Claudia Groß
Kurzbiographie
Claudia Groß wurde am 26. Juli 1956 im
nordhessischen Arolsen geboren. Sie studierte
Philosophie und Germanistik mit dem Schwerpunkt
Mediävistik. Heute lebt und arbeitet sie in Kempen
am Niederrhein, wo sei ein Studio für
Orientalischen Tanz betreibt. Bisher sind
erschienen `Die Runenmeisterin´ (dtv 24166)
sowie `Das Scholarium´(dtv 24314)
Online Interview mit Claudia Groß vom
19.12.02
Wie würden Sie Ihren literarischen
Werdegang beschreiben? Wann haben Sie mit dem
Schreiben begonnen und was waren die Motive
dafür?
In der Schule, während der
Stunden, habe ich schon heimlich geschrieben,
wahrscheinlich aus lauter Langeweile. Meistens
Gedichte. Und später habe ich dann Germanistik
studiert, weil mich Literatur immer interessiert
hat. Während meines Studiums schrieb ich dann
Romane, die aber nie veröffentlicht wurden. Man
sagt ja, Germanisten oder Literaturwissenschaftler
werden nie gute Schriftsteller - das hat mich aber
weder vom Studieren noch vom Schreiben
abgehalten.. Die Motive fürs Schreiben sind sicher
so vielfältig wie die Menschen, die schreiben -
Schreiben kann wie tag-träumen sein, es kann von
der ‚wahren' Welt ablenken oder aber im Gegensatz
dazu, zu ihr hinführen, sie neu oder anders
gestalten, aber es ist im Grunde nichts anderes
als das, was die alten Geschichtenerzähler auch
gemacht haben, nämlich einfach Geschichten
erfinden und sie zu erzählen.
Bereits
in Ihrem Studium haben Sie den Schwerpunkt
Mediävistik gewählt. Ihre beiden Bücher sind
historische Romane und entführen den Leser
ebenfalls in die Zeit des Mittelalters. Wie kommt
es zu der Faszination für diese Epoche?
Das Interesse für die Mediävistik habe
ich, glaube ich, von meinem Vater. Wir hatten zu
Hause eine große Bibliothek, da stand u.a. eine
aus Schweinsleder gebundene Ausgabe der
Nibelungen, der Beowulf und andere
mittelalterliche Werke. Mit 18 habe ich dann
meinen ersten ‚Mittelalterroman' geschrieben, der
war schrecklich schlecht, aber da besaß ich schon
dieses Interesse fürs Mittelalter. Und was mich
über dieses Thema zu schreiben treibt, ist sicher
auch das, was andere zum Lesen treibt: ein
Bedürfnis nach Spiritualität oder Ursprünglichkeit
oder wie immer man es nennen will, die Suche nach
unserer ureigensten Vergangenheit.
Ihre
beiden Romane sind immer auch ein bißchen
Fantasy-Literatur und vermitteln auf gelungene
Weise eine sehr mystische Atmosphäre. Wie
entstehen die Ideen für diese Bücher? Wie sehr
spielen geschichtlich belegte Quellen und wie sehr
die eigene Phantasie ein Rolle?
Die
geschichtliche Recherche ist die eigentliche
Arbeit. Das kann ein ganzes Jahr dauern, bis ich
alles gelesen habe, was ich wissen muss. Beim
‚Scholarium' musste ich wochenlang auf bestellte
Bücher warten, die in irgendwelchen Archiven
lagen, aber nach und nach ergibt sich dann ein
Bild einer bestimmten Szenerie, die manchmal nur
durch Details gekennzeichnet ist. Das
Atmosphärische ergibt sich dann von selbst. Bei
der ‚Runenmeisterin' habe ich die Runen mit meinen
Schülerinnen gelegt, um überhaupt zu wissen, wie
es funktioniert, wir haben Runenhoroskope gelegt
und waren nicht selten überrascht, wie stimmig sie
waren. Die Idee für die ‚Runenmeisterin' bekam
ich, weil eine meiner Schülerinnen einen Beutel
Runen gekauft hatte, ich griff das Thema dann auf
und dachte mir, daraus könnte man etwas machen.
Das ‚Scholarium' entstand gezielter. Da ich an der
VHS Seminare über Philosophie abhalte, lag die
Idee nahe, ein philosophisches Thema als Grundlage
für ein Buch zu benutzen. Da ist der Fantasyanteil
natürlich etwas geringer, aber im dritten Teil des
‚Scholariums' (der ist in Arbeit) versuche ich
Philosophie und Fantasy miteinander zu verbinden,
was eine etwas skurrile Mischung ist …
Das Scholarium beschreibt die
Gepflogenheiten der Universitätsstadt Köln um
1413. Wie kam es zu der Entscheidung für diese
Stadt und für diesen Zeitraum?
Die
Frage ist schnell beantwortet: Köln kenne ich als
Universitätsstadt am besten und so ergab sich das
Datum von selbst. Es war auch von daher
interessant, weil die Kölner Fakultät um diese
Zeit zur alten Unterrichtsmethode zurückkehrte,
während die meisten anderen sich ‚moderneren'
Theorien anschlossen.
Sie leiten zudem
ein Studio für orientalischen Tanz. Wann finden
Sie Zeit zum Schreiben?
Die Frage ist
eher, wann finde ich Zeit zum Tanzen? Einmal im
Jahr haben wir eine große Veranstaltung. Wir
tanzen ein orientalisches Märchen mit 20 Frauen
auf einer Riesenbühne, dafür haben wir 12 Monate
geübt. Tagsüber schreibe ich, abends tanze ich,
das ist eine etwas stressige Arbeitseinteilung,
aber das Tanzen ist gut, um den Kopf wieder
freizubekommen. Und da der orientalische Tanz ein
sehr spiritueller Tanz sein kann, ist er auch gut
für die Seele.
Sie sind somit eine
vielseitig begabte Frau. Welchen weiteren
Aktivitäten gehen Sie gerne nach?
Ich
leite mit noch zwei anderen Kollegen
Diskussionsveranstaltungen an der VHS Kempen im
Fachbereich Philosophie.
Welche
weiteren literarischen Projekte dürfen wir von
Ihnen erwarten?
Der zweite Teil des
‚Scholariums' ist schon fertig, aber noch nicht
druckreif. Steiner, der zum Professor avanciert,
muß sich um die verschwundene Leiche eines Pariser
Kollegen kümmern. Es geht vor allem auch darum, zu
begreifen, wie philosophische Theorien plötzlich
in das praktische Leben einer Gesellschaft
eingreifen können - ein Prozeß, der dem alten
Professor überhaupt nicht behagt und der für uns
im 21. Jahrhundert schwer nachvollziehbar ist.
Aber der sogenannte Nominalismus hat sicher
beträchtlich dazu beigetragen, das, was wir heute
als Renaissance bezeichnen, überhaupt entstehen zu
lassen: nämlich das Bewußtsein einer persönlichen
Individualität, die sich nicht nur über die
Moralvorstellungen der Kirche definiert. Der
zweite Teil leitet ein in den dritten Teil, bei
dem es dann um das symbolische Thema des heiligen
Grals geht, eine Mischung aus Philosophie und
Fantasy, wie oben schon angeführt.
Was
würden Sie als Ihr Wunschthema bezeichnen, was Sie
gerne in der Zukunft einmal anpacken würden?
Etwas Historisches, das aber einen Bezug
zu heute hat, eine Art Parabel, in der sich der
Leser wiederfinden kann. Als Grundlage vielleicht
ein alter griechischer Mythos, wo man sehr gut mit
politischen und psychologischen Elementen arbeiten
kann, denn die griechischen Mythen sind eine
Fundgrube voller faszinierender ‚Bilder' im
psychologischen Sinn, die heute noch genauso
aktuell sind, wie damals.
Wir Leser
sind immer auch ein bißchen an dem Privatleben
eines Autors interessiert. Wie würden Sie ihre
private Lebenssituation beschreiben?
Ich habe drei Katzen, vier Hühner und
einen viel zu großen Garten. Ich bin ein Tier- und
Gartenfreund, und der Garten ist so eine Art heile
Welt, eine Idylle, in der ich mich aufladen kann.
Ein Garten kann etwas durchaus Mystisches haben,
das behaupten ja schon die alten Runenmeister.
Frösche am Teich zu beobachten kann für mich
genauso interessant sein, wie vor den Pyramiden
von Gizeh zu stehen …
Ich bedanke mich
recht herzlich für das Interview i.k.-red
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