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Besprechung


Schauspiel Köln, 09.02.08

Molière: Der Menschenfeind


Der Menschenfeind, den Karin Henkel am Kölner Schauspielhaus in Szene gesetzt hat, ist eine äußerst beglückende Angelegenheit. Selten finden alle Elemente eines Theaterabends so stimmig zusammen wie hier: Bühne, Kostüme, Umgang mit dem Text, Musik, Regie und natürlich die Schauspieler ergeben ein sinnhaftes Ganzes.

Felix Goeser spielt den Menschenfeind Alceste ständig auf Hochtouren. Er grummelt seine Mürrischsein selten in sich hinein, sondern muss es hinausschreien, ausstellen, alle anderen damit schockieren. Einem HB-Männchen gleich schüttet er seine Häme und seinen beißenden Spott über die Verlogenheit der Welt, das Schmeicheln, den vermeintlich guten Umgangston aus. Ohne Unterlass kann er sich über die Unzulänglichkeit der Mitmenschen erregen. Für einen netten und gepflegten Cocktailempfang ist er wahrlich nicht der geeignete Gast. Auffällig ist dabei, dass dieser Alceste zwar seine Mitmenschen hasst, aber dennoch muss er ständig im Mittelpunkt stehen. Gerade daher ist seine fatale Leidenschaft für Célimène so schicksalhaft und interessant, um die sich ebenfalls alles drehen muss. Irgendwie sind die beiden aus demselben Holz geschnitzt, zumindest legt das die Inszenierung von Karin Henkel und ihre Figurenanlage nahe. Deshalb ist es auch nicht glaubhaft, wenn Alceste und Célimène am Ende kurz ins Auge fassen, sich als Paar in die ländliche Einsamkeit zurückziehen. Denn beide suchen und brauchen die Nähe anderer Menschen für ihre Selbstdefinition und ihr Selbstbild.

Wo Alceste rhetorisch brillant spottet, gibt sich Célimène dem gepflegten Plauderton hin und lässt ihre Reize wirken. Sie spielt mit den Männern und zieht so manche Neider an. Dass einige Herren dieses Spiel nicht auf die leichte Schulte nehmen, zeigt die Szene, in der Acaste und Clitandre Célimène mit ihren Briefen, die sie an diverse potenzielle Liebhaber und Gönner geschrieben hat, konfrontieren und die dann durchaus handgreiflich endet. Das ist nur eine der Szenen, die bei der Leichtigkeit des Abends einen notwendigen bitteren Beigeschmack hinterlassen. Solange der Schein aufrechterhalten wird, ist jeder zufrieden, aber wenn der zuckersüße Mantel der Schmeichelein und Heucheleien der nackten Realität weicht und einzelne Protagonisten sich entblößt sehen, bewahren die Beteiligten nicht unbedingt die Contenance. Clitandre jedenfalls erweist sich nicht als Gentleman, der die Enthüllung beleidigt, aber souverän erträgt.

Karin Henkel nimmt jede Figur ernst und hat etwas zum Stück zu sagen. Wunderbar, wie die leicht entrückte Éliante in ihrem Ballettkleidchen über die Bühne schwebt in der Hoffnung, ihr angebeteter Aleceste schenke ihr seine Aufmerksamkeit. Dabei übersieht sie den Mann, der sie abgöttisch liebt. Aber die Regie gönnt diesen beiden einen schönen kitschigen gemeinsamen Moment, den Alceste mit seinem ganzen Zynismus nicht verstehen kann. Herrlich auch die Szene, in der Anja Laïs als Arsinoé und Julia Wieninger als Célimène sich – in heuchelnder Anteilnahme und unter dem Deckmantel der Besorgnis – subtile Gemeinheiten an den Kopf werfen. Die Bühne, ein kippbarer schwarzer portalbreiter Bühnenkasten, taugt dabei kongenial für Statusspiele, folgt dem Hin und Hergehen von Célimène, indem er von links nach rechts kippt und wieder zurück. Oder einer der Beteiligten landet außerhalb des Kastens und muss zum anderen hinaufsehen.

Aber die Bühne kann noch mehr. Zu Beginn veranlasst Alceste, dass der eiserne Vorhang heruntergelassen wird, damit er ungestört ist, aber auch das rettet ihn nicht vor Besuch. Deutlicher kann man nicht zeigen, dass man seine Ruhe haben möchte. Am überflüssigsten vielleicht noch die Plattform im Zuschauerraum, die einige Plätze kostet und im ersten Parkett zu Halsverrenkungen führt. Vieles andere ist schlicht genial – gerade in seiner Einfachheit – und zwingend. Ob es nun das Spiel mit dem Reim ist, das nicht überstrapaziert wird, oder die exzellente Besetzung. Es macht einfach Spaß und ist Schauspiel auf höchstem Niveau, gut gespielt und gut durchdacht.


Der Menschenfeind
Molière
Spielfassung für das Schauspiel Köln von Karin Henkel und Rita Thiele, nach einer Übersetzung von Jürgen Gosch und Wolfgang Wiens

Regie: Karin Henkel
Bühne: Stefan Mayer
Licht: Klaus Bruns
Dramaturgie: Rita Thiele
Licht: Johan Delaere

Mit: Felix Goeser (Alceste), Carlo Ljubek (Philinte), Michael Wittenborn (Oronte), Julia Wieninger (Célimène), Angelika Richter (Éliante), Anja Laïs (Arsinoé), Michael Goldberg (Acaste), Omar El-Saeidi (Clitandre)

Premiere am Freitag, 25.01.2008
Weitere Vorstellungen am 15.03. und am 22.03.


Karoline Bendig - red. / 15. März 2008
ID 00000003743

Weitere Infos siehe auch: http://www.schauspielkoeln.de/stueck.php?ID=57&tID=675





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