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Rezension

Beate Baum – „Mörderische Hitze“

Kriminalroman
Aufbau Taschenbuch Verlag Berlin, 2006
233 Seiten, 7,95 Euro
ISBN 3-7466-2262-X



Dresdner Plätze und Gemeinplätze

Die Journalistin Kirsten Bertram verfolgt heiße Spuren in der Elbestadt, und das, obwohl ohnehin schon so eine „Mörderische Hitze“ herrscht – so lautet zumindest der Titel von Beate Baums nach „Dresdner Silberlinge“ und „Dresdner Geschäfte“ inzwischen drittem Dresden-Krimi, der unlängst beim Berliner Aufbau Taschenbuch Verlag erschienen ist. Erst wird ein Kollege von Kirstens Lebensgefährten Andreas nach dessen Einstandsfeier als Redaktionsleiter einer Dresdner Tageszeitung tot aufgefunden. Dann kommt sie einem großangelegten Bereicherungsunwesen bei ebendieser Zeitung auf die Spur, bei dem die Hoteliers und Investoren der Stadt die Reporter des Sächsischen Merkur mit kleinen Gefälligkeiten zu positiver Berichterstattung animieren. Und zuletzt begibt sie sich zusammen mit Dale, ihrem Ex, einem – natürlich – amerikanischen Privatdetektiv, allerdings ohne Humphrey-Bogart-Attitüde, den sie zugunsten von Andy verlassen hat, in die Niederungen des Dresdner Babystrichs.
Ein Szenario, das ohne Zweifel verfängt, zumal das Personal schon aus den vorangegangenen Büchern bekannt ist. Jedenfalls schafft es Beate Baum, ihre Leser bis zum letzten Satz in Atem zu halten. Die Stadt liefert dafür die Kulisse, eine Kulisse allerdings, die sich von der üblichen gediegenen Selbstvermarktung abhebt. Das Buch ist gespickt mit Ortsangaben, die sich mit einem Stadtplan auf dem Schoß bequem nachvollziehen lassen und für den Ortskundigen zudem ein paar hübsche Wiedererkennenseffekte haben. Der Straßenstrich liegt in einem Gewerbegebiet in Hafennähe, mit der Informantin aus dem Rotlichtmilieu spaziert Kirsten durch den barocken Stadtpark, der Exliebhaber bewohnt ein – in Wirklichkeit wüstes – Grundstück am Rande der Neustadt, und in dem Zeitungshochhaus ist undeutlich ein Hotelbau im sozialistischen Herzen Dresdens zu erkennen. Das ist soweit ganz unterhaltsam.
Der typische, informierte Blick auf Dresdner Plätze, der sich vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg auch in der literarischen Auseinandersetzung mit der Stadt entwickelt hat, spielt dabei allerdings keine Rolle. Das tut der Story keinen Abbruch, ja, man könnte meinen, daß das Buch, auf der anhaltenden Erfolgswelle der Kriminalliteratur schwimmend, so etwas wie den „Dresden-Krimi“ etablieren will, etwa analog zum Erfolgslabel „Berlin-Roman“. Und trotzdem reibt man sich gerade als Bewohner der Stadt beim Lesen ein wenig verdutzt die Augen – vielleicht weil man nicht vermuten mag, daß in einer Platte in der sprichwörtlichen Vorstadt Prohlis tatsächlich Kinderprostitution betrieben wird? Obwohl doch letzten Winter mitten im eher gepflegten Stadtteil Striesen ein Mädchen auf dem Weg zur Schule verschwand und unweit von dort wochenlang von einem Psychopathen festgehalten und terrorisiert wurde...
Womöglich liegt es auch daran, daß Beate Baum vor allem mit dem Szene-Blick auf die Stadt schaut, denn natürlich haben sich die Hauptakteure lebensweltlich im Vorzeigekiez angesiedelt – getreu dem Reiseführermotto: ‚die Dresdner Neustadt ist eines der lebendigsten Ausgehviertel Deutschlands‘. Doch auch wenn die Autorin mit dem Bestechungsthema eine ernstzunehmende Gefahr für den unabhängigen Journalismus, den sie im Hauptberuf selber praktiziert, anspricht und ihre Helden zwei junge Mädchen in einer spektakulären Aktion aus den Händen von Zuhältern befreien läßt, bleibt die Frage im Raum stehen: Was hat das alles nun speziell mit der Stadt Dresden zu tun? „Dresden war schön“, versucht die Autorin an einer Stelle den Ton zu treffen. „Es war für eine Stadt dieser Größe unwahrscheinlich grün und bei aller barocken Behäbigkeit sehr lebendig.“ Mehr als diese Reiseführerrhetorik ist aber nicht drin. Die „wunderschöne Altbauwohnung“ der früheren Arbeitskollegin, den „herrlichen Garten“ von Dale mit seiner „quietschbunten Hollywoodschaukel“ und auch die „unglaublich prachtvolle Villa“ in der Südvorstadt, in der der Ermordete gewohnt hat, findet man in jeder Stadt.
So werden aus den Dresdner Plätzen, mit denen das Buch gespickt ist, leider vielfach nur Gemeinplätze. Dabei muß man gar keine großen Auseinandersetzungen um stilistische Fragen führen. Beate Baum sagt von sich selbst, daß sie zwischen einem Roman und dem Genre des Kriminalromans keinen Unterschied sieht. Vielleicht rührt ihre Verweigerungshaltung gegenüber der besonderen Topographie der Stadt daher, daß sie es – sicherlich nicht ganz zu unrecht – als nervig empfindet, wenn jedem, der laut über Dresden nachdenkt oder schreibt, von anderen erst einmal in die Suppe gespuckt wird. Das hat genauso seine Tradition wie die mythisierende Nabelschau, die manche Dresdner Poeten gerne betreiben. Aber es hat eben auch seinen Grund. Daß sich die Autorin dieser Reflexion verweigert, macht aus „Mörderische Hitze“ nur einen Krimi wie alle anderen auch – und keinen speziellen Dresden-Krimi.


p.w. / red. – 24. Mai 2006
ID 2421


Siehe auch:
http://www.aufbau-verlag.de




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