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Claudia Groß

Das Scholarium



erschienen im
dtv-Verlag

Juli 2002

ISBN 3-423-24314-7
14,50 €

Claudia Groß. Das Scholarium

Köln, Anno Domini 1413, eine Stadt voller Geheimnisse. Inmitten dieser Stadt die von Papst Urban VI. neu gegründete Fakultät, mit all den Studenten und Magistern, den Herren Philosophen, die mit ihren gelehrten Versuchen, die Existenz Gottes zu beweisen, die Bürger der Stadt verwirren und beunruhigen. Der Mord an Frederico Casall, einem der Magister der Fakultät, nährt die Gerüchte und gibt in mannigfaltiger Weise Rätsel auf. So hinterläßt der Täter Spuren wie z. B. ein Buch, Stiefel oder die abgerissenen Ärmel eines Mantels, die den Weg zum Opfer weisen. In dem gefundenen Buch befindet sich ein Papier mit einem Rätsel, das der Täter hinterlassen hat und die Magister herausfordert, mit philosophischem Sachverstand die Lösung und damit den Täter zu finden. Der Täter könnte ein Verrückter sein, vielleicht auch ein Kritiker der wissenschaftlichen Arbeitsweise des Scholariums, vielleicht auch Sophie, die Frau des Ermordeten oder gar der Teufel selbst? Dem ersten Rätsel folgen weitere, die den bereits bestehenden philosophischen Streit zwischen den Artisten, Nominalisten und Realisten wieder neu beleben. Die einzelnen Magister umhüllen sich nicht nur mit ihren Philosophenmänteln, sondern auch mit ihren Geheimnissen aus der Vergangenheit und der Gegenwart. Sophie, die zentrale Frauenfigur des Romans, taucht ein in diese Welt der Täuschung und Illusion, indem sie sich als Mann verkleidet und in der Fakultät einschreibt. Ihr plötzliches Verschwinden gibt neue Rätsel auf und bringt uns gleichzeitig der Auflösung ein Stück näher.

Claudia Groß ist es gelungen, ein spannendes Buch zu schreiben, das einerseits unterhält und gleichzeitig viel Wissenswertes über den Universitätsbetrieb der damaligen Zeit vermittelt. Befremdlich erscheint für den heutigen Leser die extreme Theologieabhängigkeit, ihre Text-, Autoritäts- und Schulgebundenheit der Scholastiker. Alles ist in den Statuten geregelt: was zu lehren ist und wie lange, welche Kommentare herangezogen werden, zu welcher Stunde, ja selbst die Antworten auf die Fragen. Das Buch beschreibt vor allem die Umbruchstimmung der Geisteshaltung der Spätscholastik, die einerseits von der verkrusteten Verschulung der Hochschulen (vor allem durch die Lehren des Thomismus und Scotismus) geprägt ist und andererseits durch die Loslösung des wissenschaftlichen Denkens von den theologischen Prämissen durch die Nominalisten. Die von Claudia Groß dargestellte philosophische Gedankenwelt zeigt den Übergang vom Mittelalter in das Zeitalter der Renaissance und des Humanismus. So wird bereits die Annahme einer `doppelten Wahrheit´ sowie die Suche nach Erkenntnis durch Erfahrung und Experiment thematisiert.
Im Buch sind die verschiedenen philosophischen Glaubenssätze durch die einzelnen Magister und Studenten der Fakultät vertreten. In den beschriebenen Disputationen spiegeln sich die grundsätzlichen Haltungen und Lehrmeinungen der Zeit wider. Der Leser, als philosophischer Laie, erlebt diese Welt aus den Augen des naiven Laurien, eines jungen Studenten, der zu Beginn des Buches ganz neu in die Fakultät aufgenommen wird. Gemeinsam mit ihm dürfen wir mit Verwunderung dem Treiben des `Wer glaubt was´ folgen und uns dabei anstrengen zu begreifen, wie die Vielschichtigkeit der philosophischen Logik zur Auflösung des Falles führt.

Das Scholarium ist der zweite historische Roman von Claudia Groß. Wie bereits in ihrem ersten Buch `Die Runenmeisterin´ entführt sie den Leser in die Zeit des Mittelalters. Durch detaillierte Beschreibungen der einzelnen Straßenzüge, der Gewohnheiten der Bürger der Stadt, der Magister und Studenten des Scholariums erschafft sie eine Kulisse, die es ermöglicht, das mittelalterliche Köln und seine neugegründete Universität nicht nur bildlich, sondern auch atmosphärisch wahrzunehmen. Manchmal scheint sich die Autorin dem Bereich der Fantasy-Literatur zu nähern. Doch für jede vermeintliche Zauberei und jedes vorerst unerklärliche Verschwinden eines Protagonisten gibt es am Ende des Buches eine rationale Erklärung. Die Rätsel werden gelöst, doch die philosophischen Fragen werden nicht beantwortet, so daß sich auch der Leser am Ende der Lektüre fragen darf: "Was ist vornehmer? Die Kraft der Erkenntnis, der Wille, die Vernunft oder gar das Gefühl?"

i.k. - red / 20. September 2002

 
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