Mittelmeerfilmfestival in Köln
Die Gewinner des 3. Mittelmeer-Filmfestivals stehen fest. In diesem Jahr ist es zu einem Festival der Glücksritter geworden. 50 Filme aus 20 Ländern waren zu sehen, dreizehn davon nahmen am Wettbewerb teil.
Der dritte Preis ging an "Unterm Sternenhimmel" (Zypern 2001) von Christos Georgiou. Der griechische Zypriot Lukas besucht illegal das Dorf seiner Kindheit, das im türkischen Teil der Insel liegt. Er wurde als Kind vertrieben und verlor dabei seine Eltern. Er trifft auf bemerkenswerte Menschen und schwierige Situationen. Die größte Herausforderung ist jedoch die Begegnung mit sich selbst, als es ihm allmählich gelingt, das Trauma seiner Kindheit zu verarbeiten.
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Christos Georgiou: "Unterm Sternenhimmel"
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Auch Niku versucht, unter unbehaglichen Umständen sein Glück zu machen. Im zweitplazierten Film "Tirana - Jahr Null" (Albanien 2002) von Fatmir Koci sichert Niku das Überleben seiner Familie durch Lastwagenfahrten. Als 1997 in Albanien der Kommunismus zusammenbricht, gibt es monatelang keine staatliche Führung mehr. In dieser Situation ist jeder auf sich selbst gestellt. Niku verdient sein Geld damit, einen Bunker durch das Land zu fahren. Sogar eine riesige Statue von Lenin kutschiert er mitten durch die Hauptstadt Tirana. Viele seiner Bekannten haben Albanien nach der plötzlichen Grenzöffnung verlassen. Fortgehen oder Ausharren ist das zentrale Thema dieser albanischen Produktion.
Szene aus "Tirana - Jahr Null" (Albanien 2002) von Fatmir Koci
Die 17jährige Rana läuft im wahrsten Sinne des Wortes ihrem Glück hinterher. Mit dem Film "Ranas Hochzeit" hat erstmals ein palästinensischer Film am Festival teilgenommen. Sowohl der Film, der den ersten Preis erhielt, als auch der in Nazareth geborene Regisseur Hany Abu-Assad wurde vom Publikum mit großer Neugier begrüßt. Ranas Vater hat verfügt, dass die Familie ins sichere Ägypten auswandert. Rana will aber die Heimat nicht verlassen. Nur wenn sie bis zum Termin des Abflugs in 10 Stunden verheiratet ist, ist der Vater bereit, sie zurückzulassen. Rana läuft durch den Osten Jerusalems und muss dann durch Straßensperren hindurch ins autonome Gebiet nach Ramallah fahren, um dort ihren Liebsten zu finden... Die Zuschauer waren überrascht, einen so phantasievollen Liebesfilm mit Happyend zu sehen, wenngleich der Nahostkonflikt unterschwellig immer gegenwärtig ist.
Clara Khoury in "Ranas Hochzeit" (Palästina 2002) von Hany Abu-Assad
Die meisten der auf dem Festival gezeigten Filme handeln vom Aufbruch. Dabei muss es sich nicht unbedingt um eine Reise handeln. Wie bei allen drei Helden der Gewinnerfilme geht es um Selbstfindung und Selbstbestimmung. Diese können auf verschiedenen Ebenen ablaufen. So muss Rana nicht nur mit den Widrigkeiten der Besatzung fertig werden, sie emanzipiert sich gleichzeitig vom traditionellen Frauenbild des Islam. Dabei stößt sie gelegentlich an die Grenzen ihrer Kreatürlichkeit. Das Menschsein mit all seinen Schattenseiten, Sehnsüchten und Hoffnungen ist allen gezeigten Filmen gemeinsam. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Protagonisten Griechen oder Türken, Israelis oder Palästinenser sind. Der Mittelmeerraum ist der Treffpunkt der Kulturen aus dem Morgenland und dem Abendland. Es ist die Gelenkstelle der Nord- und Südachse. Hier prallen Welten aufeinander. Das Mittelmeer-Filmfestival bietet den Kulturschaffenden dieser Gegend nicht nur ein Forum, ihre Filmkunst zu zeigen, es ist auch Begegnungsstätte der Kulturen untereinander. Israelis und Araber, Christen und Muslime, Juden und Deutsche, Filmemacher und Besucher werden hier durch ihr Interesse an anspruchsvollem Kino zusammengeführt.
Szene aus "Zimmer gesucht" (Agypten 2002) von Khaled El Hagar
Im vergangenen Jahr begann das Festival 10 Tage nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York. Damals wurden alle Teilnehmer und Zuschauer durch die Bestürzung geeint. In diesem Jahr hat das Lachen wieder Einzug gehalten. Der Publikumspreis ging mit klarer Mehrheit an den Ägypter Khaled El Hagar für seine Komödie "Zimmer gesucht". El Hagar lebt in London und hat eine Satire über das Leben eines ägyptischen Emigranten in England gedreht. Liebevoll nimmt er die Macken und Spleens der Ägypter und Engländer aufs Korn. Ali (Said Taghmoui) will Drehbuchautor werden. Da er das Leben seiner Vermieter immer als Vorbild für seine Geschichten nimmt, fliegt er regelmäßig aus dem gemieteten Zimmer heraus. Als seine Aufenthaltsgenehmigung ausläuft, bleibt ihm keine andere Wahl, als eine englische Staatsbürgerin zu heiraten. Eine Marilyn-Monroe-Imitatorin kreuzt dabei seinen Weg, hinreißend gespielt von der Amerikanerin Juliette Lewis. Der britische Theaterstar Rupert Graves spielt einen gestressten Fotografen. Der Film lebt von der Skurrilität und Situationskomik. Auf die Frage, warum er eine Komödie über eine so ernste Sache wie Migration produziert habe, antwortete er: "Ich habe aus eigenen Erfahrungen geschöpft. Und ich kann es nicht anders sagen. Ich bin ein glücklicher Emigrant."
Szene aus "Hejar - Großer Mann, kleine Liebe" (Türkei 2002) von Handan Ipekci
Der Preis für das beste Drehbuch ging an die Türkei für "Hejar - Großer Mann, kleine Liebe". Einem pensionierten türkischen Richter läuft nach einer blutigen Polizeirazzia ein fünfjähriges Mädchen zu. Das Kind steht völlig unter Schock. Er schließt sie sofort ins Herz, merkt aber erst spät, dass sie nicht einmal türkisch spricht. Sie ist Kurdin. Wie der ehemalige Vertreter der türkischen Herrschaft und ein rebellisches Kurdenkind lernen, miteinander zurecht zu kommen, davon erzählt der herzerwärmende Film der türkischen Regisseurin Handan Ipekci, die selbst das Drehbuch geschrieben hat.
Mit dem Preis für die beste männliche Hauptrolle für Georges Corrafas für "Evagoras Gelübde" (Zypern 2001). Als beste Darstellerin ging Clara Khoury als Rana in "Ranas Hochzeit" hervor. Den Preis für die beste Kamera und den besten Schnitt erhielten Dusan Josimovic und Jandrej Kosak mit "Klingeln im Kopf" (Slowenien 2002) für einen Gefängnisfilm, der in den 70er Jahren im ehemaligen Jugoslawien spielt.
Auch die Organisatoren sind in diesem Jahr Glücksritter und Gewinner. Trotz immer stärker gekürzter Kulturetats erhält das Mittelmeer-Festival ab 2002 Unterstützung durch den Filmfond der Europäischen Union. Auch das Kulturdezernat der Stadt Köln erkennt die Bedeutung des Festivals mit barer Münze an.
Helga Fitzner / 18. Dezember 2002
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