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In Liebe, doch unversöhnt

Zum 20. Todestag
am 29.April 2002 von
Helene Deutsch / Pionierin der Psychoanalyse


Zum 20. Todestag am 29.April 2002 von Helene Deutsch / Pionierin der Psychoanalyse

Ihre Spezialität waren die Psychologie der Frau und die weibliche Sexualität, worüber sie vor einem Menschenalter das erste psychoanalytische Buch der Welt veröffentlichte. Sie war die Assistentin des berühmten Wiener Nervenarztes Sigmund Freud (1856-1939) und ging als Pionierin der Psychoanalyse in die Annalen der Wissenschaft ein. Der Name dieser ungewöhnlichen Frau ist Helene Deutsch (1884-1982), geborene Rosenbach. Am 29. April jährt sich zum 20. Mal ihr Todestag.
Helene Rosenbach kam am 9. Oktober 1884 als Tochter des jüdischen Rechtsanwalts Wilhelm Rosenbach und seiner Frau Regina Fass-Rosenbach in Przemysl (Galizien) zur Welt. Ihr Geburtsort gehörte damals noch zu Österreich-Ungarn, später jedoch zu Polen. Ihre Mutter redete zu Hause deutsch, dagegen bevorzugten Helene, ihr Bruder und ihre beiden Schwestern die polnische Sprache.
Früh litt Helene unter dem gesellschaftlichen Ehrgeiz und Konformismus ihrer Mutter. Viel besser verstand sie sich mit ihrem Vater, den sie als stärkste Quelle ihrer Fähigkeiten empfand. Im Alter von 14 Jahren verließ Helene die Privatschule und bereitete sich in Privatstunden auf die Reifeprüfung (Abitur) zu.
Als 14-Jährige wurde Helene Rosenbach die Geliebte des wesentlich älteren und verheirateten polnischen Strafverteidigers und Sozialistenführers Hermann Liebermann (1870-1941), der ihr Interesse für die Politik weckte. Die leidenschaftliche Affäre verzögerte das Abitur des Mädchens um fünf Jahre. 1907 bestand Helene die Prüfung für das Abitur, für die sie damals als Frau noch eine Sondergenehmigung benötigte.
Nach dem Abitur studierte Helene Rosenbach ab 1907 an der medizinischen Fakultät der Universität Wien. Im selben Jahr wurde Hermann Liebermann in Wien Abgeordneter. 1910 nahm Helene mit Liebermann am Kongress der "Sozialistischen Internationale" in Stockholm teil. Im selben Jahr ging Helene zum Abschluss ihres Medizinstudiums nach München, wo sie bei dem Psychiater Emil Kraepelin (1865-1926) im Labor für experimentelle Psychologie ihre wissenschaftliche Arbeit begann.
1911 beendete Helene Rosenbach - offenbar nach der Abtreibung eines Kindes von Liebermann - die Liaison mit Liebermann, der sich wohl auch aus Rücksicht auf seine Partei nicht scheiden lassen wollte. Während ihres letzten Studienjahres in München lernte Helene den Wiener Internisten Felix Deutsch (1884-1964) kennen und lieben. 1912 heiratete sie ihn und promovierte im selben Jahr zum "Doktor der Medizin".
Von 1912 bis 1918 arbeitete Helene Deutsch als unbezahlte Assistentin an der Klinik für Psychiatrie von Julius Wagner von Jauregg (1857-1940) in Wien, der 1927 den "Nobelpreis für Medizin" erhielt. Zu jener Zeit war die offizielle Daueranstellung einer Frau durch die österreichische Regierung noch nicht möglich. Während des Ersten Weltkrieges (1914-1918) leitete Helene die psychiatrische Frauenabteilung.
Vorübergehend wirkte Helene Deutsch auch an der Klinik des Psychiaters Emil Kraepelin in München. Im Februar 1914 schrieb sie aus München an ihren Mann in Wien, sie habe ihrem Gehirn ein großes Herzopfer gebracht. Er wisse, wie sehr sie nach dem Wissen lechze. Wäre nicht der Geist seines großen Herzens und die grenzenlose Güte seines Verstandes gewesen, wisse sie nicht, ob die große innere Möglichkeit ihres gemeinsamen Glückes nicht durch sie vernichtet wäre. 1917 bekam Helene ihr einziges Kind, den Sohn Martin.
1918 trat Helene Deutsch der "Wiener Psychoanalytischen Vereinigung" als Mitglied bei. Im selben Jahr begann sie bei dem Wiener Nervenarzt Sigmund Freud eine Lehranalyse. Hierfür musste sie die Tätigkeit bei Julius Wagner von Jauregg, der Freuds bedeutender Gegenspieler war, aufgeben. Die Lehranalyse endete 1919 jäh, weil Freud ihre Stunde für seinen später berühmten Patienten, den so genannten "Wolfsmann", benötigte.
Sigmund Freud machte Helene Deutsch aber zu seiner Assistentin. Durch die Zusammenarbeit mit ihm entwickelte sie sich zu einer der bedeutenden Vertreterinnen der psychoanalytischen Schule. 1925 erschien ihr bedeutendes Werk "Zur Psychologie der weiblichen Sexualfunktionen".
Helene Deutsch trug maßgeblich zum Aufbau des 1925 gegründeten "Wiener psychoanalytischen Lehrinstituts" bei, das sie von Beginn an leitete. Als Sekretärin des Lehrinstituts arbeitete Anna Freud (1895-1982), die jüngste Tochter von Sigmund Freud. 1932 übernahm Helene auch die Leitung des behandlungstechnischen Seminars der "Wiener Psychoanalytischen Vereinigung".
Nach einer Vortragsreise in die USA löste sich Helene Deutsch 1934 aus dem Dunstkreis von Sigmund Freud und zog mit ihrer Familie nach Boston (Massachusetts). Dazu entschloss sie sich unter anderem aus Rücksicht auf ihren Sohn Martin, der aktiv an der Widerstandsbewegung gegen das Regime von Engelbert Dollfuß (1892-1934) teilgenommen hatte.
In Amerika wurde Helene Deutsch Mitglied des "Instituts der Bostoner Psychoanalytischen Gesellschaft", in der sie sich vor allem der psychoanalytischen Ausbildung widmete. Außerdem arbeitete sie an der von Dr. Stanley Cobb (1887-1968) geleiteten psychiatrischen Klinik am "Massachusetts General Hospital", an der ihr Mann Felix Deutsch eine psychosomatische Abteilung einrichtete, und wurde Professorin an der Boston University.
Bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit war Helene Deutsch immens von der Anerkennung Sigmund Freuds abhängig. Offenbar schrieb sie alles, was sie publizierte, für Freud. Als sie Freud 1936 zum 80. Geburtstag gratulierte, antwortete er Helene mit einer Danksagungskarte für Glückwünsche und schrieb an den unteren Rand: "In Liebe, doch unversöhnt".
Ende der 1930-er Jahre kauften die Eheleute Deutsch eine Farm, die sie nach einer polnischen Hexe auf den Namen "Babayaga" tauften. 1944/1945 erschienen die zwei Bände von Helene Deutschs Werk "The Psychologie of Women", 1948/1954 folgte die deutsche Übersetzung unter dem Titel "Psychologie der Frau".
Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit betätigte sich Helene Deutsch auch als politische Aktivistin und Frauenrechtlerin. In den USA nahm sie in den 1960-er und 1970-er Jahren an Protestmärschen gegen den Vietnamkrieg teil. Sie galt als kämpferische Frau, war aber in ihren Ansichten über die Psychoanalyse oder den Feminismus nie dogmatisch, was ihr zahlreiche Anfeindungen eintrug.
Ab ihrem siebzigsten Lebensjahr schränkte Helene Deutsch ihre aktive Tätigkeit weitgehend ein, nahm aber noch Anteil an der Arbeit der psychoanalytischen Gesellschaft. Ihre Memoiren sind zunächst unter dem englischen Titel "Confrontation with Myself" (1973) und später in deutscher Sprache mit dem Titel "Selbstkonfrontation" (1975) erschienen.
Helene Deutsch starb am 29. April 1982 im Alter von 97 Jahren in Cambridge (Massachusetts). Im gleichen Jahr erschien die Biographie "Freuds Liebling Helene Deutsch. Das Leben einer Psychoanalytikerin".

Ernst Probst / 05. April 2002
E-Mail: verlagernstprobst@web.de


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