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Hamburger Staatsoper, 3. Februar 2008

Arabella

von Richard Strauss


(C) Hamburgische Staatsoper

Arabella spielt ab

Hamburger Staatsoper scheitert an Copy & Paste der Wiener Bechtolf-Arabella

„’Werke’, sie gleichen dem Schilf, dem flüsternden Schilfe des Midas, streuen Geheimnisse aus, wenn sie schon längst nicht mehr.“ Zweierlei ließe sich wohl über Hugo von Hofmannsthals Gedichtverse interpretieren: Entweder sagen Werke etwas, was schon jeder weiß, nur anders oder Werke berichten von etwas, dass ihre Entstehungszeit bereits real kassiert hat. Wie dem auch sei: Beides trifft auf die lyrische Komödie „Arabella“ zu, dem neben „Capriccio“ bedeutsamsten Bühnenwerk des späten Strauss. Sie enthält eine Utopie, die in der äußeren und inneren Wandlungsfähigkeit des Menschen (hier der Frau) schlummert: die Liebe. Wahrlich tut sich darin kein Geheimnis kund; aber geheimnisvoll geht es oft zu, mittels Strauss-Harmonik und lunarer Ritualhandlung, wie sie zwar keinem Volk der Welt zu erfinden möglich war, aber einem Hofmannsthal.
Wie Geheimnisse transportiert werden sollten, davon berichtet das dynamisch geradezu Flüsterhaft vorgetragene Dirigat von Simone Young: Nie klang es bei ihr derartig leise, parlandofreundlich und dennoch in sich vollkommen homogen. Selbst das dazu einladende Vorspiel zum dritten Akt begegnet mit seinen Trompetenschnaufern und Hornjuchzern nie zu opulent. Alles trägt eine kleinteilige Finesse, kommt (im Unterschied zu Poulenc neulich) aber gerade darum wie selbstverständlich aus einem Guss. Problematisch ist lediglich der zweite Akt: Mandryka-Arabella ist schon Wagner, nicht mehr Strauss. Durchweg wird Leichtigkeit allzu stringent gemieden. Man will sagen: „Achtung! Dies ist keine Operette, Leute!“ Aber Wien ist Wien und nie Hamburg. Leichtigkeit und Glanz sind dort keine Ausschlusskriterien. Auch geht Young, vernünftig in der Premiere, kein Risiko ein und ist in ihrer Tempowahl kaum angriffslustig, was man aber sein muss, wie die langweilige Einspielung unter Wolfgang Sawallisch und den Münchenern wenigstens ex negativo ein für allemal erwiesen hat. An Einspielung ist in Hamburg aber vorerst ohnehin nicht zu denken.
Bo Skovhus (Mandryka) und Emily Magee (Arabella): Ein neues Traumpaar? Mitnichten. Skovhus ist kein halber Bauer, sondern ein halber Vertreter der Hamburg-Mannheimer. Er steht die meiste Zeit tatsächlich genau so. Sein „Araböllah“ im dritten Akt kennzeichnet auszugsweise die Antiklimax dieses nichtbeglaubigten Rollenportraits: überzeichnet und dumm, ohne jegliche virile, geschweige denn fremdartig reinen Charaktermerkmale. Emily Magee hat deutliche Schwierigkeiten und wirkt schlecht einstudiert: ihr Sprachparlando ist wenig bis gar nicht entwickelt, der Übergang vom Parlando zur Kantilene schrillt mehrfach unangenehm und ihre Höhe ist fast durchweg intonationsunsicher. Einige bewegende Momente, die an ihren guten Auftritt als Kaiserin erinnern, finden sich im Schlussmonolog von Akt eins, wo sie versiert über die weitgespannten Bögen kommt, und im dritten Akt. Da ist sie für entscheidende Augenblicke tatsächlich Arabella.
Die beiden anderen Pärchen überzeugen da weit mehr: Kari Postma gibt ein exzellentes Rollendebüt als Zdenka. Ein schlanker lyrischer Mädchensopran mit Leuchtkraft. Den Übergang in das erlösende Des-Dur hinein, „dass ich es war! – Matteo“, versaut ihr Young. Darstellerisch bleibt Matthias Klink leider eine vollkommene Leerstelle, aber stimmlich beglaubigt er den Matteo, eine ätzend-schwere Tenorpartie, ohne fahl oder gespannt zu werden. Die Mama der beiden Schwestern, Renate Spingler, holt vor allem vom Looking her im ersten Akt entscheidende Details aus der Erzählung Hofmannsthals (Lucidor, 1910) zurück auf die Bühne. Und Artur Korn als Graf Waldner nimmt man die parodistischen Passagen eher ab als die väterlich-ernsten; vielleicht zu unrecht. Daniela Fally fiakert auch in Hamburg fein, leider aber nicht mit Chorbegleitung zum zweiten Aktschluss.
Kein Geheimnis ist nun mehr, dass Sven-Eric Bechtolf’s Inszenierung – ja, der Regisseur, der just Pech hatte und den Wiener Ringauftakt „Die Walküre“ in die Donau versenkt hat – in Hamburg nicht so gut ist wie in Wien. Das liegt an der versuchten szenischen Einstudierung von Karin Voykowitsch. Ihre Personage wirkt meistenhalben wie bestellt und nicht abgeholt: Das Schlusstableau, noch am ehesten gelungen, entschädigt ein wenig für die szenische Blamage des zweiten Akts. Aber die Konflikte, die hier gelöst werden sollten, werden durchweg gar nicht vorbereitet: der Einstieg ist da ohne erkennbaren Ehrgeiz, etwas zeigen zu wollen. Was natürlich auch an der schwachen Vorgabe von Bechtolf selber liegt, die gemeinsam mit dem Art déco-Bühnenbild der Glittenbergs wenig Ansprüche anmeldet. Weder wird der utopische Kern, die Schwesternliebe, näher erforscht, noch eine Auseinandersetzung mit sinnfälligen Kontexten des Werks, wie dem Film, ernsthaft verfolgt. In jeder Hinsicht eine traurige Klo-Mödie. Einfaches AA statt rührendes Haha. Arabella bleibt unausgeschöpft und ihr Geheimnis bleibt Hamburg fern. Ob nun gerade das den Grund abgibt für die Jubelstürmerei des Publikums, wie Wilhelm Furtwängler es mutmaßen würde, oder ob dafür nicht schlichtweg das Geheimnis der Claqueure verantwortlich zu machen ist; niemand weiß es.


Wolfgang Hoops - red / 4. Februar 2008
ID 3682

Weitere Infos siehe auch: http://www.hamburgische-staatsoper.de





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