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Dokumentarfilm

Wie Menschen schwimmend aus der DDR zu fliehen versuchten, zeichnet das Doku-Drama Über das Meer an einem Einzelbeispiel nach



Filmposter (C) Basis-Film Verleih



30 km Überlebenskampf

Rund 6.500 Menschen hatten nach dem Bau der innerdeutschen Mauer versucht, über die Ostsee in den Westen zu flüchten. Nur 913 Personen schafften eine solche waghalsige Aktion, ohne von DDR-Grenzsuchtrupps aufgegriffen zu werden. 189 aktenkundige Todesopfer sind zu beklagen, aber wahrscheinlich liegt die Zahl deutlich höher. Zu denjenigen, denen es schwimmend gelang, dem real existierenden Sozialismus zu entfliehen, zählen der ehemalige Schiffselektrotechniker Erhard Schelter und sein Begleiter Volker Hameister. In der Nacht vom 21. auf den 22. September 1974 schwammen die beiden Männer nach gründlicher Planung in Taucheranzügen von der Mecklenburgischen Küste über die Ostseebucht Richtung Dahme in Schleswig-Holstein. Die Hintergründe und Einzelheiten der Aktion, die um ein Haar gescheitert wäre, erzählt das aufschlussreiche Doku-Drama Über das Meer nach, das jetzt in die deutschen Kinos kommt.




Nachgestellter Grenzturm in dem Doku-Drama Über das Meer - Foto (C) Basis-Film Verleih



Gedreht wurde an Originalschauplätzen, wo die beiden Männer 1974 tatsächlich ihre Flucht starteten, also an der Steilküste bei Boltenhagen. Einer der früheren Grenztürme – 58 davon ließen die Behörden insgesamt an der Ostseeküste der DDR errichten – wurde per Computereffekt wieder an seinen alten Standort eingeblendet. Dass die Produktionsfirma „herzfeld productions“ ein Geschäftsbereich der Berliner Opal-Filmproduktion ist, die u.a. für die erfolgreiche ZDF-Serie Küstenwache verantwortlich zeichnet, kam beim Drehen der abenteuerlichen Fluchtszenen auf hoher See zu Gute: Sie wurden in Neustadt in Holstein gedreht, wo das Team um Regisseur Arend Agthe auf das Tauchteam und das Equipment der "Küstenwache" zurückgreifen konnte.

Immerhin galt es, die dramatischen Umstände der nächtlichen Aktion authentisch nachzustellen: Schelter, damals 34, und Hameister, damals 24, waren in besagter Nacht des Septembers 1974 erst knapp eine Stunde im elf Grad kalten Wasser der Lübecker Bucht, als sie Suchscheinwerfer der DDR-Grenztruppen am Land bemerkten und wussten, dass ihr Fluchtversuch bereits entdeckt worden war. Dann wurde der jüngere der beiden Männer, die sich für die über 30 Kilometer lange Strecke angeleint hatten, ohnmächtig, und Erhard Schelter musste den Freund in Schlepptau nehmen und zu einer Hochseeboje retten.

Letztlich rettete wohl der inzwischen verstorbene Kapitän des schwedischen Fährschiffs „Gösta Berling“ den beiden Flüchtenden das Leben, der sie trotz der Dunkelheit bemerkt hatte und das Schiff drehen ließ, um die DDR-Küstenboote abzudrängen. Ironie der Geschichte: Bei genau diesem Kapitän heuert Schelter später als Schiffselektroniker an und fuhr auch noch nach seiner Pensionierung bis zum Herbst 2012 auf den Fähren über die Ostsee. Diese und andere Fakten „sind Lebensumstände und Zufälle, die manchmal so irre und verschachtelt zusammenhängen , dass man glauben möchte, Hollywood hätte hier die Feder geführt“, sagt Regisseur Agthe. „Schelter geht beispielsweise in der Ostsee schwimmen um für seine geplante Flucht zu trainieren und trifft im Wasser einen anderen jungen Mann im Neoprenanzug – Hameister. Nach langem Hin und Her kommt heraus, dass der sich ebenfalls für die Flucht vorbereitet.“

„Die DDR-Grenzer hatten damals noch wenig Erfahrung mit Wasserflüchtlingen“
, sagt einer der Produzenten des Doku-Dramas, Werner Barg: „In besagtem Monat gab es drei weitere Fluchtversuche, wovon zwei klappten, ein Dritter aber ertrank.“ In den Folgejahren wurden die Überwachungsanlagen an der Ostseeküste von den Behörden immer stärker ausdifferenziert, sodass Fluchten per Boot oder eigener Schwimmkraft immer riskanter wurden. Die nachgestellten Spielszenen, die „die psychische Situation einer solchen Flucht dem Zuschauer näher bringen sollen“, wie Regisseur Agthe betont, machen allerdings nur etwa 20 Minuten des Films aus. Der Rest sind Dokumentaraufnahmen, die allgemeiner von der Teilung Deutschlands, den Ostsee-Fluchten und den Beweggründen von DDR-Bürgern, dazubleiben oder zu fliehen, erzählen.

Wenn auch etwas redundant, so vergegenwärtigen diese Fakten den Nachgeborenen umso deutlicher, dass der Kalte Krieg für einige Menschen eine Frage auf Leben und Tod bedeutete. Die Interviews leben ganz wesentlich vom Charisma und der Erzählfreude des knorrigen Eigenbrötlers Erhard Schelters, der sich im Westen erfolgreich eine neue Existenz aufzubauen konnte, nachdem seine Familie 1978 endlich aus der DDR ausreisen durfte, die zuvor jahrelang von der Stasi drangsaliert worden war. Sein jüngerer Schicksalsgenosse Hameister, den Schelter 1974 bei seinen Fluchtversuchen kennengelernt und im Wasser gerettet hatte, wanderte Richtung Karibik aus und war für die Dreharbeiten nicht aufzutreiben, berichtet Produzent Barg.




Szene aus dem Doku-Drama Über das Meer - Foto (C) Basis-Film Verleih


Bewertung:    


Max-Peter Heyne - 15. Januar 2014
ID 7511
Über das Meer - Die DDR-Flucht des Erhard Schelter feiert in Anwesenheit Schelters und des Filmteams am Samstag, 18. Januar 2014, um 19.30 Uhr Premiere im Berliner Kino Babylon-Mitte am Rosa-Luxemburg-Platz. Eine DVD mit Bonusmaterial ist in Vorbereitung.

Weitere Infos siehe auch: http://www.babylonberlin.de/ueberdasmeer.htm


Post an Max-Peter Heyne



 

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