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Rezension

Lily Prior:
Sentimenti Italiani – Träume eines Sommers

VÖ April 2004
Europa-Verlag, 18, 90 Euro
ISBN: 3-203-81048-4


Sommernachtstraum misslungen

Nicht immer muss ein Sommernachtstraum bezaubern. Manchmal kann er auch langweilen und missmutig stimmen. Und ein Esel allein macht leider noch keine Shakespearsche Leichtigkeit.

In Lily Priors dritten Roman Sentimenti Italiani – Träume eines Sommers geht es um hochsommerliche Irrungen und Wirrungen im Norditalien der Fünfziger. Der einsame Olivenbauer Arcadio Carnabuci kauft einem fliegenden Händler höchst eigenartige Samen ab, die ihm bei Aussaat Liebe und Leidenschaft bescheren sollen. Ergebnisse sind bald zu bemerken, nur leider nicht wie erwartet: Statt der atemberaubenden Fernanda Ponderosa verliebt sich die Mauleselin Gezabel unsterblich in Arcadio. „Außerdem liegt über dem ganzen Dorf plötzlich ein unwiderstehlicher Duft von Leidenschaft, der allen Bewohnern den Kopf verdreht, ihr Verlangen ins Unermessliche steigert und sogar die Toten aus ihren Gräbern treibt“. So steht es auf dem Buchumschlag. Doch das ist nicht alles. Der Roman verdreht auch seinen Lesern den Kopf - allerdings der überzähligen Wirrungen wegen.

Nun bringt man vom Bestseller La Cucina Siciliana oder Rosas Erwachen einiges an Erwartungen mit. Bei Lily Prior denkt man an überbordende Sinnlichkeit, Italienflair, kulinarische und fleischliche Genüsse. Eben jene Erfolgszutaten hat die Autorin auch bei Sentimenti Italiani eingebracht, sich diesmal in der Gesamtkomposition jedoch verzettelt. Zumal es bei La Cucina Siciliana kaum auf den Inhalt ankam. Viel mehr war der Leser gebannt von einer Leidenschaft, die sich vor allem in der Sprache ausdrückte. In ihrem dritten Roman legt Prior gesteigerten Wert auf eine mehrsträngige Handlung – und überschlägt sich dabei. Bezirkskrankenschwester Concetta Crocetta und Doktor Amilcare Croce verbindet eine unausgesprochene, Jahrzehnte lang währende Zuneigung. Fernanda Ponderosa lässt sich statt auf Arcadio Carnabuci lieber auf den Metzger Primo Castorini ein. Auβerdem versucht sie, einen Streit mit ihrer toten Zwillingsschwester Silvana beizulegen. Belinda Fondi bringt einen Engel zur Welt und die Schildkröte Olga sieben Schildkrötchen mit den Namen weltbekannter Supermodels. Neddo, der Einsiedler kehrt unter mysteriösen Umständen aus den Bergen zurück, und Fernandas Affe Oscar bekommt unverhofft Nachwuchs. Der Leichenbestatter Dino Maddaloni stirbt an einem Herzinfarkt verursacht durch Arcadio Carnabucis nächtliches Ständchen für Fernanda Ponderosa.

Die Gewichtung zwischen Hauptplot und Nebensächlichkeiten gerät aus den Fugen. Maultier Gezabel als ich-Erzähler wechselt inkonsequent mit einem auktorialen Erzähler. Der angebliche Hauptstrang der Geschichte – die unglückliche Liebe Gezabels zum Olivenbauern Arcadio Carnabuci - durchwebt das Buch nur lückenhaft; zu oft wird der Leser abgelenkt von Parallelgeschichten, um irgendwann unsanft wieder auf die Haupthandlung gestoβen zu werden, die an diesem Punkt regelrecht überflüssig erscheint. Komplexe Gefühle und Zusammenhänge rafft Prior zu wenigen Sätzen, die damit nicht mehr glaubhaft sind.

War La Cucina Siciliana ein Meisterwerk der Details, eine Mischung aus Garcia Marquez und Ingrid Noll, so wirkt Sentimenti Italiani wie ein blasser Abklatsch. Aus dem Dorfbrunnen flieβt Olivenöl, die Schafe tragen blaues Fell, Kleinkindern wachsen Flügel. Das alles scheint anfangs märchenhaft, wird im Laufe des Buches allerdings mehr und mehr ein Mittel zum Zweck – Hauptsache magischer Realismus. Wirkt angestrengt und anstrengend. Genau so wie die Auflistung aller mitwirkenden Personen und Tiere am Buchanfang – die sich immerhin auf 64 belaufen, Ehepartner und Kinder nicht mitgezählt - was an den Personenaufzug eines Theaterstückes erinnert. Zu einem Sommernachtstraum reicht auch das nicht; Leichtigkeit wird mit ausufernder Beliebigkeit verwechselt.

Schade, dass der Europa-Verlag diesmal keinen Michael Schulte als Übersetzer gewinnen konnte, der Priors Debütroman La Cucina Siciliana wohl nicht in unbedeutender Weise zum Bestsellerstatus auch in Deutschland verholfen hat. Charlotte Breuer, die bis dato Adriana Triagini und Joanne Harris übersetzt hat – Romane, bei denen es nicht unwesentlich auf eine sinnliche Sprache ankommt - sollte man zutrauen, auch Sentimenti Italiani adäquat zu übertragen. Das ist ihr kaum gelungen: Ausdrücke wie „allüberall“, „Skalp“ und „vorgestrige Leute“ wollen nicht passen und unterbrechen den Lesefluss.

Empfehlung für faule Sommertage: Lieber La Cucina Siciliana einfach ein zweites Mal lesen oder wieder mal Eva Luna aus dem Regal bemühen.

Sarie Teichfischer
ID 00000001988
Sentimenti italiani oder Träume eines Sommers.
Prior, Lily

Roman der Leidenschaften.
Aus d. Englischen v.: Breuer, Charlotte

Siehe auch:
http://www.lilyprior.com/




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