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Film-Feuilleton

Gedenkartikel für 26. Oktober 2002

Königin des Theaters

Vor 25 Jahren gestorben: die Schauspielerin Elisabeth Flickenschildt

Von Ernst Probst

Kenner rühmten die Schauspielerin, Regisseurin und Autorin Elisabeth Flickenschildt (1905-1977) als "magic lady", "Monument des deutschen Theaters" und "Königin des Theaters". Sie lobten ihre raffinierte sprachliche Prägnanz, ihre Neigung zu hintergründigem Sarkasmus, ihre eisige Brillanz und ihren Hauch von Hoheit, den sie nie verlor. "Die Flickenschildt" spielte auch in etwa 75 Filmen mit und wirkte als Sprecherin in Hör- und Fernsehspielen. In der Theaterwelt gedenkt man jetzt ihres 25. Todestages.

Elisabeth Flickenschildt wurde am 16. März 1905 in Blankenese bei Hamburg als Tochter des Kapitäns Heinrich Friedrich August Flickenschildt geboren, der sie auf seine Seereisen zwischen den skandinavischen Ländern mitnahm. Nach ihrem Abitur ging sie anderthalb Jahre in einem Hamburger Modegeschäft zur Lehre.

Eines Tages las Elisabeth Flickenschildt im "Hamburger Fremdenblatt" die lobende Kritik über eine Aufführung im "Hamburger Schauspielhaus" und betrachtete unaufhörlich das Foto eines erfolgreichen Schauspielers. Kurzentschlossen schnitt sie am nächsten Tag im Garten einige Rosen ab, fuhr nach Hamburg zur Wohnung des erwähnten Schauspielers und trug ihm den Wunsch, Schauspielerin zu werden und ein längeres Gedicht, das sie in der Schule gelernt hatte, vor. Der Künstler wurde gerührt und schenkte ihr eine Karte für das Schauspielhaus.

Der Vater lehnte anfangs die Schauspielpläne Elisabeths ab, gab aber dann doch seine Zustimmung zur Ausbildung bei dem Hamburger Schauspieler Robert Nhil (1858-1938). Elisabeth brach ihre Lehre ab und feierte ihr Debüt auf der Bühne im "Hamburger Schauspielhaus" als Bäuerin Armgard in "Wilhelm Tell".

1933 bewarb sich Elisabeth Flickenschildt beim Direktor der "Münchner Kammerspiele", Otto Falckenberg (1873-1947), der sie zur Probe bestellte und nach dem Vorsprechen sofort engagierte. Nach drei Jahren wechselte sie 1936 zum "Deutschen Theater" in Berlin zu Heinz Hilpert (1890-1967). Zwischen 1936 und 1944 war Elisabeth Flickenschildt mit dem Theaterwissenschaftler Rolf Badenhausen (1907-1987) verheiratet.

Von 1939 bis 1944 mehrte Elisabeth Flickenschildt unter den Regisseuren Jürgen Fehling (1885-1968) und vor allem Gustaf Gründgens (1899-1963) am "Berliner Staatstheater" ihren Ruhm. Als Gründgens "der Flickenschildt" die Rolle der Hexe in dem Stück "Faust" anbot, widersetzte diese sich mit den Worten: "Das mache ich nicht, die Rolle ist mir zu klein. Gründgens antwortete daraufhin entrüstet: "Sie sind eine Anarchistin", verpflichtete sie aber lächelnd an das "Berliner Staatstheater".

Ab 1936 sah man Elisabeth Flickenschildt auch auf der Leinwand. Sie wirkte unter anderem in den Filmen "Der zerbrochene Krug" (1937), "Der Maulkorb" (1938), "Ein Mädchen geht an Land" (1938), "Die barmherzige Lüge" (1939), "Robert Koch" (1939), "Trenck, der Pandur" (1940), "Ohm Krüger" (1941), "Der große König" (1942), "Rembrandt" (1942), "Zwischen Himmel und Erde" (1942), "Altes Herz wird wieder jung" (1943), "Romanze in Moll" (1943), "König für eine Nacht" (1950) und "Wir Wunderkinder" (1958) mit.

Nach dem Zweiten Weltkrieg trat Elisabeth Flickenschildt in München auf, bevor Gustaf Gründgens sie 1947 in sein Ensemble nach Düsseldorf holte, mit dem sie 1955 nach Hamburg ging. Unter Gründgens, der ihr das Äußerste abverlangte, entwickelte sie sich sich zu einer der größten deutschen Theaterschauspielerinnen.

Elisabeth Flickenschildt spielte klassische Frauenrollen der Weltliteratur ebenso meisterhaft wie große Dramen der Moderne. Ihre Rollen zeichneten sich durch beißende Ironie, Abgründigkeit, Intelligenz, Herzlichkeit und Demut aus. Ihre faszinierende Stimme konnte zugleich drohen und schmeicheln, tönen und locken, lachen und keifen.

Gründgens nannte die 1,79 Meter große, rothaarige Schauspielerin mit markantem Gesicht, breitem Mund und leicht angerauter Stimme liebevoll "Flicki". Zwischen den beiden entstand ein so enger geistiger und feinsinniger Kontakt, dass Gründgens einmal meinte, in einem anderen Leben müsse "die Flickenschildt" einmal seine Frau oder seine Schwester gewesen sein.

Der plötzliche Tod von Gustaf Gründgens 1963 erschütterte Elisabeth Flickenschildt tief und machte sie künstlerisch heimatlos. Danach band sie sich an keine Bühne mehr fest, sondern trat nur noch bei Gastspielen und Tourneen auf. 1967 inszenierte sie Ernst Buchors

Aischylos-Übertragung der "Perser" selbst als Erstaufführung und übernahm die Hauptrolle der Königin Atossa. Zum letzten Mal stand sie kurz vor ihrem Tod als Volumnia in William Shakespeares "Colorian" auf der Bühne des Hamburger "Thalia-Theaters".

Nach dem Zweiten Weltkrieg drehte Elisabeth Flickenschildt zahlreiche Filme, die jedoch nicht immer erstklassig waren und präsentierte sich als Schauspielerin auch häufig dem Fernsehpublikum. 1965 verlieh ihr die nordrhein-westfälische Landesregierung "als einer der hervorragendsten Schauspielerinnen der deutschen Bühne" den Titel "Professor".

1971 erschien Elisabeth Flickenschildts Autobiographie "Kind mit roten Haaren - Ein Leben wie ein Traum", 1974 kam ihr Roman "Pflaumen" am Hut" heraus. 1975 erhielt sie das "Große Bundesverdienstkreuz". Anlässlich ihres 70. Geburtstages erklärte sie mit Nachdruck: "Ich habe mich nie als Star gefühlt, nie wie ein Star gelebt. Richtig ist, dass ich mich immer total engagiert habe. Das Theater war mein Lebensinhalt."

Auf die Frage, was sie tun würde, wenn sie drei Wünsche frei hätte, gab Elisabeth Flickenschildt zur Antwort: "Unheimlich viel Geld, um unheimlich vielen Menschen eine Freude zu machen. Außerdem Kraft und Überlegenheit, um mit allen Schwierigkeiten fertig zu werden. Schließlich noch, dass alle Menschen so tüchtig und zufrieden werden, wie ich es bin."

Die Schauspielerin mochte Tiere besonders gerne und betrieb in ihren letzten Lebensjahren erfolgreich Landwirtschaft. Zunächst besaß sie in Hittenkirchen (Kreis Traunstein) am Chiemsee (Oberbayern) einen zehn Hektar großen Hof namens "Maria Rast" mit 30 Kühen. Sie wurde Mitglied des "Traunsteiner Zuchtverbandes" und erhielt eine Bescheinigung, dass sie eine

"Meisterbäuern" sei, die bei der Aufzucht von Kühen und Pfer-

den Bemerkenswertes geleistet habe. Ihre Nachbarn waren stolz darauf, dass eine Schauspielerin unter ihnen lebte, die auch Kühe melken konnte.

Weniger Glück als in Süddeutschland hatte "die Flickenschildt" als Bäuerin in Norddeutschland. 1975 wollte sie einen reetgedeckten Bauernhof mit 18 Hektar Fläche in Kleinwörden an der Oste kaufen und dort Landwirtschaft betreiben. Sie schloss einen Vorvertrag, verkaufte ihren Hof bei Traunstein und bereitete sich auf dem Umzug vor. Doch weil zwei Nachbarn in Kleinwörden Einspruch einlegten, kam es nicht dazu.

Ostern 1976, drei Monate nach der Sturmflut an der Elbe, zog Elisabeth Flickenschildt in Guderhandviertel (Kreis Stade) in einen von ihr für 500000 Mark erworbenen Bauernhof mit 6000 Quadratmeter Fläche ein. Das Bauernhaus mit Obstscheune und Stall waren nur durch den Deich und die Straße von der Lühe getrennt. Dort erlebte "die Flickenschildt" vor ihrer Haustüre die erste Kirschblüte.

Im August 1976 räumten Einbrecher aus Hamburg das von Elisabeth Flickenschildt mit wertvollen Antiquitäten ausgestattete Bauernhaus in Guderhandviertel aus. Die Polizei konnte jedoch die Einbrecher dingfest machen und die Beute wieder herbeischaffen. Im März 1977 musste "Flicki" wegen des Einbruchs erstmals in ihrem Leben zu einer Gerichtserhandlung, was ihr sichtlich schwer fiel.

Wenig später bahnte sich ein neuer Prozess an, weil der Obstbauer, der Elisabeth Flickenschildt das Bauernhaus in Guderhandviertel verkauft hatte, auf dem Nachbargrundstück ein sechs Meter hohes Eternit-Obstlager errichtete. Vor diesem Anblick versuchte "Flicki" ihre Sitzecke im Garten durch einen Bretterzaun zu schützen. Außerdem behielt sie die letzte Rate des Kaufpreises ein, was nach Feststellung eines Gerichts zu Unrecht geschah.

Unangenehme Erfahrungen machte Elisabeth Flickenschildt auch mit der Gastlichkeit: Als sie in einem Lokal in Jork ihren Hund vom Teller fressen ließ, bat der Wirt sie, sein Gasthaus zu verlassen.

Im Juli 1977 erklärte Elisabeth Flickenschildt dem "Hamburger Abendblatt: "Wenn ich am 1. Oktober Premiere im ,Thalia-Theater' habe, werde ich wohl etwas Neues gefunden haben." Damals suchte sie eine neues Zuhause in der Nähe von Hamburg. Doch es kam ganz anders: Am 26. Oktober 1977 starb Elisabeth Flickenschildt im Alter von 72 Jahren in Stade. Mit ihr ging die Zeit der großen Heroinen zu Ende.


Ernst Probst / Oktober 2002
E-Mail: verlagernstprobst@web.de


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