Literatur - spezial

Fischer bewirft Visa-Ausschuss mit Steinen

Außenminister rastet aus

:: „Es tut so weh…“ Tapfer hält sich Obmann Eckart von Klaeden am Mikrofonständer fest, doch seine Tolle zittert, als er das grausige Geschehen im Sitzungssaal schildert.

Dabei müsste er gar nicht: Hunderte von Kameras hatten live aufgezeichnet, wie sich Deutschlands drittbeliebtester Außenminister vor seinen Anklägern in jenen Straßenkämpfer zurückverwandelte, der er nach ihrer Ansicht immer geblieben ist.

Zähnerollend und augenfletschend griff Joseph Martin Fischer („Ich werde auch Joschka genannt, aber das liegt daran, dass sich meine ungarisch-stämmige Familie keine Zahnspangen leisten konnte.“) wieder und wieder tief in die Trickkiste des Stadtguerilleros – seine Aktentasche.

Und wer gehofft hatte, dass sich dort brav durchgearbeitete Akten zum Visa-Skandal befanden, wurde bereits mit dem ersten Wurf enttäuscht: Er traf den Ausschussvorsitzenden Hans-Peter Uhl an der rechten Seite, bevor ein zweiter Pflasterstein auch Uhls andere rechte Seite verletzte.

Während Ausschussmitglieder mit dünnerem Nervenkostüm (FDP) hektisch zu den Ausgängen flüchteten, versuchten Unions-Abgeordnete wie von Klaeden, die Wurfgeschosse Fischers mit den Haaren aufzufangen und so Schlimmeres zu verhindern.

Vergeblich: Zwar antwortete Fischer zwischen zwei Würfen auf weitere Fragen („Sind Sie oder waren Sie jemals Mitglied der Kommunistischen Partei?“), nutzte aber die Verblüffung seiner Gegner über die Antwort („Mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch.“), um mit schnellem Griff Kugelschreiber und Wassergläser zusammenzuraffen und auf die Fragenden zu schleudern.

Unbeteiligte Beobachter fühlten sich an den Frankfurter Häuserkampf der 70er Jahre erinnert – doch für Fischer schien es keine unbeteiligten Beobachter mehr zu geben: Mehrere Vertreter der bürgerlichen Presse wurden von ihm ebenfalls mit Geschossen bedacht, bis sie die Galerie räumten.

Von dort aus hatten sie über einen durchaus zivilen Auftakt der Anhörung berichtet: Fischers 12 ½-stündige Eingangserklärung, in der er unter anderem die Enzyklika „In dubio pro libertate“ des neuen Papstes zitierte und sogar ein Personal- und Managementproblem bei der Bewältigung der Krise einräumte, das außerhalb der Koalition unter der Bezeichnung Rot-Grün bekannt sei.

Der Kölner Schleuserprozess sei aber von ihm nicht behindert worden, so der versierte Bauch-Redner, er habe im Gegenteil die angeforderten Akten nach einem 14monatigen Marathonlauf von Berlin nach Köln persönlich überbringen wollen.

Die Heiterkeit seiner Gegner bei dieser Behauptung sollte ihre letzte sein. Nach Uhls Zwischenruf „einwanderungspolitischer Triebtäter!“ brach im Saal die Hölle los. Und dem Medien-Zeitalter sei Dank, dass Fischer nicht einmal mehr Gelegenheit fand, sich vor seinem ersten Wurf zu vermummen – und dass selbst brave Unionswähler ihren Enkeln künftig sagen können:

„Ich war dabei – auf dem Sofa.“

** Letzte Meldung: Die zurückgetretene bayerische Kultusministerin Monika Hohlmeier gab bekannt, dass sie sich nach Beendigung ihrer CSU-Karriere einen langgehegten Traum erfüllen und endlich der Politik widmen wolle.

Sebastian Andrae, 26. April 2005
siehe auch:
Biografie Sebastian Andrae
http://www.sebastian-andrae.de/
SebAn1410@aol.com

 

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