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Werkbetrachtung

Die Toteninsel von Arnold Böcklin



Ob die junge Witwe Marie Berna an eine Toteninsel gedacht hat, als sie bei Arnold Böcklin (1827-1901) „ein Bild zum Träumen“ in Auftrag gab, bleibt dahingestellt. Aber wahrscheinlich hatte sie eher die junge Frau vor Augen, die Böcklin 1878 in dem Bild Die Villa am Meer in sich gekehrt und in romantischer Pose an einer Mauerruine lehnend ins Wasser blicken lässt. Aber Arnold Böcklin, der 1880 von einem Kuraufenthalt aus Ischia zurückkehrt, immer wieder mit Depressionen zu kämpfen hat und mehr als die Hälfte seiner Kinder sterben sieht, malt ihr Die Toteninsel und arbeitet darin sein bisheriges Leben auf. Nachdem er einen ersten Entwurf unvollständig zur Seite legt, entstehen in den Jahren zwischen 1882 und 1886 fünf unterschiedliche Bilder. Marie Berna bekommt die zweite Version, die heute im New Yorker Metropolitan Museum hängt. Die Idee der Felsformationen in dem Bild hat der Künstler aus Ischia mitgebracht, und die venezianische Friedhofsinsel San Michele dürfte ebenfalls eine Rolle darin bekommen haben. Böcklin kannte auch Torquato Tassos Kreuzugsepos Das befreite Jerusalem und verwandelt in seinem Werk Armidas Zauberinsel in eine Toteninsel, auf die Rinaldo mit einem Nachen übersetzt.

Ob das Bild Marie Berna wirklich zum Träumen gebracht oder ob sie davon Alpträume bekommen hat, ist nicht bekannt.

Die hier beschriebene Berliner Version malt Böcklin 1883. Sie misst 80 x 150 cm.



Die Toteninsel III von Arnold Böcklin | Bildquelle: Wikipedia


Magisches Sonnenuntergangs-Licht beleuchtet eine runde, von hohen Felsen beschützte Bucht, auf die ein schmaler Leichenkahn zusteuert. Die schneeweiß gekleidete Person in dem Boot, die aufrecht zwischen dem Ruderer und einem weißen Sarg den Blick auf sich zieht, spiegelt sich im klaren Gewässer wider. Der Sargbegleiter oder Tassos greiser Magier steht mit dem Rücken zum Betrachter und blickt auf eine bedrohliche Zypressen-Gruppe, die in einen milden rot-braun gewittrigen Tiepolo-Himmel ragt und lange, dunkle Schatten auf das ruhige, spiegelglatte Wasser wirft. Obwohl man den Mond nicht sieht, ist er schon aufgegangen und taucht Reisenden und Sarg in grelles, unnatürliches Licht. Auf beiden Seiten der Friedhofsbäume sind Nischen und weiß gerahmte Grabkammern aneinandergereiht. Das Licht rechts zwischen den Zypressen und moosbewachsenen Felsen weist auf einen Durchgang zur hinteren Seite der Insel hin, der allerdings nicht oft benutzt werden dürfte, da er von Gräsern schon halb zugewachsen ist.

Das Bild steckt voller Symbole und auf der einzigen nicht umrandeten Grabkammer rechts außen am großen Felsen über einer Grotte hat der Künstler seine eigenen Initialen angebracht. Böcklin, der romantische Symbolist und „große Einsame“ hat hier seine eigene Beerdigung inszeniert und sich auf der Insel ein Denkmal geschaffen.



Die Toteninsel-Serie manifestiert auf der einen Seite den Kulturpessimismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Europa und wird auf der anderen zu Böcklins persönlichem Schwanengesang der Antike und der konventionellen Malerei. In Paris revolutionierten zu diesem Zeitpunkt schon die Impressionisten den Kunsthimmel. Ein paar Jahre später wird Böcklins Bilder-Traumwelt Inspirationsquelle für Max Ernst und Salvador Dalí. Er selber hat auf die Frage, was er mit dem Bild aussagen wollte geantwortet: „Das, was Sie sehen. Ich male nur Bilder und keine Bilder-Rätsel!“ Nun, die Kunsthistoriker sehen das anders.

Obwohl Alles in dem Bild nach oben strebt, hat sich Böcklin für das Querformat entschieden. Fast möchte man meinen, er hat hier ein Toteninsel-Bühnenbild gemalt, obwohl erst später Komponisten wie Max Reger oder Rachmaninow seine Toteninsel vertonen sollten. Richard Wagner hat ihn angeblich im Jahre 1880, also vor Marie Bernas Auftrag, nach Neapel eingeladen, um ihn um Bild-Entwürfe für seinen noch nicht fertigen Parsifal zu bitten. Das Treffen endete aber im Zwist, und Paul von Joukowsky wurde mit Bühnenbild und Kostümen für die Uraufführung 1882 beauftragt.
Christa Blenk - 18. August 2020
ID 12398
Arnold Böcklin zählt mit Anselm Feuerbach und Hans von Marées zur zweiten Generation der Deutschrömer, die in einem letzten Aufschrei die Industrialisierung aufhalten und die Antike nochmals aufleben lassen wollten. Während Feuerbach seiner Griechenlandsehnsucht frönt und von Marées Jünglinge im Orangenhain malt, zieht sich Böcklin mit seinen symbolistischen Gegenwelten in einen kleinen Ort bei Florenz zurück, wo er 1901 auch stirbt.

Der Kunsthändler Fritz Gurlitt erwarb diese dritte Version des Toteninsel-Bildes schon 1884, nur ein Jahr nach Fertigstellung. Eine Zeitlang hing sie in einer Bankgesellschaft in St. Gallen und gelangte auf Umwegen nach München. Die Nationalsozialisten deklarierten Böcklin zum nordischen Seelenkünstler und sahen in seinen Werken eine germanisch-grüblerische Sehnsuchtswelt. Hitler kaufte das Bild vor dem Krieg und ließ es in der Berliner Neuen Reichskanzlei aufhängen. Nach dem Krieg blieb es zuerst verschollen, bis es 1979 wieder nach Berlin zurückkehrte, wo es heute in der Alten Nationalgalerie zu sehen ist.


Wikimedia-Link zur Toteninsel von Arnold Böcklin


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