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Bremen, Theater am Goetheplatz, Premiere, 18.09.2005

Rigoletto

von Giuseppe Verdi


Gilda und Rigoletto | Foto u. Copyright: Jörg Landsberg

Armer Rigoletto

Andrej Woron inszeniert am Bremer Goetheplatz mit schönen Stimmen

Das Bremer Theater eröffnet seine Spielzeit 2005/06 mit einer interessanten und äußerst bedenkenswerten Interpretation des buckeligen Narren Rigoletto. Der Spaßvogel, der rigolo, erweist sich darin selbst als Opfer des gesellschaftlichen Spotts, zeigt sich daher äußerlich wie innerlich gleichermaßen beschädigt. Andrej Worons Inszenierung hält einer allzu leicht an die Therapierbarkeit ihrer Opfer glauben wollenden Gesellschaft die Fremdheit des von ihr Verstoßenen vor Augen, seine Unzugänglichkeit.

So herrscht auch zwischen Rigoletto und Tochter Gilda ein Klima der latenten Vorwürfe und des gegenseitigen Nichtverstehens vor. Erzählt wird szenisch, entgegen der Musik, eine Entfremdungsgeschichte zwischen Vater und Kind: weder kann Rigoletto ihre Autonomiebestrebungen im zweiten Bild sehen oder anerkennen, schließlich braucht er hier ja sie, noch ihrer blanken Verzweifelung zu Beginn des letzten Bildes väterlich harren. Und selbst noch im Sterben seiner Tochter weicht er vor ihr zurück, flieht sogar einmal in die ganz naive Geste. Gildas Tod kommt als ein von Grauen gezeitigter, nicht als verklärter – der Fluch spricht sich aus als Klage über die eigene seelische Entfernung im sozialen Näheverhältnis.



Der verfolgte Rigoletto | Foto u. Copyright: Jörg Landsberg


George Stevens gibt diesen etwas anderen Rigoletto mit großer Passion und lässt den Abend zum Erfolg werden: darstellerisch ist es äußerst bewunderungswürdig, wie er sich durchgängig im hemiplegischen Gangmuster und mit einer schulterlastigen Grundhaltung bewegt, wie er dieser gehetzten Figur auch etwas Fliehendes und ein reflexartiges, fast kreatürliches Mienenspiel verleihen kann. Dazu kommt eine herausragende gesangliche Leistung des Baritons, der bereits im letzten Jahr als Overall in Ullmanns „Der Kaiser von Atlantis oder die Tod-Verweigerung“ aufhorchen ließ. Neben kraftvollem und gut deklamiertem Schöngesang fesselt er das immer wieder begeistert applaudierende Publikum mit überlegten Klangschattierungen.


Der Herzog und Maddalena | Foto u. Copyright: Jörg Landsberg


Es hat den Anschein, als habe Woron an Victor Hugos ästhetisches Dictum gedacht, etwa wenn er die Verbindung mit dem Grotesken sucht und den Herzog von Mantua findet: närrisch ist es, wie er diesen Jäger der Jupons, der sich gleichsam mit wechselnden Untergefährten zeigt, zu der Canzone „La donna è mobile“ auf einer alten Vespa hereinknattern lässt (schmissig, aber nicht grazil: Emmanuel di Villarosa). Allenthalben wäre hier zu fragen, ob man die Doppelzüngigkeit und Grundierung dieser Figur, die Verdi ihr verleiht, nicht etwas verharmlost oder schlimmer vereinseitigt – ihr quasi Frauenjagd als Lebenslust gutschreibt, die sie ja nur sehr bedingt ist.

Das rund-geschrägte, vergrellte Bühnenbild der Tagbilder spricht sich zur Bühnenhandlung recht beliebig aus, wie sich generell eine akribischere Ausgestaltung der Szene empfohlen hätte, als sie mit putzenden Motorradladies plump zu überreizen. Da setzt man einiges zu gewöhnlich an: auch Gilda, die allzu sehr auf das Cliché des Mädchens vom Lande, das eigentlich heraus möchte, zurechtgebügelt wird. Woron verlässt sich mehr auf die – freilich hohe – Darstellungskunst ihrer Interpretin statt eine in sich stimmige Personenidee zu verfolgen. Jennifer Bird – technisch sicher und ausdruckstark – singt ihr „Caro nome“ im charakteristischen Melos und lässt die entscheidenden Ensembleszenen zu absoluten gesanglichen Höhepunkten werden: wie beispielsweise das Quartett (mit dem tragfähig-glutvollen Mezzo Yaroslava Kozina als Maddalena).
Enttäuschend verläuft die musikalische Präsentation unter der Leitung von Lawrence Renes. Liegen noch günstigere Aspekte in seinem Dirigat für Stimme, so bleibt der musikalische Eindruck des Abends eigentlich ein sehr blasser. Nur bestimmte Passagen lassen aufhorchen; vielleicht passt selbst der Fluch, der allerdings zum Diminutiv gerät, in gewisser Hinsicht zu der nicht dominierenden Wirkung auf der Szene. Der qualitativ neue Ton Verdis lässt jedoch bis zum dritten Akt auf sich warten. Erst hier kann Renes berückendere Läufe, zwingendere Tempi und in Richtung Ausrufungszeichen gehende Interpretationen bringen. Das dürfte für den jungen, ambitionierten GMD kaum ausreichend sein.
Eine Aufführung, die angesichts eines hervorragend besetzten Ensembles, eines äußerst spielfreudig aufgelegten Männerchors (Einstudierung: Thomas Eitler) und eines offenkundig durchdachten Regieansatzes so etwas wie eine nicht zu leugnende Enttäuschung hinterlässt – man meint, da wäre mehr noch möglich gewesen.


Wolfgang Hoops - red. / 26. September 2005
ID 00000002044
Theater am Goetheplatz

Giuseppe Verdi
RIGOLETTO


Lawrence Renes - Musikalische Leitung
Andrej Woron - Inszenierung und Ausstattung
Thomas Eitler - Chöre
Jacqueline Davenport - Choreographie

Weitere Infos siehe auch: http://www.bremertheater.com/






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