kunst
musik
literatur
theater
extra
compu Art
extra
 
redaktion


 

Film-Feuilleton

Noch 28 Tage...

28 Days Later ... (2002)

Directed by
Danny Boyle

Writing credits
Alex Garland (written by)


Gleich vorneweg: ich halte „Noch 28 Tage...“ für einen brillanten Film.
Der Grund ist nicht die Story - ein Zombiestreifen ist ein Zombiestreifen: irgendeine Art von Virus bricht aus, verbreitet sich rasend schnell und hinterlässt eine leere Welt, in der die Blut kotzenden Toten in dunklen Ecken hausen und sich in zuckenden Bewegungen auf Gesunde stürzen.

(C) www.28dayslaterthemovie.com


Der Held Jim - Cillian Murphy - begegnet dieser Welt, frisch aus dem Koma erwacht, zunächst naiv, begreift jedoch recht schnell und findet schließlich eine kämpfende Gefährtin in der schönen aber resignierten Schwarzen Selina (Naomie Harris). Die Gruppe wird schliesslich ergänzt durch den breitschultrigen Familienvater Mr. Bridges (Alexander Delamere), der die Hoffnung partout nicht aufgeben will und durch seine erstaunlich toughe Tochter (Kim McGarrity). Gemeinsam machen sie sich auf die Reise, auf der Suche nach einem lebenswerten Fleckchen.


(C) www.28dayslaterthemovie.com

Der Film hält alles ein, was das Genre verspricht. Doch darüber hinaus entsteht durch die Umsetzung ein bildgewaltiges Werk, das auch auf einer anderen Ebene an den Ursprüngen der Horrorszene anknüpft: an die Experimentierfreudigkeit im Spiel mit Kamera- und Bildbearbeitungstechniken und an den Topos des ironisierten Gesellschaftsbildes. Und so paaren sich in dem Film ästhetische postmoderne Bilder mit klaustrophobischen Horrorszenen auch zu einer zynischen Kritik an einer Fastfood-Welt.


(C) www.28dayslaterthemovie.com

Der Film schließt erfolgreich an eine der besten Zombiefilme der Kinogeschichte an: The Dawn of the Dead, von George A. Romero, über den Rumsey Taylor nicht zu unrecht schrieb: "Dawn of the Dead relies upon satire, humor, and allegory. It is one of the more thematically ambitious horror films in history."


(C) www.28dayslaterthemovie.com

Der britische Regisseur Danny Boyle (geb. 1956) spielt mit subtilen Kamera-Einstellungen, überzogenen Farben und einer witzig-irritierenden Nachbearbeitung des Filmmaterials. Der Kaufhausflair von Zombie 1 wird ebenso ironisiert, wie das ausgestorbenen biedere London, durch das man zu Beginn eine Art absurde Touri-Reise macht.


(C) www.28dayslaterthemovie.com


Die knalligen Farben von Tupperwaren, Fastfood-Artikeln und anderem Synthetik-Scheiß werden immer wieder in Kontrast gesetzt zu einer verkorksten bürgerlichen Welt, die verstaubt, romantisiert und düster in den Bildern von London gezeigt wird. Eine verrottete kalte Stadt, deren Leben sich irgendwo zwischen Big Ben und Junkfood abgespielt hatte. Eine zweigeteilte Welt, in der eine fast normale, manchmal durch Weichfilter überzeichnete Außenwelt den dunklen morbiden Innenräumen voller Halb-Leichen entgegengesetzt wird, die sich im Übrigen mit erstaunlicher Geschwindigkeit bewegen. Der Film steckt voller kleiner Details, die man erst im Nachhinein wirklich zu schätzen weiß.
Da gibt es eine Kirche, die als Ruhestätte für die Infizierten dient und von ihrem zappelnden Pfarrer betreut wird. An der Kirchewand prangen die gesprayten Worte – wie ein Vision Nebukadnezars: “The End is extremly fucking nigh”. Da verstecken sich immer wieder Kreuze im Bild, Blumenbeete sehen aus, wie gemalt und einen der nachtliebenden Zombies kann man auch mal Pfählen. Die notwendige Reise aus London zum vermeintlichen Rettungsort – die 42. (!) Straßenblockade vor Manchester – findet natürlich in einem klassischen schwarzen Londoner Taxi statt, dass es tatsächlich schafft, funkenschlagend über eine Reihe liegengebliebener Autos hinwegzuschanzen.

(C) www.28dayslaterthemovie.com


Die Hoffnung auf Zivilisation wird herb enttäuscht: die Gruppe trifft auf eine Bande militanter Überlebender, die sich in einem idyllischen englischen Anwesen verschanzt haben. Das militärische Lager entpuppt sich schnell als kranke brutale Männerwelt, die sich einen Zombie als Haustier halten und eigentlich nur eins im Sinn haben: die beiden Frauen auf ihre Weise durch Schwangerschaft zu infizieren. Das Festmahl zur Begrüßung der Gäste wird mit faulen Eiern gekocht.


(C) www.28dayslaterthemovie.com


Die Insel wird zunehmend zu einem geschlossenen System, aus dem es keine Rettung zu geben scheint. Und ganz allmählich schleicht sich der Verdacht ein, dass England nun nicht das Maß aller Dinge ist, und möglicherweise die Seuche nie das Festland erreichte... Der Beweis führt schließlich zu einem Wendepunkt im Film. Aus dem mageren Jim wird ein Schmalbrust-Rambo, der kurzerhand eine Allianz mit dem Zombies eingeht und der Möchtegernmiliz den Gar ausmacht.
Am Ende steht das kleinfamliäre Idyll und der Versuch, den Kontakt zur 'Realität' herzustellen: HELLO in großen Lettern aus zusammengeflickten Stoffbahnen strahlt über den grüne Hügeln, während die mittlerweile recht hungrigen und irgendwie skorbutkrank wirkenden Zombies wegelagernd dahinsiechen.


(C) www.28dayslaterthemovie.com


Danny Boyle – hauptsächlich bekannt über den Film „Trainspotting“ – setzt in diesem Zombiemachwerk seinen Hang zu postmoderner Ästhetik und düsterem Humor konsequent und wirklich überzeugend fort. Das Plattitüdenhafte einiger Dialoge verzeiht man gerne.
Für mich ein Film mit Kultcharakter!

s.p. - red / 19. Juli 2003
Danny Boyle - Filmographie
1. Millions (2004) (filming)
2. Alien Love Triangle (2002)
3. 28 Days Later... (2002)
... aka 28 Days Later (2002) (UK: closing credits title)
4. Strumpet (2001)
5. Vacuuming Completely Nude in Paradise (2001)
6. Beach, The (2000)
7. Life Less Ordinary, A (1997)
8. Trainspotting (1996)
9. Shallow Grave (1994)
10. "Mr. Wroe's Virgins" (1993) (mini) TV Series
11. Monkeys (1989) (TV)
12. Nightwatch, The (1989) (TV)
13. Hen House, The (1989) (TV)
14. Scout (1987) (TV)
15. Venus de Milo Instead, The (1987) (TV)
16. "Inspector Morse" (1987) TV Series (episode "Cherubim and Seraphim") (episode "Masonic Mysteries")

Darstelle:
Cillian Murphy .... Jim
Toby Sedgwick .... Infected Priest
Naomie Harris .... Selena
Noah Huntley .... Mark
Christopher Dunne .... Jim's Father
Emma Hitching .... Jim's Mother
Alexander Delamere .... Mr. Bridges
Kim McGarrity .... Mr. Bridges' Daughter
Brendan Gleeson .... Frank
Megan Burns .... Hannah
Justin Hackney .... Infected Kid


weitere Infos:
www.28dayslaterthemovie.com

Inhalt

Projekte und Arbeiten

Themen:
Film-Kritiken, Besprechungen, Tipps

Feuilleton:
Berichte, Diskussionen, Beiträge

Reihe Türkischer Film

Kinematographische Kuriositäten

0.99 EURO FILME

Stiefkind des Monats

Veranstaltungen, Termine, Links

 

[Home] [Kunst] [Musik] [Literatur] [Theater] [Celluloid] [CompuArt] [Redaktion] [Extra]
© 2003 Kultura (alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Küstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar.)