinnen, alle in angenehm konsumierbarer Länge von 6 bis max. 27 Seiten.

Von den meisten hatte ich noch nichts gelesen und eigentlich auch nichts gehört, daher konnte ich hoffen, mit relativ großem Nutzen dies Buch zur Orientierung heranziehen zu können, ob und welche dieser Autorinnen mir aufgrund des dargebotenen Materials einen zweiten, vertiefenden Blick wert scheinen. Da dies allerdings bei den wenigsten, eigentlich nur bei zweien, der Fall war, gestatte ich mir die Besprechung in der Weise abzukürzen, dass einige der Erzählungen nur marginal, andere hingegen etwas eingehender Erwähnung finden. Frau Fried hätte uns allen und auch sich ihr Vorwort ersparen sollen. So mag es noch angehen, dass sie im Rahmen ihrer autobiografischen Nabelschau an den Satz denkt: "Das kann doch nicht alles gewesen sein"; nicht angehen kann es, dass wir erfahren müssen, dies sei ein Satz "den ich nur aus Frauenzeitschriften kannte" und zwar schon gar nicht für einen Schriftsteller. Ehe ich mich über Gebühr errege und Frau Fried andeute, wo sie diesen Satz in der Weltliteratur überall hätte finden können, sei lieber noch gesagt, dass Frau Fried weiß, wann das Leben stattfindet. Soll ich es verraten?: "Ganz einfach: Immer dann, wenn wir ihm die Chance dazu geben." Hört, hört. Dass man in dieses Dingens "Leben" "geworfen" (Heidegger) wird (es gibt noch viele andere Metaphern für dies Phänomen), hat Frau Fried wohl noch niemand gesagt und offenkundig auch keine ihrer Frauenzeitschriften.

Sei´s drum, weiter: Edith Beleites, Jahrgang ´53, liefert die erste Erzählung mit dem Titel "Der Freund". Ich will´s kurz machen: Das zumindest vermeintliche alter ego von Frau Beleites stöbert im Aktenkoffer ihres werten Gatten und findet dort ein schnuckelig verpacktes Parfümfläschchen samt Herzchenpapier und Telefonnummer. Daran knüpft eine acht Seiten währende Existenzkrise der guten Frau ("Was IST mein Leben?") gefolgt von einem höchst albernen Plot, nämlich dem Anruf des Gatten, der das Fläschchen als Werbegeschenk für einen "Werbefritzen" gekauft hat und es, sehr glaubwürdig, auch gleich von einem Kurierfahrer abholen läßt. Hier hätte die Sache enden können, aber die Moral von der Geschichte darf natürlich nicht fehlen: Auf dem Weg in die Küche, wohin denn sonst?, sagte sie: "Zwölf Jahre verheiratet, einen Haufen Fehler gemacht UND keine Ahnung wo man steht!" D.h. all ihr Frauen gebt euren Männer präventiv eins auf den Deckel, denn sie sind Schuld, das ihr nicht wißt, wo ihr steht. Mit Verlaub, dämlicher geht's kaum.

Es kommt allerdings noch schlimmer. Françoise Cactus beglückt den Leser darauffolgend mit ihrer Erzählung: "Montags fängt immer mein Leben an".

Da sie eigentlich nichts zu erzählen hat, muß ein roter Faden her, an dem die Handlung sich im "frisch - frechen Mädchenstil" (die Frau ist locker vierzig!) entlanghangelt und diesen liefert die Zahl Sieben. Dass sich daraus kein Leitmotiv machen läßt, zumal wenn man es ständig als solches deklariert, wird auch dadurch nicht geändert, indem die Erzählerin manchmal minimale ironische Brechungen einfließen läßt und z.B. Germaine ein siebtes Glas Champagner ablehnt, in der nachträglichen Erkenntnis, dass es sie hätte retten können. Es kommt, wie´s kommen muß, der Aberglaube ruiniert die Aussicht auf eine Liebschaft mit dem Hausherrn, wie auch das Arbeitsverhältnis als Haushälterin/Erzieherin, aufgrund einer albernen Überreaktion, hervorgerufen durch Leitern, schwarze Katzen und Ähnliches. Dem Schluß, gedrechselt aus wiederum zutiefst ennyierenden Zahlenspielen, ersparen wir uns, die wir uns fragen warum über Germaine, bzw. Françoise das Pech ausgerechnet am siebten Tag der Woche hereinbricht?!

Nur wenige der in dieser Anthologie enthaltenen Erzählungen haben mich ähnlich gelangweilt, wie die ersten beiden. Auch sprachlich fühlt man sich zum Glück nicht immer in die Mittelstufe zurückversetzt, so hat schon die nächste von Janiee Deaner einiges mehr zu bieten. Berichtet wird aus der Perspektive eines Mannes, was in den seltensten Fällen gut geht, auch in diesem nicht, aber immerhin findet man inhaltlich, wie sprachlich im Ansatz eine Tiefe, die wenigstens an das Bemühen erinnert, dem tragischen Phänomen menschlichen Lebens auf den Grund zu gehen.

Virgine Despentes, 1969 geboren und damit nach Zoë Jenny, die zweitjüngste Autorin des ganzen Bändchens, verfaßte die meines Erachtens beste Geschichte. Es ist die kürzeste, knapp fünf Seiten, und sprachlich, obwohl es sich in diesem Fall um eine Übersetzung handelt, allen anderen haushoch überlegen; erstmalig ist es auch evident, dass die Autorin nicht um Betroffenheit zu erzeugen, sondern als Betroffene schreibt.

"Engel an ihrer Seite" ist der Titel und verweist auf den einzig wirklich hilfreichen Begleiter aus den Träumen der namenlos bleibenden Hauptfigur. Es handelt sich um eine Abtreibung, aber die Beschreibung muß vor der lyrischen Dichte des Textes versagen, welchen man am besten selbst liest. Deshalb sei an dieser Stelle noch auf ihren Roman "Die Unberührte" im Rowohltverlag und auf die ausgezeichnete Übersetzung von Patricia Klobnsicky verwiesen. Um die Geduld derjenigen, die in meine Rezension hingeschlittert sind, und meine Ausdauer nicht überzustrapazieren, übergehe ich die sogar mir bekannte Doris Dörrie samt ihrer "lapidar überschriebenen" (Vorwort) Erzählung "Glück" und auch über den "Purpurfarbenen Ritter" von der Brigitte-Redakteurin (als hätte man es nicht wissen müssen!) Beatrix Gerstberger habe ich keine Lust mehr etwas zu sagen; der Höhepunkt der Sammlung ist nun mal vorbei!

Zoë Jenny´s "Ein Fest für Aimée" verdient dennoch erwähnt zu werden, da nach einer längeren Durststrecke man sehr sanft, aber doch eindringlicher als es einem lieb ist, in die Erlebniswelt eines magersüchtigen Mädchens eingeführt wird, deren Pflegemutter ein Geburtstagsfest für sie arrangiert hat.

Durch einen Autounfall vollwaise gerät sie zunächst unter die Fittiche ihres alkoholabhängigen Onkels, dann ins Heim, um bei der am Wohl des Kindes vorbei besorgten Pflegemutter zu enden. Es ist schon so, dass die Autorin gefühlsduselig dick aufträgt und der Herzschmerz es einem fast verleidet, wenn der stockdichte Onkel, der zum Fest mit einem Schaukelpferd einwankt, von seinem Quasi-Töchterchen durch die Pflegemutti getrennt wird. Wenn man aber trotz dieses Mangels seine Ohren nicht verschließt, merkt man, dass hier eine Situation beschrieben wird, in der eine positive Option aus der Sicht von Aimée gar nicht existiert, denn egal in welches Milieu sie geraten mag, sie bleibt Opfer der Umstände und da gibt es, liebe Frau Fried erst mal keine Chance, die man nur ergreifen muß!

Von Elaine Kagan, einer Exschauspielerin, die sich bemüßigt fühlt, Bücher zu schreiben, erfahren wir in "Zettel und Notizen" gar nichts wissenswertes, außer, dass sie ihren Erguß eigens für dieses Bändchen erlitt, was uns wieder schnurstracks zu Frau Fried als Herausgeberin führt.

Wenn man in einer Anthologie das Wort "Quellenverzeichnis" verwendet und man findet in dem selbigen nicht eine einzige, sondern nur die scheinbar unumgänglichen Copyright-Verweise und auch die nicht alle! (Frau Gerstberger scheint keines ihr eigen zu nennen, was ich bezweifle.) , dann stellt sich die Frage, ob Herausgeberschaft sich in PR-Effekten erschöpft oder, ob man erwarten darf, zu erfahren woher die einzelnen Erzählungen stammen. Darf man in diesem Fall nicht und ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Werte Editorin alle versammelten Beiträge überhaupt nicht gelesen hat, denn die Lesenswerten werden allesamt in ihrem Vorwort nicht erwähnt, in welchem sie feststellt, dass man "Lust aufs Leben" gemacht bekommt (so drückt frau sich aus). Sapphire nennt sich die Autorin des Textes "Mittendrin von vorne angefangen", der dem Leser und vor allem auch Frau Fried ans Herz gelegt sei (auch ihr Roman "Push", erschienen wo wohlt?) und dabei wollen wir es mal bewenden lassen.

m.m. - red
25.01.2000

 
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