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Durs Grünbein (c) Societätstheater Dresden

Europa braucht Herkunft

„Europa in Kultur – Kultur in Europa“. Ein Internationaler Autorenleseabend mit Zsuzsanna Flack, György Dalos, Ludek Frybort, Thomas Rosenlöcher und Durs Grünbein am 8. Dezember 2004 im Dresdner Societätstheater

Man durfte es mit dem Motto nicht so genau nehmen. Allzu inflationär werden seit einiger Zeit literarische Ereignisse mit dem großen Wort „Europa“ überwölbt, um ein noch viel größeres Wort zu beschwören: „Kultur“. So hat die aus Ungarn stammende Übersetzerin und Dichterin Zsuzsanna Flack, die bereits seit 1971 in Dresden lebt, unlängst die Initiative „Europa in Kultur – Kultur in Europa“ ins Leben gerufen, durch die sie Schriftsteller auf die Bühne holen will.
Nun könnte man einwenden: Was tut etwa das Berliner Literarische Colloquium anderes, als pausenlos irgendwelche Schriftsteller in ganz Europa aus der Unbekanntheit heraus auf Lesebühnen, in Übersetzungswerkstätten und Verlage zu holen? Doch das Potential ist groß, schier unerschöpflich, und so endete der internationale Autorenleseabend am 8. Dezember im Dresdner Societätstheater mit Frau Flacks appellativ ausgedrücktem Wunsch, es den fünf geladenen Gästen gleich zu tun – und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in Ungarn und anderen Ländern.
Doch waren es zunächst einmal Prominente, die den Anfang machten. György Dalos, seit fast zwanzig Jahren auf den Strecken der alten Doppelmonarchie unterwegs, war extra aus Istrien angereist, um aus seinem „Gottsucher“ zu lesen. Nach ihm setzte sich Zsuzsanna Flack selbst unter die Leselampe und beschäftigte sich mit dem auch in Deutschland inzwischen zu spätem Ruhm gekommenen Dezsö Kostolányi, bevor sie anschließend einige eigene, kämpferische Gedichte auf Deutsch zum besten gab.
Ihr folgte der alte Herr des Abends, der gebürtige Tscheche Ludek Frybort, der ebenfalls schon lange in Deutschland lebt. Er las aus einem Manuskript, das ganz in der großen Tradition seiner Heimat das alltägliche politische Leben der kleinen Leute gegen sich selbst wendet. Es handelt vom wundersamen Aufstieg eines landwirtschaftlichen Hilfsarbeiters in der jungen Tschechoslowakei, und man mußte genau hinhören, um die feingesponnene Ironie herauszuhören, die sich in Szenen wie der folgenden verbirgt, die zur Zeit der Kollektivierung spielt: „Dennoch kam es zu Raufereien mit den Bauern, die nicht begreifen wollten, warum sie nun freiwillig in die Genossenschaft eintreten sollten.“
Es wäre vielleicht zuviel gesagt, wenn man die condition communiste als Grundtenor des Abends bezeichnet. Dazu war den Autoren zuviel daran gelegen, die alte Zeit nicht wieder auferstehen zu lassen, wie Thomas Rosenlöcher mit einem schönen Gedicht über ein „altes Russenquartier“ durchblicken ließ. Er und der eigens aus Berlin angereiste Durs Grünbein, beide Dresdner durch Geburt und aus nostalgischer Überzeugung, gaben der Lesung schließlich im Duett noch ein unbezweifelbar lokales Kolorit – ganz nach Grünbeins Leitgedanken „Zukunft braucht Herkunft“, den er sich bei Odo Marquardt geborgt hatte.
Damit hatte Grünbein der rituellen Beliebigkeit eines Kultur-Abends, den der Freie Deutsche Autorenverband in Sachsen alle Naslang veranstaltet, eine Richtung gegeben. Und obwohl am Ende doch wieder der 13. Februar 1945, also die Zerstörung Dresdens mit ihren nicht bezifferbaren Verlusten ins Spiel kam, konnte Grünbein sein Publikum davon überzeugen, daß das Zerschlagen von „Porzellan“ eben Lärm macht, der gehört werden muß. Auf die gleichnamige Gedichtsammlung wird man sich genauso freuen dürfen wie auf weitere internationale Autorenlesungen in Dresden.


p.w. – red. / 9. Dezember 2004
ID 1477

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