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Besprechung


Staatsoper Hannover - 30.06.2007

Claudio Monteverdi: L’Orfeo



Lauri Vasar, Albert Pesendorfer, Frank Schneiders - Foto u. Copyright: Thomas M. Jauk, Berlin

Ingo Kerkhofs Inszenierung von „L’Orfeo“ an der Staatsoper Hannover, bereits in der Spielzeit 2005/2006 für das Landestheater Linz entstanden, spielt komplett in einer Bar.
Kerkhof hat die Geschichte ihrer mythischen Elemente entkleidet: Es gibt keine Leier, sondern ein Serviertablett mit aufgemalten Saiten, auf dem dann aber doch der Takt mitgeklopft wird. Und Apollon, der am Ende kommt, um seinen Sohn Orfeo in den Himmel aufzunehmen, sieht eher wie ein Bankangestellter denn wie ein Gott aus. Doch eine Sache bleibt: Orfeo ist der begnadete Sänger, der gerne seine Kunst zum Besten gibt, spontan ein kleine Weise komponiert und diese sogleich szenisch umsetzt. Darüber vergisst er dann auch schon mal seine zukünftige Frau Euridice. Die gemeinsame Zeit der beiden ist kurz, da wird Orfeo bereits mit der Nachricht von ihrem Tod konfrontiert. Die ausgelassenen Stimmung in der Bar findet ein abruptes Ende. Nur die Hoffnung bleibt Orfeo. Er will Euridice aus dem Reich der Toten zurückholen.
Der Gesang, mit dem Orfeo die Überfahrt ins Reich der Toten beim Fährmann Caronte erreichen will, wird bei Kerkhof zu einem Klagesang vor einem gelangweilten Barmann, der solcherlei schon mehrfach gehört hat und eigentlich gerne Feierabend machen möchte. Kein Wunder, dass zwar der Zuhörer im Zuschauerraum dahinschmilzt, nicht aber der Angesprochene. Bei Kerkhof ist es in der Folge statt Caronte Orfeo, der einschläft. Damit wird zugleich der Übergang zur Unterwelt markiert. Männer im Frack – die Höllengeister – kommen auf die Bühne, verbinden dem Sänger die Augen, platzieren ihn auf der Bar. Die Augenbinde wird Orfeo erst wieder abnehmen, nachdem ihm Pluto auf die Bitte seiner Gattin Proserpina hin eine Möglichkeit eröffnet, Euridice in die Welt der Lebenden zurückzuführen – und zwar in dem Moment, als er daran zweifelt, dass sie hinter ihm hergeht. Der Blick, der folgt, macht alle Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft zunichte, Orfeo sinkt erschöpft auf den Boden der Bar, und als er wieder erwacht, ist er allein. Die Figuren der Nacht sind verschwunden.
War das Abenteuer in der Unterwelt am Ende nur ein böser Traum? Am nächsten Morgen treffen sich jedenfalls Pluto, Proserpina und Apollon zum Frühstück in der Bar und Orfeo irrt verloren zwischen ihnen umher. Es ist fraglich, ob er hier die Freuden des Himmels findet, die sein Vater ihm versprochen hat.
Ingo Kerkhof ist mit seiner Inszenierung eine stimmige Modernisierung gelungen. Orfeo macht sich nicht auf, um in die Unterwelt zu gelangen, vielmehr geschieht alles mit ihm. Was unscharf bleibt, ist die Beziehung zu Euridice, die bei Monteverdi – im Vergleich etwa zu Glucks „Orpheus und Eurydike“ – kaum vorkommt. Wie eine innige Liebe sieht es nicht aus, was sich zwischen ihr und Orfeo abspielt. Es gibt kaum Berührungen, Momente der Nähe, Zeichen der Liebe.
Nicht nur szenisch, sondern auch musikalisch überzeugt „L’Orfeo“ in Hannover. Das Plus des Abends ist zweifelsfrei der estnische Bariton Lauri Vasar. Seine Spielfreude ist überwältigend, sein Gesang nicht minder. Er bewältigt die Partie mit einer Leichtigkeit, die einem genialen Sänger, den er ja verkörpert, zusteht. Albert Pesendorfer gibt einen herrlich desinteressierten Caronte und auch die übrigen Soli zeigen sich gut disponiert. Das Staatsorchester musiziert unter Toshiaki Murakami akkurat und mit Freude. Nur der Gesang der befrackten Höllengeister klang am Abend der besuchten Vorstellung doch eher schmerzhaft in den Ohren. Aber das vermag den sehr guten Gesamteindruck nicht zu trüben.

Hinako Yoshikawa, Lauri Vasar - Foto u. Copyright: Thomas M. Jauk, Berlin

L’Orfeo
Claudio Monteverdi

Favola in musica in un prologo e cinque atti (1607)
Libretto von Alessandro Striggio d. J.
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Musikalische Leitung: Toshiaki Murakami
Inszenierung: Ingo Kerkhof
Bühne: Anne Neuser
Kostüme: Stephan von Wedel
Chor: Dan Ratiu

Orfeo: Lauri Vasar
Euridice: Hinako Yoshikawa
Silvia (Botin): Julia Grinjuk
La Speranza: Dorothea Maria Marx
Caronte: Albert Pesendorfer
Proserpina: Arantxa Armentia (am Abend der besuchten Vorstellung) / Alla Kravchuk
Pluto: Tobias Schabel
Apollo: Frank Schneiders

L’Orfeo ist eine Übernahmeproduktion des Landestheaters Linz aus der Spielzeit 2005/2006., Premiere in Hannover am 16. Juni 2007, weitere Termine am: 06., 08., 12. und 17.07.2007


Frank Schneiders, Lauri Vasar, Albert Pesendorfer - Foto u. Copyright: Thomas M. Jauk, Berlin


Karoline Bendig - red. / 6. Juli 2007
ID 00000003342

Weitere Infos siehe auch: http://www.staatstheater-hannover.de/indexoneun.html





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