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KÜNSTLERPORTRÄTS:
Andreas Hoffmann
Zurück zur Biographie "Körperwege" -Hautkontakt-
geplante Inszenierung des Projektes "Körperwege"
"Wandlungen" und "Stückfeld"
Text: Otto Pannewitz

so wie der blick die haut

ANDREAS HOFFMANN, Projekt "Körperwege", Arbeiten auf Papier, 20cm x 30cm,
C-Print, Grafit, Pigment, Öllack, 2002
so wie der blick die haut
so wie die haut des blicks
die gegend
den gegenstand
streift berührt
berührt und streift
und in sich wiederholt
als heimlichkeit
geraubt
nach innen

Klaus Möller Tübingen 2002
Projekt "Körperwege"
ANDREAS HOFFMANN, Projekt "Körperwege", Arbeiten auf Papier, 20cm x 30cm,
C-Print, Grafit, Pigment, Öllack, 2002


"Körperwege"
-Hautkontakt-

Eine Inszenierung für einen Spieler-Zuschauer

Konzept / Vorgaben

Vorgegeben ist ein umschlossener Raum im Raum mit 2,5m Höhe. Die Grundfläche assoziiert den Querschnitt eines menschlichen Beckens mit den Maßen 7,5m x 6m.


ANDREAS HOFFMANN, Modell zum Projekt "Körperwege", Realsisierung der Inszenierung geplant 2003

Der Weg ins Zentrum des Raumes führt über 7 Orte. An ihnen soll alles, was die eintretende Person am Leib trägt, nach und nach abgelegt werden. Die 8. Station ist ein Wasserbecken. Im Zentrum des Raumes sind installiert:
    Eine sich langsam drehende Scheibe,
    eine Säule mit elektromechanischer Kameraführung,
    ein Videobeamer und eine Leinwand.
Dieser Raum soll jeweils von einer Person betreten werden.
Diese Person nennen wir Spieler-Zuschauer. Die Bezeichnung ist bewußt aus dem Zusammenhang des Theaters gewählt; sie scheint am ehesten geeignet, um die doppelte Funktion zu beschreiben, die gewöhnlich durch mindestens zwei Beteiligte erfüllt wird: Eine Person, die (auf der Bühne) spielt - und eine, die im Zuschauerraum) zuschaut, ergeben zusammen die kleinste denkbare Einheit für Schau-Spiel.
In dieser hier beschriebenen Inszenierung fallen die beiden Funktionen von einem bestimmten Moment an zusammen; wenn die Person ihre "Drehbühne" betreten hat, ist sie zugleich angeschaute und anschauende Instanz. Der Betrachter ist im Bild.


ANDREAS HOFFMANN, Eingang, Modell zum Projekt "Körperwege", Realsisierung der Inszenierung geplant 2003



Der Spieler-Zuschauer

Der Weg zum Zentrum des Raumes ist ein Vorbereitungsweg:
Nachdem die Person die Schwelle überschritten hat, entledigt sie sich nach und nach alles dessen, was sie auf dem Leib trägt. Für ihre Kleidungsstücke sind besondere Aufbewahrungsorte vorgesehen. Der schrittweise Übergang vom bekleideten in den unbekleideten Zustand stimmt allmählich ein auf den inneren Kreis, den "Dreh-Ort".
So wie sich die Bewegung der Person immer mehr von außen nach innen orientiert, reduziert sich auch die Außen-Ausstattung des Körpers bis auf die Haut.
So wie das Vordringen zum Kern einer Sache, zum "Auf-den-Punkt-Kommen" verbunden ist mit einer Freilegung, Entblößung - so entwickelt sich (im ursprünglichen Wortsinn)der Weg der Person vom Einfach-Gehen zum Einfach-Stehen, verbunden mit der vorübergehenden Preisgabe all dessen, mit dem sie sich zu bedecken gewohnt ist.


ANDREAS HOFFMANN, Wasserbecken, Modell zum Projekt "Körperwege", Realsisierung der Inszenierung geplant 2003


Der Spieler-Zuschauer bestimmt das Tempo, mit dem er diesen Weg geht und konzentriert sich auf seine jeweilige Tätigkeit. Indem er sich seiner Äußerlichkeiten entledigt und in der 8. Station eine Wasserschüssel zur Reinigung des entkleideten Körpers vorfindet, gelangt er ins Zentrum des Raumes. Er betritt die sich langsam drehende Scheibe.
In einer ruhigen, gleichmäßigen Bewegung lässt sich der Körper um die eigene Achse drehen.


ANDREAS HOFFMANN, Körpermaschine, Modell zum Projekt "Körperwege", Realsisierung der Inszenierung geplant 2003


Die Optik einer Kamera tastet die Körperoberfläche ab. In derselben langsamen Bewegung - wie die der Drehscheibe um die eigene Achse - bewegt sich die Kamera in der Vertikalen nach oben. Sie streift dabei optisch jeden Zentimeter der Haut und zeichnet Rundungen, Vertiefungen, Faltungen und Behaarungen in der Vergrößerung auf. Die entstehenden Bilder werden im gleichen Raum projiziert.


ANDREAS HOFFMANN, Körpermaschine mit Projektionen, Modell zum Projekt "Körperwege", Realsisierung der Inszenierung geplant 2003


Die Abbildung der Körperoberfläche ist so für den Spieler-Zuschauer sichtbar. Durch die Projektion der aufgezeichneten Bilder wird die Person, die sich zeigt, zum Zuschauer ihrer eigenen Abbildung. Sie sieht sich in einer bisher nicht wahrgenommenen Weise. Das entstehende Abbild spielt in der Vergrößerung mit der Möglichkeit, die eigene Erscheinung einerseits wiederzuerkennen, sie andererseits aber auch als befremdend zu empfinden; denn durch die Vergrößerung erscheint die gewohnte Wirklichkeit der Körperoberfläche abstrahiert und verfremdet.

Dieses besondere Schau-Spiel, in dem der Akteur zu seinem eigenen Zuschauer wird, dauert etwa zehn Minuten. Die Exklusivität ist gewährleistet, es gibt während des Geschehens keine weiteren Teilnehmer oder Zeugen dieses intimen Theaters.
Der Weg aus den Raum ist wiederum ein Vorgang der Vergewisserung. Handelt es sich um eine Rückkehr in den vorherigen Zustand, eine Repräsentation der vertrauten Alltäglichkeit? Hat sich etwas verändert? Ist die Person dieselbe, die kurz zuvor den Weg angetreten hat?
Während dieses inszenierten "Körperweges" werden Einzelbilder der Aufzeichnung digitalisiert und nach einem vorgegebenen Zeitmodus ausgedruckt. Diese Bilder werden dem Spieler-Zuschauer als Dokumente seiner soeben gemachten Erfahrung vorgelegt.
Er ist anschließend aufgefordert, aus der Serie diejenigen Ausdrucke auszuwählen, die er für präsentationswürdig hält. Das ausgesonderte Bildmaterial wird durch Überschreiben, Übermalen, Kommentieren oder Schwärzen verändert oder unkenntlich gemacht. 2-3 Ausdrucke sucht sich der Spieler-Zuschauer als Favoriten aus, die vergrößert werden.

Die Ausdrucke werden zu einem Buch gebunden. Das Buch und die vergrößerten Favoriten sind mit dem Vornamen und dem Geburtsdatum des Spieler-Zuschauers versehen. Der aufgezeichnete Film liegt dem Buch als CD bei.

Realisierung

Das Projekt "Körperwege" beginnt nach der technischen Realisierung an einem nicht öffentlich zugänglichen Ort. Dort wird der beschriebene Raum eingerichtet.
Spieler-Zuschauer werden über persönliche Kontakte, Veröffentlichungen und Besprechungen in Zeitungen und Zeitschriften und eine eigens dazu ins Netz gestellte Homepage gesucht. Die Homepage informiert aktuell über den Stand des Projektes und zeigt freigegebene Beispiele aus den Dokumenten.
Bei jeder Körperweg-Aktion entsteht
  • eine in Buchform gebundene Serie von Videostills, die vom Spieler-Zuschauer überarbeitet sind;
  • ausgesuchte vergrößerte Favoriten;
  • eine Videoaufnahme, auf CD gebrannt.
  • Die Körperweg-Aktion soll in Museen und Galerien, aber auch an nicht für Kunstausstellungen vorgesehenen Orten durchgeführt werden. Dort wird der Raum wie beschrieben aufgebaut und bespielt.
    Nach Absprache mit den beteiligten Spieler-Zuschauern werden die Bücher und Favoriten der bisher durchgeführten Körperwege präsentiert: Freigegebene Ausschnitte der Videoaufzeichnungen bilden die Grundlage für Rauminszenierungen.
    Zu festen Terminen können sich weitere Spieler-Zuschauer melden.

    Andreas Hoffmann / September 2002



    ANDREAS HOFFMANN, Projekt "Stückfeld" Fragmentarische Körperabformung; Salz; Rauminszenierung 8 x 6m, Kunstverein Engen 2001
    Foto: A.Lobe


    Auszüge aus
    Andreas Hoffmanns "Wandlungen" und "Stückfeld"

    Text: Otto Pannewitz

    (Der vollständige Text unter: www.hoffmann-kunst.de)


    Seit vielen Jahren kreist Andreas Hoffmanns Werk um das Menschenbild in Form des Selbstbildes in all seinen Facettierungen von der totalen bis hin zur fragmentierten Figur. Dabei ist die Rolle des Künstlers der des Archäologen vergleichbar, der seine Feldforschung nicht an historischen Plätzen betreibt, sondern am menschlichen Körper.

    Ist in früheren Jahren der Körper als Gesamtheit von Interesse gewesen, das sich im Sinne der klassischen Bildhauerauffassung äußerte, so gilt Andreas Hoffmanns Intention mit steigender Tendenz der fragmentierten Betrachtung von Volumen und, neuerdings, Oberflächen. Die Materialien seiner Betrachtungen entstammten und entstammen weitgehend der Natur: Wachs, Stärke, Salz und Blei; heute arbeitet der Künstler fast ausschließlich mit Salz. Dieses gilt seit altersher als lebensnotwendiges Nahrungsmittel und in seiner konservierenden Eigenschaft auch als Relikte und Spuren des Vergangenen bewahrendes Medium.

    Salz wird bei Andreas Hoffmann zur Grundlage plastischer wie graphischer Gestaltungsprozesse, die den Anspruch der Durchdringung menschlicher Erscheinung und Bedeutung in überzeugender Weise erfüllen.

    ANDREAS HOFFMANN, Projekt "Projekt Wandlungen", Galerie der Stadt Sindelfingen, Lebensgroße Körperabgüsse, Materialwände, 1994, Wachs, Salz, Blei, Stärke
    Foto: Müller


    [...]

    Stückfeld, graphisch - plastisch

    Eine Kamera wandert langsam auf vorgegebenen Wegen über die Oberfläche des Körpers und zeichnet dessen größtes Organ, die Haut, in makroskopischen Aufnahmen auf. Die Aufnahmen werden in Einzelbilder zerlegt. Die weitere Bearbeitung erfolgt in der schon bekannten Vorgehensweise. In der Ausschnitthaftigkeit der so erlesenen und gedruckten Bilder lässt sich der Kontext der daraus gefilterten Einzelbilder zum Gesamtbild nicht mehr eruieren, quasi abstrakte Flächen- und Linienmuster bestimmen das einzelne Bildgeviert. Die Menschenoberfläche wird mit ihrer Struktur der Poren, Behaarung, Verletzungen und über Jahre erfahrenen Veränderungsspuren zum Feld einer das Detail betonenden Erforschung, einer Handlung der Spurensuche und -sicherung, die im Endergebnis der archäologischen Feld-Kartographierung nahe kommt. Der Künstler als Entdecker und Forscher bringt den Gegenstand seiner Entdeckung und Forschung - sich selbst - zu einem abstrahierten, wenn nicht gar abstrakten Gesamtbild, aus Detailaufnahmen zusammengefügt, das von großer Allgemeingültigkeit ist: hier zeigt sich die Einmaligkeit der individuellen Hülle als Quasi-Landschaftsaufnahme von archetypischer Ausprägung.

    ANDREAS HOFFMANN, Projekt "Stückfeld" Fragmentarische Körperabformung; Salz; Rauminszenierung 8 x 6m, Kunstverein Engen 2001
    Foto: A.Lobe


    Die Menschenoberfläche spiegelt ihre ganze Vielfalt ästhetischer, plastischer wie graphischer Qualitäten wider, Qualitäten, die in Andreas Hoffmanns "Stücken" zu außerordentlicher Wirkung gebracht sind.

    Dem steht das plastische Äquivalent des "Stückfeldes" in Nichts nach. Bruch-Stück-haft formt der Künstler seinen Körper ab, gießt ihn portionsweise in Salz, konserviert darin die spezifischen Merkmale seiner gelebten, erfahrenen Existenz, sein Sein und So-Sein. Stück für Stück breiten sich die Körperfragmente zu einem Feld aus, geben ihre vormals plastische Autonomie an die des Gesamtbildes "Stückfeld" ab, markieren je für sich kaum mehr als die Funktion des nachgeformten Körperteiles, die sich in der fortgeschrittenen Fragmentierung nur noch erahnen lässt. Die Lebendigkeit des Körpers ist dem erstarrten Weiß des Salzes gewichen - obschon Salz für Leben steht, ist dessen mit dem Tod verbundene Vorstellung darin ebenso gegenwärtig: die zur Salzsäule erstarrte törichte Frau Noahs im Rückblick auf Sodom und Gomorrha steht dafür als gewichtiges Beispiel in der Menschheitsgeschichte (der christlichen); aber auch die Salzwüsten als Überbleibsel einst lebensreicher Gewässer verweisen nachdrücklich auf den Tod.

    Andreas Hoffmanns "Stückfeld" findet im sakralen Raum der ehemaligen Klosterkirche von St. Wolfgang in Engen den idealen Raum für die Vorstellung von Werden und Vergehen, die gerade auch im "Stückfeld", der fragmentierten Körperlichkeit, zum Ausdruck kommt. In der Versammlung und Ausbreitung der fragmentierten Formungen körperlicher Existenz spiegelt sich der in vielerlei Hinsicht fragmentierte Mensch in seinen unzähligen Ansichten. Dem ersten Anschein wiedersprechend, ist ein Zusammenfügen zu einer neuen Gesamtheit aber unmöglich geworden.

    Andreas Hoffmann macht dies überzeugend deutlich.

    Otto Pannewitz Galerie der Stadt Sindelfingen, 2000
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