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AutorInnen-Porträts: Alf Rolla: "Die Eintagsfliege"- eine kleine Leseprobe

Alf Rolla
"Die Eintagsfliege"
06/99
296 S.
ISBN: 3-89811-000-1 Libri: 4378628

22,80 DM

Bestellbar als Print on demand bei:
http://www.libri.de

Alf Rolla

Die Eintagsfliege

Mannsein ist kein Zuckerschlecken mehr -

findet Ronny Berghagen, ein Egoist und Macho, wie er im Buche steht. An einem Abend wird der Kellner Zeuge, wie sein bester Freund bei einem Anschlag auf einen Politiker ums Leben kommt. Alles sieht zunächst nach einem Attentat von Terroristen aus. Aber als Ronny sich mit den Hintergründen befaßt, gerät er in eine Welt, die ihm bisher fremd war - in die Welt der Transsexualität. Er kann die Hintergründe des Todes aufklären - und wird ein völlig anderer Mensch...




Leseprobe:

Die Eintagsfliege

"Erde an Oliver: Stimmt was nicht?" sagte ich süffisant zwischen ausgiebigem Gähnen und schob ein Lächeln nach.

"Was?" fuhr er zusammen, während Eric Burdon im Lautsprecher seine von Whiskey verrottete Stimme zu einem Lied zwang, das sonst keiner von ihm hören will: "River Deep, Mountain High".

Draußen ging die Sonne unter, als hätte sie es endgültig satt, Köln mit Wärme zu versorgen. Drinnen kroch die Zeit dahin wie eine Schnecke. Hin und wieder lächelte ich und wollte so ausschauen, als sei ich die Ruhe selbst.

Doch genau das Gegenteil war der Fall. Und ich wußte nicht den Grund.

Aber Gefühle sind zu kostbar, um sie jedem zu zeigen. Meine Devise war, möglichst nie preiszugeben, was in mir ablief. Wenn du nur eine kleine Schwäche zugibst, wird man dich treten.

Ich saß auf der etwas unbequemen flaschengrünen Sofaliege, und meine Gedanken beschäftigten sich plötzlich mit dem leisen Grollen eines dahinkriechenden Gewitters. Doch davon wurde ich noch unruhiger, obwohl ich schon paffte, was die Lunge aushielt. Schließlich tastete ich mit den Augen meine Kleidung ab: Ich trug eine khakifarbene Leinenbundfaltenhose, eine schwarze Lederweste ohne Hemd darunter, so daß mein schwarzes Brusthaar hervorlugte. Meine Springerstiefel waren bis zur halben Wade hochgeschnürt.

Oliver dagegen war nicht der Bringer. Er klang müde - nicht eben erschöpft, aber wie jemand, der ständig gegen den Wind anrennt. Und so gelang es mir heute nicht, mich in seiner Gegenwart wohlzufühlen. Ob es an seinem Auftreten lag? Ich checkte ihn mit einem Laserstrahl: Seine Haare waren länger geworden und ich fand, daß ihm die neue Frisur nicht stand. Wie auch seine Kleidung. Es waren Plürren eines Nachtwächters. Oliver steckte allen Ernstes in einem sackartigen blau-weiß-rot-gestreiften Sweater und einer ausgebeulten blauen Cordhose. Seine braunen Ledermokassins hatten auch schon bessere Tage erlebt. Ich tat so, als würde ich nichts merken. Stattdessen hielt ich Auschau nach einem Drink - obwohl keine Frau in der Nähe war.

Ich, Ronny Berghagen, Aktivposten aus Köln, war sonst überzeugt davon, daß es meine Anziehungskraft auf Frauen noch verstärkt, wenn ich etwas getrunken hatte - und in mancher Nacht war ich so anziehend, daß ich stundenlang durch das "Quartier Latäng" zog. Ich liebte das Kölner Kneipenviertel wie eine Rakete ihre Startrampe. Manche Mülltonnen am Straßenrand kippte ich um, und manchem vorbeifahrenden Wagen brüllte ich etwas hinterher. Keiner der Fahrer hat übrigens angehalten. Vielleicht wollte er sich nicht bei einem Kieferchirurgen einen Termin geben lassen ... Vielleicht sah er in mir auch den großen, übermütigen Jungen - vermute ich heute. Mein Lebensziel war, ein dickes Vermögen zu machen, und ich hatte eine Schwäche für langbeinige Fotomodelle mit blonden Haaren und großem Busen. Es sollte eben immer das Beste sein, denn wenn man das Beste hat, weiß man auch, daß man gut ist.

So einfach war das.

Mein eigentlicher Vorname Roland hatte schon im zarten Kindergartenalter von drei Jahren der volkstümlicheren Version weichen müssen. Mit meinen 38 Jahren war ich heute bereits das, was man mit einem nachsichtigen Lächeln einen "eingefleischten Junggesellen" bezeichnete, auch wenn mir wohlmeinende Leute gerne von einem "begehrten Junggesellen" sprachen. Anmutig oder sogar zierlich konnten nicht einmal sie mich nennen. Mit 1,66 Meter war ich leider knapp am Gardemaß vorbeigeschrammt, ich wog gut und gerne hundertfünfzig Pfund und wegen meiner etwas tapsigen Art gaben mir die Leute den Spitznamen "Bär", der für Nicht-Riesen einigermaßen selten ist. Manche Leute starrten mich regelrecht an, leicht verwirrt, als bemühten sie sich, meinen Namen zu finden. Vielleicht starrten sie auch mein Äußeres an. Es war mir zur Gewohnheit geworden, meine braunen Haare ganz kurz schneiden und dann auswachen zu lassen. So brauchte ich mich monatelang nicht um Friseure zu kümmern.

In meiner Vergangenheit gab es kein einziges Wesen, das mich hätte lehren können, offen meine Gefühle zu zeigen. Mein Vater begrüßte mich noch heute mit einer handfesten Geste - einem Handschlag. Nie stellte ich mir die Frage, warum wir das taten. Als meine Schwester bei einem Verkehrsunfall starb, nahm meine Mutter die bittere Nachricht wortlos entgegen. Sie preßte nur die Lippen aufeinander und lief in die Küche, damit niemand den Ausdruck ihrer Augen sehen konnte. Ab sofort erwähnte sie nie wieder den Namen ihrer Tochter, wie auch mein Vater nicht mehr von ihr sprach.

Mehr Infos und noch mehr zum Weiterlesen bei
www.krimi-umsonst.de
 
siehe auch / Literatur:
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