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Rezension

Wolf Haas - Das Wetter vor 15 Jahren

Hoffmann und Campe (September 2006)
223 Seiten


Kritik der reinen Moral

Die wirklich wichtigen Fragen im Leben werden einem nie gestellt. Ungefragt erzählen, ja, das kann man. Aber ungefragt über sich erzählen, dass deutet doch auf einen leichten Hang zur Selbststilisierung hin. Ob „Ich brauche Liebe“ von Klaus Kinski oder „Augenblick, verweile doch…“ von Boris Becker, Autobiographien erwecken immer den Eindruck, dass sich jemand für sehr wichtig hält und das ist – abgesehen davon, ob er es ist oder nicht – verpönt. Was Kinski und Becker schamgrenzenfern offensichtlich machen, das geschieht bei Wolf Haas jedoch ganz subtil.

Schauen wir dem Herrn Haas doch einmal genauer auf die Finger. Schreibt der Herr ein Buch über ein Buch. Ein Buch, das wir niemals zu lesen bekommen. Was wir erfahren sind lediglich die angewandten Kunstgriffe, die der liebe Herr Haas ausführlich mit einer Frau namens „Literaturbeilage“ bespricht. Fräulein „Literaturbeilage“ stellt der literarischen Figur Wolf Haas eine Menge Fragen. Eine Menge Fragen, die Herr Haas sich selber ausgedacht hat, denn das wollte er ja schon immer mal gefragt werden, wie er das alles so unnachahmlich toll, gewagt und rund hinbekommt, das ganze Geschreibe. Ungeheuer übrigens clever, eine Romanfigur zu erfinden, die zwar ganz offensichtlich die Meinung des Autors vertritt, bei jeglicher Kritik jedoch sofort wieder zum nichtbelangbaren Roman-Ich werden kann.
Wolf Haas. Der souveräne Gott der Krimiliteratur wickelt natürlich auch Fräulein „Literaturbeilage“ blitzschnell um den Finger. Er tut das, was wohl der Traum eines jeden Autors ist: Er interpretiert sein eigenes Buch. Unter dem Deckmantel von Fräulein „Literaturbeilage“. Und das Beste daran ist, dass dieses Buch nie geschrieben wurde.
Gibt es etwas Schlimmeres als Selbstbeweihräucherung und Hymnengesang auf ein nichtexistentes Buch? Ich denke nicht. Aber abgesehen von diesem Tatbestand macht Wolf Haas seine Sache wirklich gut. Und das weiß vor allem – er selbst. Zugute halten muss man ihm, dass er weiß, was er tut und die Lesefreude einem ihre beiden Händchen aus dem Buch entgegenreckt – aber dass der Autor weiß, dass er weiß, was er tut und darüber auch noch schreiben muss…?

In dem Buch, das es nicht gibt, lernt der Ruhrpöttler Vittorio Kowalski jedenfalls 15 Jahre Wettergeschichte eines kleinen österreichischen Ferienortes auswendig. Ein Auftritt bei „Wetten dass…“, bei dem Vittorio Wettkönig wird, motiviert nicht nur die Romanfigur Wolf Haas zu Recherchen. Der liebe „Zufall“, lässt Vittorio zurück in den Ferienort seiner Kindheit und zu seiner längst vergessenen Liebe Anni reisen. Natürlich eine verhängnisvolle Liebe. Und natürlich gibt es das Happy End gratis drauf zu.
Trotzdem gibt es verdächtig gute Passagen, zum Beispiel die folgende: „Geht man vom äußeren Augenwinkel nach unten, kommt man zum Backenknochen. Und dann in gerader Linie weiter, noch einen Zentimeter. Dort hat Anni mich hingeküsst.“

Vielleicht ist das Buch, das die Geschichte vom Ruhrpöttler und der schönen Österreicherin erzählt das Beste, was Wolf Hass jemals geschrieben hat; wir werden es nie erfahren. Das Wetter vor 15 Jahren ist es jedenfalls nicht und das aus rein moralischen Gründen. Eigenlob stinkt eben.

Anna-Lena Wolff - red / 19. Januar 2007
ID 2930


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