Literatur - Porträts - Ashmania
John Ashman - ASHMANIA

S.t.o.n.o.m.i.e




Hotte Köhler, der Postbote, oder Linda, die von gegenüber ums Eck stehende, waren nicht meine Vorbilder. Ich mochte keine Helden. Man versucht halt alles, um genau so zu werden wie das, was man sieht. Und ich sah den immer größer werdenden Einfluss von Steinen, sei es nun durch Feuersteine, Dominosteine oder Nierensteine. Dieses Pseudo-Synonym für 'es gibt kaum noch Wahrheiten, und die wenigen, die es noch gibt, halten nicht, was sie versprechen' wollte ich hier eigentlich schon gar nicht benutzen. So muss, um auf Vorhergenanntes detaillierter eingehen zu können, an dieser Stelle auf die Besonderheiten eines Phänomens Bezug genommen werden, welches innerhalb einer freizeitorientierten Gesellschaft geradezu unvermeidlich populärer wurde.

Doch man musste sich beherrschen und ins Geschehen zurückkehren, als sei nichts gewesen. Während es einen alle paar Minuten woandershin führte – aufs Klo, ins Abseits oder in die Besenkammer. Wie hätte man dieses Leben wohl sonst gemeistert, wenn er nicht da wäre? Er, namentlich Mephisto, ein ständiger Begleiter. Vor kurzem, doch nach langen Prozeduren und reiflichen Überlegungen, hatte ich mein Geschlechtsteil so getauft. Was in den heutigen Zeiten der Kälte, der Suche nach Sonderangeboten und dem richtigen Gesichtsausdruck schon verständlich war.

Was kann man sonst noch über Mephisto sagen? Alles Erdenkliche wurde ihm nachgesagt und vorgeworfen. Ihm, der öffentlich kaum in Erscheinung trat und wenn, dann zumeist als Entsorgungskanal. Nur so viel: Von fern wollte man beobachtet haben, dass er im Garten erotische Praktiken ohne Wenn und Aber zelebrierte. Die ganze Zeit hatte er sich schon auf eine Freizeitveranstaltung der ganz besonderen Art gefreut. Damals ist er vor Einsamkeit fast verrückt geworden. Dann endlich dieses Zucken, yogaähnliche Bewegungen und ein unmöglich zu unterdrückendes Verlangen beeinflussten sein ganzes Dasein.

Drei-, viermal an jenem Nachmittag soll er sein Versteck verlassen haben, um in freier Wildbahn wohlgeformte Steine im Schweigen seines Angesichtes lautstark zu bearbeiten. Und zwar im Februar – das war ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher war: Während er all das zum x-ten Mal tat, war es, als ginge es ihm verdammt gut dabei.

So fand er die schönste Herausforderung, die es in diesem Universum gab: Stonomie. Wohl angesichts der düsteren Weltlage reizte ihn weder das andere Geschlecht noch gut aufgepolsterte Brathähnchen. Auch ausgestopfte BHs und andere Utensilien aus Kunststoff waren nicht seine Welt. Natur pur also. Selbst der damalige Kindergartenrausschmiss und die damit verbundene Minderung der Weihnachtsgeschenke konnte dieser Neigung nicht Einhalt gebieten. Trotz allem schwor ich ihm mit unverbindlicher Verbindlichkeit – wir bleiben Freunde.

Warum gab er sich denn nicht mit handelsüblicher Onanie zufrieden? Zumindest früher wurde ihm dabei immer feucht um die Augen. Selbst als er von einem Piercer in Ketten gelegt wurde, sorgte das nur für morphostrukturelle Weichgewebsirritationen. Niemand hatte mich gelehrt, wie man mit solchen Krisensituationen umgehen sollte.

So las ich Freud, 'Männer lassen lieben' und später auch den Wachturm. All das und selbst 'Gutenachtgeschichten' halfen einfach nicht weiter.

Immer, wenn ich seine Neigung anderen erklären und ins rechte Licht rücken wollte, beugten sich interessierte Zuhörer in meine Richtung und es wurde still. So signalisierte ich durch permanentes Achselzucken den fragenden Mitmenschen, dass ich für all dies nichts konnte. Ich hatte schon alles versucht – obwohl ich ihn nie richtig liebte. Doch aus Rücksicht auf sein Einzelkinddasein hatte ich ihn überwiegend antiautoritär erzogen. Das hat man nun davon!

Es kam, was kommen musste. Auch ich wurde Steinsammler und er gab wertvolle Hinweise, wie und wo man entsprechende Findlinge erfolgreich lokalisieren konnte. Gemeinsam wuchteten wir sie in unsere Wohneinheit. Je mehr Hinkelsteine wir fanden, desto erregter wurde ich, und eines Tages kam es dann dazu, dass wir uns beide an ihnen im Vier-Stufen-Takt vergingen, nicht nur einmal. Wir konnten einfach nicht mehr aufhören. Nach einer Weile des Nichtstuns fingen wir dann wieder an. Ich weiß schon gar nicht mehr, warum.

Viele, so auch ich, hatten Mephisto völlig unterschätzt: Der Einfluss seines Wirkens war so mächtig, dass sich mittlerweile ganze Völker von dieser artgerechten Entwicklung beeinflussen ließen.

Angelo John Ashman, Hamburg Oktober 2006
siehe auch: John Ashman
www.ashmania.com

E-Mail: John Ashman

 

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