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Veronike Hinsberg
Veronike Hinsberg

FELDERFORSCHUNG

Die Echaz fließt durch die Städtische Galerie!
Veronike Hinsberg, Stipendiatin der HAP-Grieshaber-Stiftung, stellt aus
Veronike Hinsberg, geboren 1968 in Karlsruhe, hat zunächst eine Lehre als Damenschneiderin und ein Studium als Modedesignerin absolviert, bevor sie das Studium der Bildhauerei an der Kunsthochschule Berlin/Weißensee aufnahm, das sie als Meisterschülerin dort abschloss.
Inzwischen hat die Berliner Künstlerin das achte Stipendium der HAP-Grieshaber-Stiftung in Reutlingen inne. Nun präsentiert sie sich mit einer Ausstellung in der Städtischen Galerie Reutlingen, Eberhardstr. 14. Die Ausstellung ist vom 16. März bis 28. Juli zu sehen.



Der Ausstellungsraum liegt innerhalb eines Gebäudes, in dem früher Metalltücher und Knotenfänger für die Papierproduktion hergestellt worden sind. An einer Längsseite befinden sich Fenster, durch die man auf den Fluß Echaz blickt. Der Fluß grenzt direkt an das Gebäude und begleitet dieses auf ganzer Länge. Er liegt fast auf gleichem Niveau wie der Betonfußboden des Raumes, dessen weiches Grau gesprenkelt ist mit verschiedenen Grautönen zugespachtelter Löcher, Kanäle und Risse, gepunktet von Schatten kleiner Vertiefungen und unterschiedlichen Farbspritzern; Abdrücke schwerer Maschinen befinden sich im Boden sowie Flecken eingesickerten Öls; die Luft ist angereichert mit dem Geruch von Öl und Metall. Der ganze Boden schwingt in großflächigen Mulden und Erhebungen, steigt zu den Wänden hin an und geht dann über in das Weiß, welches Wände, Pfeiler, Nischen und Vorsprünge mit einer dicken matten Schicht überzieht. Auch diese Flächen sind nicht eben; man sieht die körnige Struktur der Farbe, die Erhebungen des unregelmäßigen Putzes, in über Jahre aufgetragenen Schichten. Alle Kanten sind rund, wie abgenutzt. Die Wände neigen sich fast unmerklich teils nach innen, teils nach außen. Maße und Abstände, Winkel und Bogen jedes Pfeilers, jeder Nische und jedes Fensters sind ungleich.
Das Weiß der Wände bekommt durch die Neonbeleuchtung mal einen rosa, einen grünlichen oder gelblichen Stich und bei Sonnenlicht erfüllen Lichtreflexe des vorbeifließenden Wassers den Raum mit einer Art Materialität.




In ihren Arbeiten befasst sich Veronike Hinsberg mit den Feldern der Physik. Im Raum wirken Gravitationsfelder, Magnetfelder, Vektorfelder - Felder, die durch die Beziehung der einzelnen Gegenstände zum Raum erzeugt werden. Kräfte, die wir mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmen können, die aber den Raum strukturieren.
Theoretische Bezugspunkte fand die Künstlerin in der Chaostheorie, der Geologie und den Forschungen über morphologische Felder.

"Ich bin überzeugt:
(i,) daß kleine Teile des Raumes tatsächlich von einer Natur analog kleiner Hügel auf einer Oberfläche sind, die im Durchschnitt eben ist; daß nämlich die gewöhnlichen Gesetze der Geometrie für sie nicht gültig sind.
(ii) daß diese Eigenschaft gekrümmt oder verzerrt zu sein, ständig von einem Teil des Raumes in einen anderen wellenartig übergeht.
(iii) daß es diese Variation der Raumkrümmung ist, die wirklich bei den Phänomenen eintritt, die wir die Bewegung der Materie nennen, sei sie wägbar oder ätherisch.
(iv) daß in der physikalischen Welt sonst nichts stattfindet als diese Variation, die (möglicherweise) den Gesetzen der Beständigkeit unterworfen ist."
W. K. Clifford (1876)




Eine Reihe von Pfeilern teilt den Ausstellungsraum in der Längsachse. Auf der einen Seite der Pfeilerreihe sind an beiden Stirnseiten große Spiegel angebracht, die den Raum und die gegenüberliegende Spiegelung spiegeln und damit den Raum in beide Richtungen unendlich fortsetzen. Auf der anderen Seite der Pfeiler befindet sich ein Aquädukt, das an beiden Enden durch Bögen mit dem vor dem Fenster liegenden Fluß Echaz verbunden ist. In diesem Aquädukt fließt über die ganze Länge des Raumes Echazwasser.
Etwa auf der halben Länge des Aquäduktes steht ein detailgetreues Modell des Ausstellungsraumes, an dessen Stirnseiten auf der einen Seite der Pfeilerreihe Spiegel angebracht sind, die den Modellraum und die gegenüberliegende Spiegelung spiegeln, und damit den Modellraum in beide Richtungen unendlich fortsetzen. Auf der anderen der Pfeiler befindet sich ein Modellaquädukt, das an beiden Enden durch Bögen mit dem großen Aquädukt verbunden ist. In diesem fließt über die ganze Länge des Modellraumes Echazwasser. Etwa auf der halben Länge des Modellaquäduktes steht ein detailgetreues Modell des Modellraumes...




Es wird ein Raum im Raum erzeugt: Beim Betreten des Untergeschosses befindet man sich zwischen zwei Spiegeln, die den Raum aufspannen und gleichzeitig seine Grenzen sprengen. Man steht einem Aquädukt gegenüber, das sich über die gesamte Länge des Raumes erstreckt und dessen Arkadenarchitektur aufgreift.
Das im Aquädukt fließende Wasser erzeugt eine Atmosphäre, die sich vielleicht am ehesten mit einem plötzlichen Gefühl der Gleichzeitigkeit von Raum und Zeit beschreiben ließe. Rote Bögen an den Enden des Aquädukts greifen auf die an der langen Fensterfront vorbeiziehenden Echaz zu. Der Innenraum expandiert nach außen, der Außenraum setzt sich unendlich nach Innen fort: Diese auch in den Spiegeln angedeutete Beziehung wird durch die Verschachtelung der Modell im Modell im Mittelpunkt des Raumes konsequent fortgesetzt
Es ist eine Erfahrung der Verdichtung und Dynamisierung des Raumes.



Die zentrale Frage, die Nike Hinsberg bei ihrer Arbeit beschäftigt, lässt sich einfach zusammenfassen: Was passiert im Raum?

"Ich habe angefangen Kunst zu studieren und bin davon ausgegangen, dass die Zentralperspektive richtig ist. Irgendwann wurde mir bewusst, dass das falsch ist. Von der Geographie kam ich dann über die Bewegung bis zu Einstein ... Mir wurde klar, dass der Beobachtungsstandpunkt entscheidend ist. Meine eigene Geschwindigkeit ist wichtig. Es gibt weder einen absoluten Raum, noch einen absoluten Stanpunkt."

Veronike Hinsberg / Susanne Parth - 21. April 2002 (nach einem Interview)




VERONIKE HINSBERG,
1968 geboren in Karlsruhe
1988 - 92 Lehre als Damenschneiderin
1993 Beginn eines Modedesign-Studiums an der Kunsthochschule Berlin
1994 Studium der Bildhauerei an der KHB bei Prof. I. Mahn und Prof. B. Schönfelder
1999 Diplom
2000 Meisterschülerin

EINZELAUSSTELLUNGEN:
1998 Guardinistiftung, Berlin (mit Sue Hayward)
1999 Ausstellung und Aktion Das Zimmer, mein rechtes Auge und der Nadir, Berlin
2002 Felderforschung, Städtische Galerie Reutlingen

AUSSTELLUNGSBETEILIGUNGEN:
1995 Ganßauges Etage, Berlin. Flächenstriche/Fadenstriche/Fadenflächen, Aktion mit I. Reinert und C. Umpfenbach, (Videodokumentation)
1996 Zeichnung/Malerei/Plastik, Galerie K2, Berlin
1997 Transfer, Projekt Bahnhof Jannowitzbrücke, Berlin (Katalog)
1998 Realisierung einer permanenten Arbeit im Treppenhaus des Verlages "Der Tagesspiegel"
2000 Produktivität und Existenz, Kunstamt Kreuzberg, Berlin
2001 Kunststudenten stellen aus, Kunst- und Ausstellungshalle der BRD, Bonn (Katalog). "...bis daß der Tod uns scheidet", Kunsthalle Luckenwalde. Ausgezeichnete Räume, Torstral3e 111, Berlin

STIPENDIEN:
1997-2000 Stipendium der Markelstiftung
1999 Erasmusstipendium Wien
2000 Meisterschülerstipendium der KHB
2001 HAP-Grieshaber-Stipendium
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