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20. Oktober, Schauspielhaus Hamburg

Pornographie

Simon Stephens

In einer Woche im Juli 2005 ist London mehrfach Mittelpunkt der Welt: Im Hyde Park spielt die Pop- und Rockprominenz das bis dahin größte Benefizkonzert "Live 8", das olympische Komitee erteilt London den Zuschlag für 2012 und am Tag darauf sprengen sich vier Attentäter in der U-Bahn in die Luft. Das ist der Hintergrund für das Stück, das Simon Stephens im Auftrag des Schauspielhauses unter dem Titel "Pornographie" geschrieben hat. In Monologen und kleinen Szenen zeigt er, dass das echte Leben von diesen medialen Großereignissen nur marginal beeinflusst wird. Jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen. Die Geschichten der Figuren sind auch nicht etwa miteinander verknüpft, so wie es Filmregisseur Inarritu ("Babel") in seinen komplexen Erzählungen gern macht. Stattdessen ist ihr inneres Ordnungsprinzip der menschliche Lebenszyklus, der in Form eines Countdowns vom Kleinkind zur Greisin führt. Das ist so prätentiös wie Breughels Gemälde "Der Turmbau zu Babel", das als gigantisches Mosaik das Bühnenbild bestimmt und Bedeutung behauptet. Nämliches trifft für den reißerischen Titel des Stücks zu: der Autor ist sehr bemüht, ihn im Programmheft zu rechtfertigen. So recht will das aber nicht gelingen. Zu sehr bemüht er Schlagworte der Zivilisationskritik, die längst hohl geplappert sind.

Was dem Stück an erzählerischer Dramaturgie fehlt, macht es aber durch interessante Figuren wett. Ein verbindendes Element wird doch über den Abend sichtbar: Die Lust an der Zerstörung ist latent immer vorhanden, mitunter bricht sie sich Bahn. Stephens nennt es "Grenzüberschreitung". Hier schöpft die Fantasie des Autors aus dem Vollen. Und dass der Abend sich nicht in einer Aneinanderreihung willkürlich erfundener Einzelschicksale erschöpft, ist das Verdienst des Regisseurs Sebastian Nübling und des durchweg hervorragenden Ensembles. In den SchauspielerInnen werden die Figuren ungemein lebendig. Angela Müthel als "alte Frau" kann einem kalte Schauer über den Rücken jagen. Christoph Franken und insbesondere Daniel Wahl in seinem schonungslosen und expressiven Spiel haben eine unvergessliche Szene zusammen als inzestuöses Geschwisterpaar. Sonja Beißwenger, die einen pubertierenden Jungen zwischen Zorn und Zärtlichkeit spielt, toll! Jana Schulz und Peter Knaack vermitteln in ihrer Szene anrührend Macht und Ohnmacht. Samuel Weiß und Monika Schwitters sind in ihren Monologen ebenso überzeugend.

Und nie steht einer allein auf der Bühne. Die anderen sind immer Teil der Geschichte, kommentieren, greifen plötzlich ein, veranschaulichen Situationen und verstärken Gefühle. Diese Art des Theaterspielens kannte man früher aus der "freien Szene". Sie ist längst auf den großen Bühnen angekommen. Aber nur sehr selten gelingt es, Dynamik und Timing so zielsicher musikalisch zu gestalten, dass ein pausenloser 2 ¼ Stunden langer Abend keine Sekunde lang wird. Die Zuschauer dankten es den Akteuren mit reichlich Applaus.



Sven Lange - red / 21. Oktober 2007
ID 00000003487
Pornographie
von Simon Stephens
Deutsch von Barbara Christ

Regie: Sebastian Nübling
Bühne: Muriel Gerstner
Co-Bühnenbild und Assistenz: Jean-Marc Desbonnets
Kostüme: Marion Münch
Musik: Lars Wittershagen
Licht: Roland Edrich
Dramaturgie: Nicola Bramkamp / Regina Guhl
Mit: Sonja Beißwenger, Christoph Franken, Peter Knaack, Angela Müthel, Jana Schulz, Monique Schwitter, Daniel Wahl, Samuel Weiss


Weitere Vorstellungen:
29.10.2007 20.00
05.11.2007 20.00
23.11.2007 20.00

Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspielhaus.de





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