Eine Gruppe schreibender Menschen stellt
sich vor: "texte aus der gartenstraße"
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AutorInnen-Porträts:
Sibylle Walker Kurzbiographie
Geboren 1964. Erzieherin, Putzfrau, Psychologin. Durch das Leben in England, Amerika und Deutschland und die Arbeit in allerlei Bereichen konnte sie Eindrücke sammeln, die sie seit ihrem 12. Lebensjahr in ihre Texte hineinbegleiten. Seit 15 Jahren ist sie Mitglied im Schreibkreis „texte aus der gartenstraße“ mit Veröffentlichungen in 13 Jahrbüchern der Gruppe - und eigenen Lesungen in Altenzentren über die VHS Pliezhausen.
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Eine Gruppe schreibender Menschen stellt
sich vor: "texte aus der gartenstraße"
Kontaktadresse:
Carolyn Murphey Melchers
Corrensstr. 45
72076 Tübingen
Telefon: 07071/610221
e-mail: carolynmelchers@more2discover.com
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Texte von Sibylle Walker
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Bäume zählen
Habe die Bäume gezählt
den Müll rausgebracht
den Staub weggewischt
die Bäume gezählt
die Kissen geschüttelt
das Essen gekocht
Habe die Bäume gezählt
die Treppen geputzt
die Händchen gewärmt
die Betten gemacht
die Bäume gezählt
Mein Bruder
Er war also wieder in der Stadt.
Mein Bruder, also.
Er trug diese großen Karos, die schon so out waren, daß sie wieder trendy waren. Ihm doch egal.
Er kam genau richtig zum Mittagessen. Wusst ich's doch. Mutter konnte dann nicht sagen,
„oh, entschuldige mein Junge, wir haben schon gegessen, du musst dich bis zum Abendessen gedulden.“
Abends aßen wir immer von rustikalen Brettern ohne Besteck.
Jetzt saß ich also wieder mit ihm am Tisch und ich schob schon mal alle werfbaren Gegenstände aus seiner Reichweite. Wissen Sie, mein Bruder wirft gern mit Schüsseln, aber nur wenn er keine Messer hat, oder Gabeln oder Kristallgläser mit Goldrändern. Die mag er besonders. Die klirren so schön.
Glas und Porzellan und Plastik – Hartplastik – hat es ihm angetan. Mutter hatte einmal die gute Idee gehabt, nur noch Metallschüsseln und Metallgeschirr auf den Tisch zu stellen, aber ich konnte das Geräusch von Metallgabeln auf Metalltellern nicht ertragen – und so wurden wieder die alten Porzellanteller aufgetischt.
Mein Bruder kam gerade recht häufig zu uns. Eigentlich eine nette Geste, uns zu besuchen und uns von seinen neuen Bekanntschaften zu erzählen. Er war dabei ein fabelhafter Gestikulierer, nur ging dabei fast jedesmal eine Geschirrgarnitur zu Bruch. Einfach so.
Wenigstens hatten die Nervenzusammenbrüche meiner Mutter aufgehört nach den Besuchen meines Bruders. Das viele zerbrochene Geschirr schien ihr nicht mehr viel auszumachen. Mein Vater hatte sich angewöhnt auf dieses zerstörerische Platschen und Zerbersten nicht einmal mehr zu reagieren. Einmal hatte er sich aus dem Fenster starrend zu einem „oh, es regnet ja schon wieder“, bewegen können, doch ansonsten blieb er stumm und überlegte sich, wo sie diesmal das neue Geschirr kaufen gingen.
Bloomingdales hatten selten etwas Passendes und Mutter spekulierte schon lange auf das Martha Steward – 12 Personengedeck mit Laura Ashley Mustern.
Tja, vielleicht das nächste Mal.
Oder sie lud meinen Bruder einfach mal ein.
Zum Sommerschlussverkauf.
Manchmal
könnt ich
wenn ich dürfte
wie ich wollt
dann würd ich
manchmal
einfach gehen
Manchmal
kann ich
wie ich will
wenn ich dann darf
dann bleib ich
manchmal
einfach stehen
Dieses beständige Schwärmen
- vom Tode -
diese Endgültigkeit
ohne Zurück
ohne Danach
mit allem Davor
was das Leben war
Sibylle Walker
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