Theater im Ballsaal Bonn, 09.12.09
A.Tonal.Theater: Basquiat:Re-Mix 09. Eine Recherchemaschine
|
A.Tonal.Theater: Basquiat (Foto: Wolfgang Weimer)
|
Basquiat:Re-Mix 09. Eine Recherchemaschine – so heißt der Abend, mit dem die Kölner freie Gruppe A.Tonal.Theater heute Abend im Bonner Theater im Ballsaal zu Gast war. Ein ungewöhnlicher Titel und eine ungewöhnliche Aufführung, zu deren Beginn man zunächst auf die Vorderseite eines großen Holzkastens blickte, auf dem eine Projektion lief. Erst nach und nach wurden die Seitenteile dieses Kasten hochgeklappt, wurde gewissermaßen sein Innenleben preisgegeben: die Recherchemaschine, bestehen aus zwei Monitoren, Plattentellern, Computertisch mit Laptop, Synthesizer und allerlei mehr. Das alles wirkte eher wie ein Labor in einer Hinterhofgarage denn wie ein Bühnenbild, eine Experimentierküche gewissermaßen.
Regisseur Jörg Fürst schreibt im Programmheft davon, dass Basquiat: Re-Mix 09 sich aller aktuellen Recherchemöglichkeiten bediene und sich auf zu einer Spurensuche in die 80iger Jahre mache. Und so wird dann nach youtube-Videos gegoogelt, aber erfreulicherweise auch in Büchern gestöbert. Und nostalgische Besucher dürften sich über den schuhkartongroßen Ablagekasten freuen, aus dem Fundstücke geholt werden.
„Basquiat:Re-Mix 09“ ist ein vertrackter Abend, der höchste Konzentration verlangt und in dem die Schauspieler mehr als DJs oder Techniker fungieren denn als Menschendarsteller agieren. Ausnahme ist hier nur die Azizé Flittner, die den afroamerikanischen Künstler Jean-Michel Basquiat spielt, der Mitte der 80er Jahre einen kometenhaften Aufstieg in der New Yorker Kunstszene erlebte, bevor er 1988 an einer Überdosis Heroin verstarb. Flittner verkörpert diesen Basquiat mit filigraner Körperlichkeit, starkem Willen und flirrender Präsenz. Ansonsten darf jeder der Darsteller mal die Andy-Warhol-Perücke überstülpen und dessen Äußerungen über Basquiat vortragen. Wohlgemerkt in ein Mikro und mit dem Rücken zum Publikum.
|
A.Tonal.Theater: Basquiat (Foto: Wolfgang Weimer)
|
Doch die Vielzahl an Informationsquellen auf der Bühne, an Punkten, an denen der Blick hängen bleiben kann, eröffnet auch Möglichkeiten, die eigene Aufnahmefähigkeit zu testen. Wie gut funktioniert das Gedächtnis jedes Zuschauers? Wie gut dockt der individuelle Erinnerungsspeicher an den kollektiven an? Ereignisgeschichte der 80er, Personen des öffentlichen Lebens oder eben doch die Kunstszene in New York Anfang der Achtziger rund um Basquiat, Keith Haring und die über allem schwebende gottähnliche Figur Andy Warhol – das ist an diesem Abend ein wilder Mix, der zwischen spröde und anregend hin und her pendelt. Eines ist diese Aufführung definitiv nicht: einfach zu kategorisieren. Und da die Inszenierung keine Fokussierung vorgibt, muss man sich als Zuschauer eben selbst eine suchen. Da ist der Abend sehr nah dran an Multitasking, an der Informationsüberflutung, der Gleichzeitigkeit von scheinbar Unwichtigem und Wichtigem. Nur irgendwie auch weit weg von Theater.
Nach allen Text- und Bildüberflutungen sowie Musikdröhungen gibt es ihn am Ende dann doch, den einen großen theatralischen Moment: von hinten beleuchtet, auf dem Dach des Kastens singt Andrea Köhler Henry Purcell und gibt nebenbei eine kleine Hommage an Robert Wilson, eine weitere gottähnliche Figur, zumindest der Theaterwelt. Und siehe da, dieser Moment versöhnt mit dem sperrigen Abend, denn er kommt genau an der richtigen Stelle – zum Abschluss.
|
Basquiat:Re-Mix 09. Eine Recherchemaschine (in englischer Sprache)
Uraufführung am 11.11.2009 in der Studiobühne Köln
Darsteller: Alexe Limbach, Andrea Köhler, Azizé Flittner, Andreas Spaniol, Christof Hemming
Konzept & Regie: Jörg Fürst
Licht: Veit Griess
Bühne: Jana Denhoven
Kostüme: Monika Odenthal
Musik/Sounds: Wolfgang Proppe
Video: Valerij Lisac
Maske: Heike Helbach
Layout/Internet: Jörg Waschat/nondesign
Produktion/Technik: Garlef Kessler
Videodokumentation: Basa Vujin-Stein
Öffentlichkeitsarbeit: Nina Speyer
Tourmanagment: Stefanie Gauchel
Weitere Aufführungen im Theater im Ballsaal Bonn, Frongasse 9, 53121 Bonn
11., 12. und 13. Dezember 2009
Weitere Aufführung in der Studiobühne Köln, Universitätsstraße 16a, 50937 Köln
13. bis 17. Januar 2010
Festivalbeitrag zu GOBILIZE:COLOGNE 09/international platform for dance & theatre
|
Karoline Bendig - red. / 11. Dezember 2009 ID 4488
Weitere Infos siehe auch: http://www.atonaltheater.de/
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
THEATERTREFFEN
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|