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Uraufführung

Kay Voges kübelt den gesamten Müll des bösen Internets wie einen geballten visuellen und akustischen Shitstorm in die Berliner Volksbühne



Don´t be evil in der Volksbühne Berlin | Foto (C) Julian Röder

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Don't be evil heißt ein ehemaliges Unternehmensmotto aus dem Verhaltenscodex des Internetriesen Google. Der netzaffine Theaterregisseur Kay Voges hat so auch seine neue Produktion an der Berliner Volksbühne genannt. Natürlich geht es darin vor allem um das Internet, seine sicher guten aber auch vielen schlechten Seiten wie den erbitterten Kulturkampf oder offenen Hass in den Kommentarspalten und Timelines von Internetportalen und Social-Media-Diensten wie Twitter, Facebook und Instagram. Der digitale Hallraum des Internets übertragen in das weitestgehend noch analoge Medium Theater. Das zu ändern, gründete Voges, der in der nächsten Spielzeit als Intendant vom Schauspiel Dortmund ans Volkstheater Wien wechselt, an alter Wirkungsstätte die Akademie für Theater & Digitalität.

Nach dem etwas missglückten Stück Die Parallelwelt am Berliner Ensemble setzt Voges auch in Don't be evil verschiedene multimediale Mittel zur Unterstützung seiner speziellen Theaterästhetik ein. Und natürlich sind das vorrangig digitale Videobilder, die über die Seitenwände und den kleinen Bühnenkasten in der Mitte des Portals flimmern. Das erzeugt vor allem eine Dopplung und Verdreifachung des analogen Bildes vom Spiel der Darstellenden auf der Bühne, die hier in kleinen kabarettartigen Szenen Internettrolle, schräge Instagram-Sternchen, rechte Verschwörungstheoretiker und Hater aller Couleur verkörpern. Nach einem Intro mit gähnenden Gesichtern des Ensembles wird dieser Feedback-Hallraum erst akustisch und dann immer brutaler auch visuell eröffnet.

Kay Voges kübelt den gesamten Müll des evil Internet wie einen geballten visuellen und akustischen Shitstorm in die Berliner Volksbühne. Da bleibt kaum mehr Zeit für linke Netz-Utopien, die Voges mit einem Einspielfilm einer Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace in buntem Chaos und Pornografie ad absurdum führt. Video Killed The Radio Star sangen die The Buggles Ende der 1970er Jahre. Noch viel früher, 1932, träumte Bertolt Brecht, der hier in der Gestalt von Schauspieler Uwe Schmieder auftritt, noch von der Vision eines Radios, das nicht nur Sender, sondern auch Empfänger sein könnte. Mit dem Medium des Internets ist dies nun erreicht, nur der Nutzen, den Brecht vor allem im Diskurs zwischen Politik und Volk sah, scheint sich ein sein Gegenteil verkehrt zu haben.

Und das muss das Publikum hier nun über 2 volle Stunden lang in Form einer schlechten RTL-Sketch-Parade über sich ergehen lassen. Besonders unangenehm ist das bewusst schlecht gespielte Live-Video eines Bonny-und-Clyde-Pärchens, das ihren Amoklauf live ins Netz stellt, samt Likes und Viewer-Kommentaren. Flankiert wird das Ganze noch - wie bei Voges üblich - von weiteren Zitaten aus der Pop- und Literaturgeschichte. Das Programmheft zählt Namen wie Friedrich Nietzsche, Gottfried Benn, Elias Canetti oder Thomas Mann auf. Auch werden sich vielleicht einige im Publikum auf der Bühne wiedererkannt haben, vom Verriss schreibenden Kritiker der Volksbühnenproduktion Eine Odyssee bis zum selbsternannten Facebook-Künstler und Greta-Thunberg-Hassers.

Vom sich selbst liebenden Narziss und nachplapperndem Echo über eine Wrestling-Fight des rechten Frosch Pepe der Alt-Right-Bewegung mit dem linken Einhorn, dem erlegten Löwen Cecill, der als Bild im Netz weiterlebt, bis zum Auftritt des Erlösers persönlich, der allen Heuchlern und Pharisäern die Leviten liest, reicht Voges Spektrum der globalen Internetschau. Kalauer zum Thema Meinen, Finden, Wissen und die Theorie der viral gehenden Kleinstmeldung mit verehrenden Auswirkungen komplettieren diesen Multimedia-Spaß, bis er wieder beim gähnenden Anfangsbild angekommen ist. Zum viralen Theaterhit wird sich Voges knallbunte Netz-Comedy aber sicher nicht entwickeln.




Don´t be evil in der Volksbühne Berlin | Foto (C) Julian Röder

Stefan Bock - 3. Oktober 2019
ID 11722
DON'T BE EVIL (Volksbühne Berlin, 02.10.2019)
Regie: Kay Voges
Bühne: Michael Sieberock-Serafimowitsch
Kostüme: Mona Ulrich
Director of Photography: Voxi Bärenklau
Videodesign: Robi Voigt
Live-Videoschnitt: Andrea Schumacher
Live-Kamera: Jan Isaak Voges
Musik: Paul Wallfisch
Dramaturgie: Ulf Frötzschner und Matthias Seier
Mit: Andreas Beck, Manolo Bertling, Susanne Bredehöft, Vanessa Loibl, Uwe Schmieder, Julia Schubert, Sylvana Seddig und Werner Strenger
Uraufführung war am 2. Oktober 2019.
Weitere Termine: 04., 06., 20.10. / 01., 12.11. / 01.12.2019


Weitere Infos siehe auch: https://www.volksbuehne.berlin/de/


Post an Stefan Bock

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