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SALZBURGER FESTSPIELE 2022

Traumspiel

des Lebens



Bewertung:    



Der Theaterregisseur Thorsten Lensing bringt seit 28 Jahren im Schnitt alles zwei Jahre eine Inszenierung heraus. Das muss man sich schon leisten können. Im normalen Theaterbetrieb sind die Probenzeiten, die Lensing sich und seinem stets auserlesenem Ensemble gönnt, purer Luxus. Der Erfolg mit einer Einladung 2018 zum Berliner THEATERTREFFEN mit der Roman-Adaption von David Foster Wallaces Unendlicher Spaß gibt ihm Recht. Nach Inszenierungen von Werken Shakespeares, Tschechows oder Dostojewskijs hat Lensing nun mit Verrückt nach Trost erstmals einen eigenen Text auf die Bühne gebracht. Wie immer eine breit angelegte Koproduktion, die jetzt bei den SALZBURGER FESTSPIELEN Premiere feierte. Zur Verfügung standen ihm dafür sein langjähriges Stammensemble mit Sebastian Blomberg, André Jung, Ursina Lardi und Devid Striesow.

Verrückt nach Trost sind hier die beiden Geschwister Charlotte und Felix, die bereits als Kinder ihre Eltern verloren haben. Ursina Lardi und David Striesow spielen sie zu Beginn im Alter von 10 und 11 Jahren. Sie vollziehen ein jährliches Ritual am Strand des Meeres, bei dem sie ihre Eltern spielen, um so die Erinnerung an sie wach zu halten. Zum Tollen in den Wellen haben ihnen Gordian Blumenthal und Ramun Capaul eine große und lange Metallröhre auf die Bühne des Max Schlereth Saals in der Universität Mozarteum gestellt. Es lässt sich wunderbar Gewitterdonner darauf herstellen, ansonsten wird sie auch hin und wieder von den DarstellerInnen beklettert.

Das Spiel der recht unterschiedlichen Geschwister ist hier Ausgangspunkt für eine Reise in die Fantasie und weiteren Lebensalter der beiden. Charlotte ist sehr selbstbewusst und kommt mit dem Verlust der Eltern besser klar als ihr Bruder, der Angst vor der Einsamkeit hat und dem jedwedes Gefühl des Körpers abhanden gekommen ist. Sie steigen ein in die Welt der Erwachsenen, üben Umarmungen und das Küssen, ohne die Ebene des kindlichen Spiels zu verlassen. Das ist mitunter sehr lustig und bekommt mit dem plötzlichen Auftauchen eines Tauchers in voller Montur (Sebastian Blomberg) einen starken Hang zum Slapstick, was auch eines der Markenzeichen von Lensings Regiestil ist.

Jener Taucher wird noch eine weitere Rolle im Stück spielen, wenn die anderen in einer Art Lichtbildervortrag Clowns- und Kugelfisch sowie einen Octopus mit acht Armen und neun Gehirnen performen. In einem Zwiegespräch zwischen dem Taucher und dem von Ursina Lardi gespielten gelenkigen Weichtier erfährt das Publikum einiges an metaphorischen Lebensweisheiten. Wie auch das ganze Stück immer wieder philosophisch angehaucht die Themen Geburt, Leben, Sexualität und Tod behandelt. Bis zur Pause des dreieinhalbstündigen Abends spielen Lardi, Blomberg und Striesow noch ein gestresstes Elternpaar samt schreiendem Baby. Dazu gesellt sich André Jung als Orang Uthan, und Sebastian Blomberg stellt eine über die Bühne wackelnde Schildkröte mit Wannenpanzer dar.

Das Verlieren im Spiel mag hier auch als Lebensmetapher dienen. In jedem Fall sorgt es für einige Lacher im Publikum. Etwas ernster wird es im zweiten Teil, wenn der erwachsene Felix (wieder Devid Stiesow) in einer schwulen Beziehung mit einem von André Jung dargestellten älteren Mann lebt, der Badgeräusche von seinem Ex-Geliebten abhört und zum neuen Mentor für den weiter an seiner Gefühllosigkeit leidenden Felix wird. Wir lernen auch noch die vom Sport wie vom Leben verletzte Stabhochspringerin Maxima kennen, bevor der nun etwas besinnlicher werdende Abend mit einer Episode der nun 88jährigen Charlotte schließt. Sie feiert Geburtstag und wird von ihrem Pflegeroboter (sehr menschlich: André Jung) nicht nur mit materiellen Sachen beschenkt. Gefühle und Sexualität im Alter, der nahende Tod, auch das ein Thema für einen ganzen Abend. Hier streifen Lensing und sein spielfreudiges Ensemble das Leben nur in einigen seiner vielen Facetten. Ein wenig Trost und die Prophezeiung der Erlösung spendet Ursina Lardi am Ende eines zumindest darstellerisch überzeugenden Ausflugs ins Traumspielland von Thorsten Lensing.



Ursina Lardi und Devid Striesow in Verrückt nach Trost von Thorsten Lensing bei den
Salzburger Festspielen 2022 | © SF / Armin Smailovic

Stefan Bock - 8. August 2022
ID 13745
VERRÜCKT NACH TROST (Max Schlereth Saal der Universität Mozarteum, 06.08.2022
von Thorsten Lensing

Regie: Thorsten Lensing
Mitarbeit Regie: Benjamin Eggers-Domsky
Bühne: Gordian Blumenthal und Ramun Capaul
Kostüme: Anette Guther
Dramaturgie: Dan Kolber und Thierry Mousset
Mit: Sebastian Blomberg, André Jung, Ursina Lardi und Devid Striesow
UA bei den Salzburger Festspielen war am 6. August 2022.
Weitere Festspieltermine: 09., 10., 12., 13., 16., 17.08.2022
Berliner Premiere in den Sopghiensaelen: 30.09.2022
Eine Koproduktion von Salzburger Festspielen und Thorsten Lensing mit Les Theâtres de la Ville de Luxembourg, Sophiensæle Berlin, Kampnagel Hamburg, Theater Chur, asphalt Festival Düsseldorf, Theater im Pumpenhaus Münster und Künstlerhaus Mousonturm Frankfurt am Main


Weitere Infos siehe auch: https://www.salzburgerfestspiele.at


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