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Rezension

Asa Larsson - "Sonnensturm"

Roman
C. Bertelsmann, München
ISBN 3-570-00843-6


Was ist bloß in Nordschweden los?

Nur das Polarlicht beleuchtet die gespenstische Szene in der Kristallkirche: Der charismatische Sektenführer Viktor Strandgard liegt - die Hände abgeschnitten, die Augen ausgestochen - tot in der Gemeinde-Kirche. Nicht das erste Mal. Als Jugendlicher war er nach einem Unfall scheintot, hatte Kontakt mit Gott und Engeln. Dieses Erlebnis hat ihn zum umschwärmten Kirchengemeinde-Star in Kiruna (Schweden) gemacht. Literweise saugt der dicke Kirchenteppich sein Blut in sich auf. Diese Szene läßt die Mägen der ErmittlerInnen krampfen. Auch als LeserIn muß man magentechnisch mit diesem Anfang des neuen Krimis "Sonnensturm" von Asa Larsson klarkommen.
Die 39-jährige Ex-Steueranwältin legt mit ihrem neuen Buch „Sonnensturm“ ein anständiges, kälte-puslierendes Krimidebüt hin. 2003 gewinnt sie den schwedischen Krimipreis. 2005 liegt er in der deutschen Übersetzung der 52-jährigen Hamburgerin Gabriele Haefs vor, die auch in "Sonnensturm" ihr Bestes gibt.
Rebecka Martinsson, Steueranwältin in Stockholm und magere Workaholic, eilt, nach einem Hilferuf aus Kiruna dorthin zurück, obwohl sie sich geschworen hat, ihren Heimatort nie mehr zu betreten. Was man verstehen kann, wenn man Kiruna kennt. Denn - außer in den verschiedensten Freikirchen- und Sektengemeinden ist der kalten Einsamkei nichts los.
Kiruna, Schwedisch-Lappland, ist die nördlichste Stadt Schwedens mit 23 218 EinwohnerInnen. Die von Eisenerzbergwerken und Raketenstartplatz umringte großflächige Industrie-Kleinstadt, liegt nur knapp unterhalb des Polarkreises. Im Winter herrschen dort 18 Stunden tiefschwarze Nacht, sechs Stunden milchiges, spärliches Tageslicht, dazu Kälte, Schnee und Eis von bis zu minus 30, 40 Grad.
"Sonnensturm" ist in diesem Milieu angesiedelt und tagebuchartig aufgebaut. Es beginnt biblisch: "Und es ward Abend, und es ward Morgen, das war der erste Tag". So werden die sieben Tage wie die Schöpfungsgeschichte begonnen und beendet. Als Prolog dient ein Gedicht von Göran Sonnevi, einem der bedeutendsten Lyriker der skandinavischen Gegenwart, wie man sich ergoogeln kann.
Die hochschwangere Polizeiinspektorin Anna-Maria Mella kommt ihrem Kollegen Sven-Erik Stalnacke zu Hilfe, obwohl sie nur noch - bauchbedingt - Innendienst machen sollte. Zügig beginnt sie mit den Emittlungen, im Freien noch zügiger, denn Anna-Maria Mella fährt einen älteren Ford, nicht einen der neuen, polartauglichen Autos, die in Arvidsjaur getestet werden.
Rebecka Martinson kommt ihrer alten Freundin Sanna und Schwester des Ermordeten, die schnell Hauptverdächtige wird, zu Hilfe. Früher waren Rebecka, Victor und Sanna befreundet gewesen. Eine dunkle Geschichte hat sie entzweit.
Nun streckt das Schicksal wieder den Arm nach Rebecka aus. Wieder läßt sie sich auf Sanna's Chaos ein. Sie versteckt Sanna, die zwei Töchter und den Hund im Landhaus ihrer Großmutter. Curt Bäckström taucht plötzlich dort auf, er hat etwas psychopatische Züge. Schon lange ist er – unerwidert - in Sanna verliebt und hasst Rebecka.
Dann geht es hopplahopp. Sanna kommt in Untersuchungshaft. Rebecka findet eine Morddrohung an ihrer Autoscheibe. Der Hund Tjapp wird umgebracht.
Der Täter Victors kann eigentlich nur außerhalb des Kirchenkreises zu suchen sein. Die Kirchenmitglieder der Kristallkirche sind schweigsam wie Kirchenmauern. Sie benehmen sich sonderbar und haben offensichtlich Dreck am Stecken, besonders Thomas Söderberg.
Im Laufe der 346 Seiten Ermittlung verwickelt sich "Sonnensturm" in alte Geschichten, in freikirchliche und andere Kirchengemeinde-Details, in die Berschreibung zwischenmenschlicher Verhältnisse und Tragödien unter den Kirchenmitgliedern - und verliert sich dabei. Der Fülle von Insider-Informationen, die auf die LeserInnen einprasseln, ist schwer zu folgen.
Man merkt, Asa Larsson, gebürtige Kirunerin, weiß zu genau, wovon sie schreibt.
Doch spritzige Dialoge, etwas psychologischer Tiefsinn und ein fulminanter Schluss mixen den Krimi zu einem schönen, eisgekühlten Wintercocktail, der grundsolide und authentisch angelegt ist. Der Titel ist hevorragend, weil man immer Schneesturm sagen möchte. Es heißt aber Sonnensturm: Ein Sonnensturm tritt dann auf, wenn große Mengen von Sonnenmaterie aus der Sonne geschleudert werden. Wenn diese sogenannten CME's (Coronal Mass Ejections) auf das Magnetfeld der Erde treffen entsteht ein geomagnetischer Sturm, der Polarlichter hervorruft, auch zu sehen auf dem Cover der deutschen Ausgabe.
Man könnte sagen: Kiruna ist im Kommen. Denn „Sonnensturm“ ist in kurzer Zeit der zweite Buch- sowie Film-Titel, der in Schwedisch-Lappland spielt, als ob tapfere Locations-Scouts einen neuen Ort gefunden hätten. "Populärmusik aus Vittula", der Film von Reza Bagher, nach dem Roman von Mikael Niemis, spielt ebenfalls in der "letzten Wildnis Europas".

Das skandinavische Menschen Humor haben, hat uns der Finne Akis Kaurismäki bereits bewiesen. Und poetisch sein können,was Land, Leute und Landschaft angeht.
Asa Larrson ist das auch. Mit "Sonnensturm" gelingt der schwedischen Autorin, die mit ihrem Lebensgefährten und zwei Kindern jetzt in Nyköping, Südschweden, wohnt, ein malerisch geschriebener Roman und ein ergreifender Krimi besonders wegen der romantischen Schnee-, Winter-, Wetter- und Eisblumen-Beschreibungen.






h.m. - red.berlin / 22. Februar 2006
ID 00000002268


Siehe auch:
http://www.bertelsmann-verlag.de




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