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Gedenkartikel für den
2. November 2002

Reports zur Sexualität

Die Forscherin und Feministin Shere Hite wird 60
Von Ernst Probst

Eine der bekanntesten Sexualforscherinnen und Feministinnen der Welt hat Grund zum Feiern: Die aus Amerika stammende deutsche Wissenschaftlerin und Autorin Shere Hite, geborene Shirley Diana Gregory, wird 60 Jahre alt. Sie wurde vor allem durch Reports zur Sexualität und über die Familien bekannt, die wegen ihrer teilweise überraschenden Ergebnisse und umstrittenen Methoden nicht nur in den USA heftige Diskussionen auslösten. Aber diese Methoden schienen gute Resultate aufzuzeigen.

Shirley Diana Gregory kam am 2. November 1942 in St. Joseph (Missouri) zur Welt. Ihre Eltern trennten sich, als sie erst drei Jahre alt war. Anschließend wuchs Shirley Diana bei ihren Großeltern mütterlicherseits auf. Später adoptierte sie der zweite Mann ihrer Mutter. Von ihm erhielt sie den Familiennamen "Hite".
Nach dem Besuch der High School studierte Shere Hite Geschichte an der University of Florida, wo sie die akademischen Grade "Bachelor of Arts" (1964) und "Master of Arts" (1968) erwarb. 1968/1969 folgte ein Studium an der Columbia University in New York, das teilweise vom Großvater und von der attraktiven Shere selbst - unter anderem als "Fashion Model" - finanziert wurde.
Von 1972 bis 1978 leitete Shere Hite in New York das "Feminist Sexuality Project", zusammen mit der "National Organization of Women" (NOW), die für die Rechte der Frauen in den USA kämpfte. Von 1978 bis 1989 fungierte sie als Direktorin der in New York gegründeten Forschungsstelle "Hite Research International". Lehraufträge zum Thema "Sexualität der Frau" führten sie ab 1977 an mehrere Universitäten - wie Harvard, McGill, Cambridge (Großbritannien), "Sorbonne" (Frankreich) - und bis 1990 als Referentin zu internationalen Frauensymposien.

Die Popularität von Shere Hite als Sexualwissenschaftlerin basiert hauptsächlich auf drei Reports zur Sexualität, die sie 1976, 1981 und 1987 herausbrachte. Zuvor hatte die in feministischen Kreisen aktive Sexualforscherin und Schriftstellerin bereits die Bücher "Sexual Honesty" und "By Women For Women" (beide 1972) verfasst.
Die erste Studie über die weibliche Sexualität hieß "The Hite-Report: A Nationwide Study of Female Sexuality" (1976, deutsch: "Hite-Report - Das sexuelle Erleben der Frau, 1977). Das auf der Auswertung von Fragebögen fußende Werk entwickelte sich zum Bestseller, ereichte eine Auflage in Millionenhöhe und wurde von der konservativen amerikanischen Presse wegen provozierender Ergebnisse über eheliche und außereheliche Beziehungen verrissen.
Die zweite Studie über männliche Sexualität trug den Titel "The Hite Report on Male Sexuality" (1981). 1985 heiratete Shere Hite den 20 Jahre jüngeren und später berühmten deutschen Pianisten Friedrich Höricke.
Die Trilogie der Hite-Reports wurde mit der rund tausend Seiten starken Studie "Women and Love. A Cultural Revolution in Progress" (1987, deutsch: "Frauen und Liebe") abgeschlossen. Für letzteres Werk hatten rund 4500 Frauen den 127 Positionen umfassenden Fragebogen zurückgeschickt. Das Buch ging der Frage nach, ob Frauen die traditionelle Rolle weiterführen wollen, Liebe als Hilfe für andere zu definieren.
Der im dritten Report veröffentlichten Auswertung zufolge, wünschten 98 Prozent der interviewten Amerikanerinnen sich mit ihren männlichen Partnern im Gespräch mehr Nähe und Verständnis. 87 Prozent der verheirateten Frauen gaben an, ihre tiefste Gefühlsbeziehung sei die zu einer Freundin.
Diese Ergebnisse hielt Shere Hite, die ihre Befragungen ausschließlich in den USA durchführte, auch außerhalb Amerikas für gültig. Nach den Veröffentlichungen erntete sie Angriffe, persönliche Diffamierungen und harsche Kritik und wurde körperlich bedroht. Die Mehrheit der amerikanischen Soziologen kritisierte die Art ihrer Datenerhebung und die Reichweite der Befragung.
"Time" schrieb, Shere Hite starte mit einem Vorurteil und laufe mit einer Statistik ins Ziel. Die "New York Times" wertete die Hite-Reports als "soziologische Science-fiction". Nach Ansicht der Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" redeten die Frauen im Hite-Report über ihre Beziehungen so eintönig, als seien sie Computer, deren monotones Trauerlied mit dem Refrain "He doesn't relate" (deutsch: "Er geht nicht auf mich ein") ende.

1989 gründeten amerikanische Autorinnen in den USA ein Komitee zur Verteidigung von Shere Hite. Viele Akademien und Gelehrte unterstützten Hite bei dem jährlichen Treffen der "American Studies Association" an der New York University.

1989 kam in London das Buch "Good Guys, Bad Guys and Other Lovers" (1989, deutsch: "Keinen Mann um jeden Preis") heraus. In diesem Gemeinschaftswerk von Shere Hite und Kate Colleran, Tochter der Schauspielerin Lee Remick, wird das neue Selbstverständnis der Frau in der Partnerbeziehung behandelt. 1994 folgte Shere Hites satirischer Roman "The Divine Comedy of Ariadne and Jupiter" ("Fliegen mit Jupiter"), der auf viele Attacken gegen die Autorin eine Antwort gab.

1994 brachte Shere Hite in London ihren vierten Sex-Report heraus: "The Hite-Report on the Family: Growing Up Under Patriarchy" ("Hite-Report - Erotik und Sexualität in der Familie"). Der Familienreport entstand nach einer innerhalb von 15 Jahren in 16 Ländern vorgenommenen Briefumfrage. Darin steht die Rolle der Töchter im Mittelpunkt und äußert die Autorin Zweifel an der Pubertätsphase der Mädchen.

Im März 1996 gab Shere Hite ihren amerikanischen Pass ab und nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an. Zu ihrer Entscheidung sagte sie: "Das Deutschland, das ich erlebt habe, ist ein gutes Deutschland". 1996 lobte die Londoner Zeitung "Telegraph" Shere Hite mit den Worten: "Wann hat irgendjemand dieses Thema so anständig behandelt wie Shere Hite?" Die ebenfalls in London erscheinende Zeitung "The Guardian" meinte in jenem Jahr, die Attacken gegen Hite reflektierten die Bedeutungslosigkeit der Frauen und wissenschaftlich arbeitenden Frauen.

1997 erschien Shere Hite's Buch "Wie Frauen Frauen sehen". Dabei handelt es sich um eine Analyse von beruflichen und privaten Beziehungen zwischen heutigen Frauen. Im selben Jahr schrieb die britische Nachrichtenagentur "Reuters": "Shere Hite's Werk hinterläßt ein unauslöschbares Zeichen der westlichen Zivilisation".

Ernst Probst / November 2002
Ernst Probst, Im See 11, 55246 Mainz-Kostheim
Telefon 06134/21152, Fax 06134/26665, E-Mail verlagernstprobst@web.de

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