Grillo Theater Essen, November 2006
Das Kätchen von Heilbronn
Heinrich von Kleist
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Nicola Mastroberardino (Graf Wetter vom Strahl), Sarah Viktoria Frick (Käthchen) | Fotograf: Arno Declair
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Menschen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Denn wo die Liebe hinfällt, wird so mancher hinfällig. Bis hin zur Ohnmacht. In diese fällt nämlich das Kätchen, als sie am Ende des Abends ihren Grafen bekommt und dazu noch zur Prinzessin gekrönt wird. Im Hochzeitsschlussbild aber bildet sich kein Happy End ab, da wird viel gezwungen gelächelt und erduldet, was nicht zu verhindern war. Es sind Momente wie dieser, durch die David Böschs Inszenierung geerdet wird. Denn meist geht’s heiter und vergnüglich durch die Kleistschen Verse. Mit soviel Spielfreude mitunter, dass man getrost das Stück vergessen möchte, das gespielt wird, wenn man nur den Akteuren weiter zusehen darf.
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Nicola Mastroberardino (Graf Wetter vom Strahl), Günter Franzmeier (Gottschalk) | Fotograf: Arno Declair
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Einem durchweg guten Ensemble steht Sarah Viktoria Frick als Kätchen vor. Die dralle Deern mit dem unglaublichen komischen Talent ist ein Groupie der schlimmsten Sorte. Von einer himmlischen Vision autorisiert, folgt sie einem Stalker gleich ihrem angehimmelten Friedrich Wetter Graf vom Strahl. Dieser, Nicola Mastroberardino, mäandriert köstlich zwischen Muttersöhnchen und pubertärer Hilflosigkeit. Man mag sich fragen, was Kätchen eigentlich an ihm findet. Er könnte es zeigen, könnte seine liebenswert empfindsame und verwirrte Seele in den Monologen zeigen, in denen er über sein Schicksal räsoniert, kommt aber mitunter nicht über ein "Vorsprechen" hinaus. Ist der Schauspieler, der so schön mit den anderen zusammen spielen kann, da ohne Idee? Oder lags am Regisseur? Wir wissen es nicht. Wunderbar anzuschauen auch Christoph Finger als Kätchens Vater. Das ist ein durch und durch prima Papa, dessen Seelennöte der Schauspieler ohne Pathos und ohne Lächerlichkeit gleichermaßen witzig und anrührend präsentiert. Ebenso toll Bettina Engelhardt als Kunigunde. Sie ist eine glaubwürdige Verführerin und erschreckend als Gift spritzende Automatenfrau. Nicht unerwähnt bleiben soll Günter Franzmeier als Gottschalk, dessen Souveränität erst vor Kätchen zusammenbricht. Auch er ist ein schauspielerisches Glanzlicht an diesem Abend.
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Nicola Mastroberardino (Graf Wetter vom Strahl), Bettina Engelhardt (Kunigunde von Thurneck) | Fotograf: Arno Declair
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In Böschs Inszenierung wird kein großes Gefühl gescheut. "Hier bin ich" schreit und klagt und jammert es, wird aber niemals der Lächerlichkeit preisgegeben. Eine feine ironische Distanz, die sich nicht lustig macht, die eher liebevoll ist, liegt über dem Stück. Dazu trägt insbesondere auch Karsten Riedel bei, der lautmalerisch und kommentierend den Abend an verschiedenen Musikinstrumenten live begleitet. Eine ungemein vergnügliche Inszenierung mit zur Hochform auflaufenden Schauspielern.
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Sven Lange - red / 23.November 2006 ID 2814
Das Käthchen von Heilbronn
von Heinrich von Kleist
Premiere am 6. Oktober 2006 im Grillo, Schauspiel Essen
Inszenierung: David Bösch
Bühne: Dirk Thiele
Kostüme: Barbara Aigner
Weitere Infos siehe auch: http://www.theater-essen.de
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