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KÜNSTLERPORTRÄTS:
Sissi Ban
Zurück zur Biographie Interview mit Sissi Ban

Magie der Dimensionen und Farben

SISSI BAN, Zeitenwende, Öl auf Leinwand, 2000, 55 x 60 cm


Auf den ersten Blick erscheinen die Bilder harmonisch, unglaublich heiter und doch eigenwillig. Die Bilder von Sissi Ban verlangen Zeit. Lässt man sich darauf ein, gerät so Einiges in Bewegung. Die flimmernden Farbfelder entziehen sich. Vordergrund und Tiefe scheinen keinem eindeutigen Platz zugewiesen. Raum oder Fläche? Die Frage nach der Illusion verstärkt sich bei der Betrachtung. Vexierbilder nennt Sissi Ban - ich weiß nicht, ob sie dabei ein wenig schelmisch lächelte - ihre neueren Arbeiten auch, die etwas an eine impressionistische Landschaft erinnern und sich dennoch der Landschaft enthoben haben. Denn die anscheinende Bewegtheit der Oberfläche ist vielmehr ein Blick auf etwas Inneres. Und so trifft - bei ein wenig längerer Betrachtung - der übergeordnete Titel der Arbeiten tatsächlich zu: "Bilder für die Seele".


SISSI BAN, Ursprung des Lebens, Öl auf Leinwand 2000, 100 x 130 cm

In der kleinen Galerie in der Tübinger Altstadt dominieren diese 'Seelenlandschaften'. Direkt zu ihnen gesellen sich naive anmutende Höhlenmalerein - archaische anmutende Löwen, Steinböcke, Wisente, Mammute. Auch hier kommt der Effekt der Bewegung durch das irritierende und den Betrachter fesselnde Vexieren der Motive. Ein Höhlenbär vor dem leicht unruhigen Malgrund. Beim vorbeigehen scheint sich der Kopf zu bewegen, die Antilopen springen davon. Das Beschwörende der Höhlen von Altamira oder Lascaux wird für einen kurzen Moment lebendig. "Ich hatte schon seit einiger Zeit nach etwas Ähnlichem gesucht. Dass ich es schließlich in dieser Art zu Malen gefunden habe, war Zufall. Ich sah den Artikel zu Altamira in einer Zeitung, die irgendwo auf dem Boden lag."


SISSI BAN, La Famme - Das Paradies, Öl auf Leinwand 2001, 120 x 120 cm


Im Ganzen Raum liegt Magie und die zusätzlich zahlreichen kleinen Tango tanzenden Paare und leuchtenden Bilder erfüllen den Raum mit einer Heiterkeit, der nicht einmal der verhangene Himmel einer grauen Außenwelt etwas anhaben kann.

s.p. - red. / 27. August 2002

        
Vier perspektivisch dargestellte Pferde, Grotte Chauvet, Öl auf Leinwand, 2001, 50 x 75 cm / Grosser Höhlenbär, Grotte Chauvet, Öl auf Leinwand, 2001, 80 x 100 cm / Löwinnen, Grotte Chauvet,Öl auf Leinwand, 2001, 80 x 100 cm

Text Anne Fröhlich

Magie der Farben und Dimensionen II

Bei allem Spiel mit den Gesetzen der Optik: auch diese neuesten Werke der Künstlerin sind Meditationsbilder, wie ja wahrscheinlich auch die steinzeitlichen Originale - ob man diese nun im Sinne des Jagdzaubers oder des Fruchtbarkeitszaubers deutet (wofür die vielen Darstellungen trächtiger Tiere sprächen, die Sissi Ban als Indiz dafür ansieht, dass es sich um von Frauen gemalte Bilder handeln könnte, die weibliche Kulträume schmückten) - ob Totemismus oder Schamanismus: ein wichtiges Element wäre in jedem Fall die Einsfühlung mit dem Tier gewesen, und damit zugleich auch die Selbstbegegnung im Tier.
Sissi Bans Werke vermitteln eine solche Selbstbegegnung dadurch, dass sie je nach Stimmung immer wieder unterschiedlich gesehen werden können. Der "große Höhlenbär" (siehe oben) hebt sich vom Dunkel des Hintergrunds ab, das sich in ihm andererseits gerade zu verdichten scheint; die "Löwinnen" (siehe oben) agieren so geschlossen, dass sie wie die Bewegungsstudie eines einzigen Individuums wirken; und die "Pferde (siehe oben) befinden sich in einem so fließenden Raum, dass sie einmal ganz klein und nahe sind, dann wieder groß und weit entfernt.
Klar und sprühend zugleich, springen dieser Bilder den/die BetrachterInnen weder gewaltsam an, noch lassen sie sich als reines Dekorationselement "still stellen".
In ihrer dialogbereiten Präsenz besitzen sie eine Qualität, deren Fehlen es heute oft so schwer macht, den passenden Ort für ein Bild zu finden: man kann mit ihnen zusammenleben.

Anne Fröhlich, Juli 2002

SISSI BAN, Die blaue Stunde, Öl auf Leinwand, 2000, 60 x 60 cm

Text Anne Fröhlich

Magie der Farben und Dimensionen I

Sissi Bans Öl- und Acrylgemälde irritieren zu Beginn, weil sie sich nicht in dieser Weise vereinnahmen lassen, aber auch nichts zu enthalten scheinen, was die BetrachterInnen "anspringt" oder woran er/sie sich festhalten könnte, um das Bild und seine "Botschaft in den Griff zu kriegen".

Die Werke, die zu Beginn ihrer jüngsten großen Schaffensphase (seit Anfang 2000) entstanden sind, wirken zunächst nur wie abstrakte Kompositionen. Farben, die im Spektrum nebeneinander liegen - oft Gelb, Grün, Blau - verteilen sich in subtilen Schattierungen, einem fließenden Duktus und wellen- oder wolkenartigen Strukturen sehr gleichförmig über die gesamte Fläche. Sehr sparsam nur sind Komplementär- oder Helligkeitskontraste eingesetzt; obwohl ohne Schatten eigentlich auch kein Licht mehr wahrnehmbar ist, scheint von dem ganzen Bild ein gleichmäßiges Leuchten auszugehen. Jeder Versuch einer Durchdringung gleitet an dieser Harmonie ab.

SISSI BAN, Feuer und Licht, Öl auf Leinwand, 2001, 50 x 45 cm SISSI BAN, Stille der Nacht, Öl auf Leinwand, 2000, 100 x 90 cm


Tritt man zurück, um einfach nur zu schauen, vollzieht das Bild eine korrespondierende Bewegung: es öffnet sich und wird zu einem tiefen, aber durch keine eindeutige Perspektive festgelegten Raum. Nach einer Weile scheint der BetrachterInnenstandpunkt zu kippen: meinte man zunächst auf eine Wasserfläche mit farbigen Lichtreflexen zu schauen (Sissi Ban ist stark von den Impressionisten , besonders Monet, inspiriert) blickt man plötzlich in einen Wolkenhimmel und dann vielleicht auf einmal über eine weite Ebene hin (die Reihenfolge ist nicht festgelegt, und überdies sind diese Bilder so konzipiert, dass man sie von allen Seiten betrachten kann). Hier wird keine Anschauung von Objekten vermittelt, sondern das ungewöhnlich intensive Erleben des eigenen Schauens. Der/die BetrachterIn wird in einen - sehr wachen - Schwebezustand versetzt, und die energiegesättigte Ruhe, die die Farben ausstrahlen, geht auf ihn/sie über.

SISSI BAN, Wunschgedanken, Öl auf Leinwand, 2000, 50 x 50 cm


Aus Meditationsprozessen entstanden, sollen diese Bilder harmonisierend und heilend wirken. Die neueren Werke sind gegenständlicher, gleichgeblieben ist ihre Unaufdringlichkeit, die sanfte Irritation, die sie auslösen, wenn man sich auf sie einlässt, die Ruhe und Lebendigkeit, die von ihnen ausgeht. Vor allem haben sie sämtlich eine Eigenschaft gemeinsam: es handelt sich jedes mal um eine Art Vexierbild.

Die Mittel, mit denen diese Wirkung erzielt wird, werden immer vielfältiger und raffinierter, wobei die Einfachheit enthalten bleibt und die impressionistische Technik sowie die subtile Farbigkeit verhindern, dass die Reduziertheit und Konsequenz der Komposition einen Eindruck der Starre erzeugt.

Ein Kranz Tulpenblüten erscheint als von oben oder von unten her gesehen, je nachdem, wie die mittlere obere "gelesen" wird - ob als Kreismittelpunkt oder Teil der Kreislinie, beides ist möglich.

SISSI BAN, Reichtum des Südens, Öl auf Leinwand, 2000, 30 x 40 cm


Im "Vordergrund" des Bildes "Die Liebenden" (bzw. am unteren Bildrand, da man sich bei Sissi Bans Werken nie sicher sein kann, was Vorder- und was Hintergrund ist): zwei gelblichrote Kreisflächen (eigentlich keine Flächen, sie wirken plastisch, von fleckiger Textur, wie Chrysanthemenblüten); dahinter ein Gewirbel grüner, gelb-orangener, gelblichweißer Lichter (Blüten?). Die beiden "Liebenden" scheinen, tief mit ihrem Gefühl gesättigt, in sich zu ruhen, miteinander zu verschmelzen - was um sie vorgeht, interessiert sie nicht. Dann, plötzlich, schießt und schäumt der Hintergrund den/der BetrachterIn entgegen - wie auch von Liebenden die Welt besonders intensiv erlebt wird.

SISSI BAN, Die Liebenden, Öl auf Leinwand, 2000, 45 x 50 cm


Drei orange-gelbe Formen - Flammen, Blüten, aufgeschnittene Früchte? - erheben sich in schräger Linie - oder kommen sie herabgeschwebt? - genau über der Trennlinie zwischen einer grünen und einer blauen Fläche - Wiese und Nachthimmel? Deutet man aber den blau-grünen Fleck im Winkel zwischen diesen beiden Linien als Schatten, wird der Himmel, wieder einmal zur Wasserfläche, auf der die Figuren in die Tiefe des Raumes hineinschwimmen. Dieses Gemälde ("Don`t forget to remember me") bildet übrigens den Mittelteil eines Triptychons, dessen Seitenteile je ein tangotanzendes Paar ("Lichtspiele") zeigen, das linke in geschlossener, das rechte in gelösterer Haltung; entsprechend sind die Farben des "Hintergrundes" (da es keine Schatten gibt, ist nicht eindeutig, ob die Gestalten stehen oder schweben) links dunkler, rechts sonniger.

SISSI BAN, Feuer der Nacht, Öl auf Leinwand, 2000, 65 x 50 cm


Diese Effekte drängen sich aber nicht auf; man muss sich auf das Bild einlassen, von seiner Bewegung mitnehmen lassen, kann sie aber auch ein wenig lenken und sich so frei im Raum bewegen. Da es sich um Räume handelt, die keine eindeutige Perspektive haben, und meist keine konkreten Personen, sondern - mehrdeutige - Situationen dargestellt sind - teilweise werden die Figuren sogar einfach ausgespart, Raum im Innenraum - wird es je nach Gestimmtheit jedes mal ein anderes Erleben sein.

SISSI BAN, Das süsse Leben, Öl auf Leinwand, 2000, 30 x 60 cm


Wenn auch zumindest die größeren Formate viel Platz benötigen - sie müssen aus der Distanz betrachtet werden und brauchen Raum um sich, da sie sich in vorgegebene Räume nicht einfach "einbauen" lassen noch sie vergrößern wie ein "konventionelles" Landschaftsbild, sondern die Möglichkeit schaffen, sich in einen völlig anderen (Erfahrungs-) Raum zu begeben, so können sie doch in ihrer Vieldeutigkeit gut zu "Mitbewohnern" werden, in deren Gegenwart einem wohl ist und die doch zu immer neuer Auseinandersetzung - auch mit sich selbst - herausfordern.

Anne Fröhlich, Juli 2001
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