Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 6

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Feuilleton


Schauspiel Köln, 23.01.2010

William Shakespeare: König Lear


Der König ist tot, es lebe der König. So einfach gestaltet sich die Sache in Shakespeares „König Lear“ nicht. Der König fühlt sich alt und möchte zu Lebzeiten sein Reich aufteilen. Aber die Misstöne häufen sich. Zuerst bekennt seine jüngste Tochter Cordelia nicht in dem gleichen Maße die Liebe zu ihrem Vater wie ihre älteren Schwestern und geht ihres Erbes verlustig. Und dann ist der alte Herr samt hundert Mann Gefolgschaft weder bei Goneril, seiner ältesten, noch bei Regan, seiner zweiten Tochter, gut gelitten. Das vorläufige Ende vom Lied sind Verbannung und Verrücktheit. Treu an seiner Seite nur der Graf von Kent.
Karin Beier lässt in ihrer Inszenierung am Schauspiel Köln alle Rollen von Frauen spielen, ohne den Text entsprechend anzugleichen. Gloucester ist immer noch der Vater der Söhne Edgar und Edmund, Lear der König. Daher bleibt der Erkenntniswert dieser Umbesetzung gering, zumal auch die Kostüme die bei Shakespeare angelegte Rollenverteilung in männlich/weiblich unterstützen.

Regisseurin Karin Beier verlagert das Geschehen an die Rampe, vor eine halbhohe Mauer aus Lehmziegeln, die im Laufe des Abends systematisch abgebaut wird. Die nach hinten ansteigende Bühne bleibt in ihrer Tiefe meistens ungenutzt, wird nur gelegentlich als Spielfläche verwendet. Beier kann sich auf herausragende Darstellerinnen verlassen, die sich nicht zu schade sind, hässlich zu wirken, sich zu entblößen, alles zu geben und an die Grenzen zu gehen. Eine Energieleistung sondergleichen, vor allem von Anja Laïs, Kathrin Wehlisch und Angelika Richter, die neben ihren Rollen als Töchter Lears auch noch Narren und (die beiden Erstgenannten) die ungleichen Söhne des Grafen von Gloucester spielen. Die Rollenwechsel vollziehen die Schauspielerinnen durch schnelle Kostümwechsel und Veränderung der Körperhaltung fast durchgehend plausibel. Allerdings verleiht Kathrin Wehlisch ihrem Edmund deutlich mehr Kontur, als ihr das in den wenigen Auftritten als Cordelia gelingen kann. Barbara Nüsse, Julia Wieninger und Anja Herden dürfen in ihrer Figur bleiben und zu einem großen Rollenporträt mit Tiefe ansetzen. Zumindest gilt dies für Nüsse und Wieninger, Herdens Kent bleibt zu sehr Neben- und Randfigur, die sich – auch das ein netter Einfall der Regie – aus einzelnen Ziegeln etwas weiter hinten auf der Bühne immer wieder ein eigenes kleines Mäuerchen als Sitzgelegenheit baut.

Zimperlich geht es nicht zu, „Lear“ ist nicht nur ein Drama der Sprache, sondern auch der Tat. Barbara Nüsses Lear spuckt Gift und Galle gegen die Töchter, der eine Sohn (Edmund) verleumdet den anderen (Edgar), ihrem Vater Graf Gloucester werden die Augen ausgestochen. Dementsprechend sieht es auch in Karin Beiers Inszenierung aus: Die Bühne mutet zusehends wie ein Schlachtfeld an, die Kostüme zerfallen in ihre Bestandteile. Die Darstellerinnen sind gezeichnet von den Anstrengungen. Es ist nass in England und so auch auf der Bühne des Kölner Schauspielhauses. Also wird Lear einfach unter Wasser gesetzt, wenn seine Töchter ihn verstoßen, zunächst mit Wassereimern und dann mit Wasserschläuchen. Eine weitere starke Szene folgt kurz vor Ende, als Edmund, Regan und Goneril in der finalen Schlacht um England Stein um Stein aus der Mauer herausnehmen und minutenlang auf den Boden donnern. Nur das Geräusch, sonst nichts. Am Ende liegt alles zerstört und tot da.

Auch die Komik kommt bei aller Wucht der Aufführung nicht zu kurz. Kent, der Lears Ankunft bei seiner Tochter Regan ankündigt, wird eingemauert, indem Anja Herden sich auf die Mauer legt und Lehmziegeln auf ihren Bauch gehäuft werden. Julia Wieningers Gloucester kommentiert salopp dazu, sie halte das für keine gute Idee und der Bote solle es nicht persönlich nehmen. Dennoch hilft sie mit. Oder später, wenn die entscheidende Schlacht geschlagen ist, Anja Laïs von ihrer Rolle der Goneril zu Edgar wechselt und mit den Worten „Ich bin jetzt Edgar“ die Hoffnung ihres Bruders auf ein gutes Ende und auf eine Belohnung durch seine geliebte Goneril zunichte macht.

Am Ende der Aufführung könnte Gloucesters Sohn Edgar der neue König sein. Deutlicher als durch die Papierkrone, die Anja Laïs in diesem Moment trägt, zeigt sich dies dadurch, wie Anja Herdens Kent auf sie reagiert. Sie hält ihm den Strick hin, den sie um den Hals trägt. Auf gleiche Weise hatte sie König Lear ihre Dienste angeboten. Doch Edgar geht vorbei. Wechselt da ein treuer Diener vorzeitig die Seiten oder hat er die Zeichen der Zeit erkannt? Wird Edgar triumphieren? Oder überwiegt die Trauer über das Geschehene? Ein „Vielleicht“-Moment, der in der Schwebe bleibt. Wie wird es weitergehen, jetzt, da man so gründlich am Endpunkt angekommen ist?


König Lear
Eine Tragödie von William Shakespeare


Regie: Karin Beier
Bühne: Johannes Schütz
Kostüme: Greta Goiris
Musik: Jörg Gollasch
Choreografie: Valenti Rocamora i Tora
Dramaturgie: Ursula Rühle
Dramaturgische Mitarbeit: Jan Hein

Lear: Barbara Nüsse
Goneril/Edgar/Narr: Anja Laïs
Regan/Narr: Angelika Richter
Cordelia/Edmund/Narr: Kathrin Wehlisch
Gloucester: Julia Wieninger
Kent: Anja Herden
Musikerinnen: Silvia Bauer/Yuko Suzuki

Premiere am 26.09.2009, weitere Termine am: 08., 20. und 27.02.


Karoline Bendig - red. / 25. Januar 2010
ID 00000004537

Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspielkoeln.de/stueck.php?ID=219&tID=1442





  Anzeigen:



THEATER Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

BALLETT |
PERFORMANCE |
TANZTHEATER

CASTORFOPERN

DEBATTEN
& PERSONEN

FREIE SZENE

INTERVIEWS

PREMIEREN-
KRITIKEN

ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski

THEATERTREFFEN

URAUFFÜHRUNGEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)