KÜNSTLERPORTRÄTS:
Carola Dewor
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Malerei
Mit gesenktem Blick
musterhaft, 1999, Acryl/Pigment/Papier/Holz, 47 x 66 cm
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Text: Carol Dewor
Die Wurzeln meiner Malerei liegen in der Gegenständlichkeit. In einem Zeitraum von ca. 20 Jahren habe ich mich kontinuierlich vom Gegenstand als wiedererkennbares, malerisches Objekt entfernt.
Irgendwann wurde mir bewußt, daß der Gegenstand lediglich ein Vorwand für mich war, um malen zu können. Damit hat mir neue Wege Malerei zu betreiben eröffnet. Von diesem Zeitpunkt an suchte ich nach Methoden, alle Kriterien eines Bildes die auf Abbildung, Symbolik oder "Gelungen sein" zielen zu vermeiden. Anstatt nach einer geeigneten Komposition, nach Farbharmonie, Ausdruck oder Ausgewogenheit zu suchen, konnte ich mich nun auf das konzentrieren, was mit der Farbe selbst geschieht.
Ölbilder zum Thema "Bewegung" (montierte Farbe), 1992-95, Öl auf Leinwand, 500 x 600 cm
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Bis 1995 war Ölfarbe mein bevorzugtes Medium, weil sie auch Widerstand bieten kann. Ich beobachtete wie sie sich verhält, wenn ich sie mit unterschiedlichen Werkzeugen auf den Bildträger aufbringe, welche Spuren meine Arm- und Körperbewegungen in dem Farbbrei hinterlassen. Auf diese Weise entstanden Bilder die so pastos gearbeitet sind, daß man von >montierter< Farbe sprechen kann. Das Farbmaterial selbst ist somit zum Gegenstand und zur Aussage geworden. In allen Werkphasen habe ich es vermieden mit der Farbe konkrete oder erkennbare Motive und eine gefällige Farbästhetik zu verwenden; das hätte von der eigentlichen Aufgabe, Malerei als Medium zu zeigen, abgelenkt.
Bodenarbeiten, 1997/98, Acrylfarbe auf Fußbodenfliesen, 500 x 600 cm
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Ab 1995 suchte ich nach einer Erweiterung der malerischen Möglichkeiten. Ich reflektierte nicht mehr nur die Farbe als Medium, sondern auch ihr Trägermaterial, probierte flexible, weiche, feste, metallene, hölzerne und steinerne Materialien als Bildträger aus. Dieses Experiment löste die Ordnung von Wand und Bild auf und führte zum Raum. Ich verwendete Acrylgel auf Mantelstoff, auf industriell gefertigten Fußbodenfliesen, auf Stahlregalplatten. Sobald die Grenze eines "Bildes" nicht mehr durch den Keilrahmen gegeben ist, beginnt es auf andere Weise mit der Umgebung zu korrespondieren. Als Beispiel für solche Untersuchungen möchte ich das Werk von Robert Ryman anführen, das ich außerordentlich hoch schätze.
Bodenarbeiten, 1997/98, Acrylfarbe auf Fußbodenfliesen, 500 x 600 cm
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Aus der Serialität der bemalten Materialien ergaben sich Variationen von Komposition durch Mehrteiligkeit. Aus Mehrteiligkeit ergeben sich Muster und Muster werden zum Ornament. Durch die Maserung industriell hergestellter Sperrholztafeln, die ich bemalen wollte, kam ich ganz unbeabsichtigt zu einem neuen Thema. Dabei brauchte ich nichts zu erfinden, sondern fand etwas vor. Die Bearbeitung der Holztafeln legte die Assoziation zu mittelalterlichen Altarbildern und ihren gepunzten Goldgründen nahe, und jemand machte mich auf einen Katalog von Musterfragmenten mittelalterlicher Altarretabeln aufmerksam.
Ich spielte in meinen Bildern mit diesen Ornamenten und probierte dabei zudem die Oberflächenwirkungen von Acrylfarbe aus. Ich verwendete ausschließlich Schwarz für die Ornamente, um den Grad der Abstraktion und Verfremdung zu steigern. Das Ornament ist gegenständlich und ungegenständlich zugleich, da es zweidimensional ist und sich seriell bzw. symmetrisch wiederholt. Auf dieser Basis konnte ich dem Prinzip der Verweigerung von Abbildhaftigkeit und Illusionismus treu bleiben.
Da diese Ornamente immer auf stilisierten Naturformen beruhen, stellte sich die Frage nach dem Verhältnis von Natur und Kultur. Insbesondere die Installation >Ein - Richtung< in der Scheune in Unterjesingen im Jahr 2000 und das Video >Ent - Hausung< (Gemeinschaftsprojekt mit Dietmute Zlomke) beziehen sich auf dieses Thema.
Ein-Richtung, Rauminstalltion, 2001
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Während dieser Werkphase machte ich viele Fotos von unscheinbaren und gewöhnlichen Blattpflanzen, deren Formen ich in meinen Bildern verarbeitete. Sie waren ebenfalls ein vorgefundenes Material. Ich brauchte nur auszuwählen und überlegte mir dafür Kriterien wie z.B. >rund, dreieckig, strahlenförmig<. Auch wenn nicht meine Absicht ist Schönheit in den Bildern zu erreichen, entsteht sie unter Verwendung von Pflanzenformen wie von selbst.
Durch die Auseinandersetzung mit den Blattformen und der sich jährlich wiederholenden Reproduktion der Pflanzen, fokussiere ich mit der Installation >Zeit - verstreichen< 2001 im Weißen Häusle in Hechingen, auf das Thema der Zeit als künstlerisches Motiv. Mit dieser Arbeit schließt sich für mich der Kreis zwischen den pastosen Ölbildern, deren Bewegungsthema auch zeitgebunden ist, und den seriellen, räumlichen Arbeiten. Mit >Zeit - verstreichen< bin ich zum Auftragen von Farbe als Motiv zurückgekehrt und habe es um die räumliche Komponente der Dreidimensionalität erweitert.
Zeitverstreichen, Rauminstalltion, 2001
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Für die Farbbänder wurden ca. 250 MdF-Platten mit in Acryfarbe gebundenen Pigmenten bemalt. Der Bewegungsablauf war dabei immer der gleiche: die ungerichtet aufgetragene Farbe wurde im zweiten Durchgang durch die regelmäßige Hin- und Herbewegung des Pinsels geordnet. So entstanden rythmische "Muster" die sich in Intervallen fortsetzen. Jede Bemalung einer Tafel habe ich per Video dokumentiert und im Anschluß eine Sequenz zu einem eigenen Videoclip verarbeitet. Der Ton dieses Videoclips basiert auf mit aufgezeichneten Radiosendungen die im Hintergrund liefen und im wesentlichen Nachrichten oder Kultursendungen wiedergeben. Durch die Dehnung der Aufnahme entsteht dabei ein eigener Rythmus der eher an Musik als an Sprache erinnert.
Zeitverstreichen, 2001, Acrylfarbe auf MdF-Platten, Rauminstalltion
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Der Farbe Rot als vitalste Farbe, kann man sich nicht entziehen. Auch darin sehe ich eine Analogie zur Zeit. Die Anzahl der Platten hat keine besondere Bedeutung, es könnten mehr sein oder auch weniger - Zeit hat als Dauer kein Maß. Die Anordnung der Farbbänder ist nicht festgelegt und variiert je nach Raum und Ort.
Das nächstes Projekt könnte die Untersuchung der Auflösung von Materie, Raum und Zeit anhand des Mediums Computers werden. Ganz sicher bin ich mir noch nicht. Ich werde mir damit etwas Zeit lassen.
Carola Dewor, Tübingen im März 2002
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Mit gesenktem Blick
Text: Dagmar Waizenegger
mit gesenktem Blick, 1999
3teilig, Acryl/Nessel, 180 x 370 cm
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Dagmar Waizenegger über Carola Dewor
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Carola Dewors Bilder thematisieren die Selbstreflexion einer Kunst, die figurativ bleiben will, ohne ins naturalistische abzugleiten.
In "mit gesenktem Blick" sind Blattformen erkennbar, die mit ihrem Derivat, einer Stickvorlage in Form eines Gartenkrauts konfrontiert werden. Die beiden Motive sind kaum voneinander zu unterscheiden. Ihre Gegenständlichkeit ist ganz ins Ornamentale aufgelöst. Und auch hier sensibilisiert die Gegenüberstellung von natürlicher und künstlicher Form für die ebenso unergründliche wie ambivalente Schönheit des jeweiligen Motivs. Als Vorlagen verwendet Carola Dewor Motive mittelalterlicher Tafelbilder, Fotografien, Architekturzeichnungen und Handarbeitsmuster, die sie aus ihrem Kontext isoliert, künstlerisch bearbeitet und als reine Formen auf farbigen, meist bordeauroten Grund setzt. Dadurch verlieren sie ihre ursprüngliche Funktion und stehen nun ganz für sich, bereit, neue und andere Bedeutungen aufzunehmen. So gewinnen sie eine subtile Ambivalenz, deren Wahrnehmung damit allerdings ganz in die Imagination des Betrachters verlegt ist: "Der Blick öffnet sich auf imaginierte Bilder eigener Erfahrungen und kann ebenso das Schöne als das vertraute, wie auch das Fremde als das verunsichernde Moment ansprechen." (Carola Dewor)
Vorbereitung für ein Fest, 1998
9teilig, Acryl/Nessel, 160 x 800 cm
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Installationsansicht zu angel's dress, 1999
Acryl/Nessel, 230 x 173 cm
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