Literatur - Porträts - Ashmania
John Ashman - ASHMANIA





Es war am späten Nachmittag eines angehenden Tages während seiner obligatorischen badespiegelartigen Denkmalpflege. Ein gestandener Donnerstag im beschaulichen Südberliner Flachland - zur Zeit der großen Gefühle, der schwarzweißen Pornoheftchen und trockner Inkontinenz -, als bei Widukind Westwave jr. - aberkannter Familiensenior und papierschablonentragender Aushilfsbote des Bonner Ofenknechts - das Denken, wie ein schimmelpilzartiges Muster, den Siegeszug in seinem Hirn antrat. Das war jeden Sommer so. Doch nicht immer war er dabei. Meistens wollte er aufgrund überhöhter Schweißdrüsenaktivität, obwohl die Klärfunktion seiner Nieren erstaunlich gut funktionierte - im Zuge ungeschönter Ursprünglichkeit -, einfach den kühlenden Regen in Kaufhäusern genießen, welchen er mittels Rotationsabgasen von Zigaretten und einen dadurch zum Weinen gebrachten Rauchmelder erreichte.

Ebenso immens grob und unfreundlich ist es übrigens, wenn man unberechenbaren Achselschweißüberschwemmungen, die unausbleiblich ein Kanalisationssystem für die Schweißabsonderung notwendig machen, ihren freien Lauf lässt. So gesehen bei einem durch Wunschkanzlersyndrome schwergekennzeichnetem Alphaweibchen - mit Schnittstellen für Münzenklangideologien -, die ohne Nachdruck nach einer nicht salonfähigen Geruchstabelle schwitzte.
Kam das gar von den Unstimmigkeiten über die richtigen Falscheinträge im Jahrbuch, neulich in der Tafelrunde unter den mit erzwungenem Blickkontakt debattierenden Würdenträgern des Politbüros - welche darauf konditioniert sind, die zum Ausdruck gebrachten Resignationen sich vorbehaltlos, der süchtig machenden Aufmerksamkeitsquote und einer ungeringen Schutzgebühr wegen, nicht anmerken zu lassen, und welche gleichzeitig trotz herrschendem Ton auf seelische Unversehrtheit ihres Nutzerprofils hofften?

Widukind jedenfalls hatte diesmal vorsorglich die Nahrungsmittelmarken gegen dampfgehärtete Bad Segeberger Edelrasierklingen getauscht, um im Zuge einer Schwitzdepression entsprechend handeln zu können. In seiner Arbeitsstube, an der zwei Nullen an der Tür zu erkennen waren, fügte er sich unverblümt ein paar kurze, improvisierte Schnitte zu. Mittlerweile sind die Spuren, die zunächst aussahen wie ein spätes Werk von Joseph Beuys, mit dem er sich früher mal einen Körper teilte, fast beseitigt. Seitdem jedoch in ernsthafte Zweifel darüber vertieft, wie wohl die wuchernde Silbermähne der linken Achselhöhle sonst in den Griff zu bekommen war, betrat ihn ein weiterer Geistesblitz - und er übermütig ein Enthaarungsstudio; mit der persönlichen Bitte, seinem spezifisch konsequenten Haaranwuchs beizukommen.

Früher, als heimlichen Höhepunkt, hätte er sich schnell noch mal Archimedes, seinen sprachbehinderten Zwergfingergaffen, der eine Affinität zum Schlafwandeln hatte, der mit Hunderten von Wäscheklammern geschmückt ganz profan in seinen Unterarmlianen turnte und die Hebelgesetze außer Kraft setzte, in alphabetischer Reihenfolge zur Brust genommen - aber der sollte sich ja erst mal erholen.
Denn erst kürzlich wurde dieser, nach einem durch geschwächte Feinabstimmung gebeutelten Finanzhaushalt und dem daraufhin geschlossenen Organspendervertrag (mit der Parteizentrale), mit Eigenblut an der Stirn von der Müllabfuhr nach Hause gebracht und behauptete: ich komme im Namen Europas.

Dabei suchte er in seiner Rückbesinnungslosigkeit die Geborgenheit eines stattlichen Lesehauses, in dem er den Klassiker 'Notdurft aber Richtig - Rezepte gegen das Altern' studieren wollte. Der das Fundament für ein kommendes Leben darstellen sollte.

Damit wären die Zusammenhänge geklärt.

Außer den inbrünstigen Bissspuren von Archimedes gab es wenig Erquickendes am unpatriotischem Deutungshorizont des bei feuchter Witterung in Bad Honnef geborenen Zeitgenossen Widukind. Bis vielleicht auf Magnesiumtabletten und Michaila von Mzonria, seine schizowestfälische Kaltschaummatraze, die durch Ihren Alkohol- und Asbesttablettenkonsum, den sie als Schluckimpfung bezeichnete, auch als eine aus Leichtsinn vorübergehend verbitterte Hausnonne von sich Reden machte. Den daraus entstandenen Applaus konnte sie mittels ästhetisch aufgerichteten Mittelfingers gelassen hinnehmen. Anfänglich gab es zwar Probleme wegen ihres Glaubens. Sie glaubte, man könne allerorts den Darm entleeren. Eine - jedoch völlig absichtslose Angewohnheit -, die, wohlwissend, dass Happy End, das feuchte Toilettenpapier mit Kamillearoma, nicht überall verfügbar war, vollzogen wurde.

Die Zeit vertrieb schließlich den kläglichen Rest ihrer Scheu und unverdrossene Grundzüge machten sich breit. So wurde sie Hauptdarstellerin vieler Geschehnisse und war auf Anfrage auch zur Selbstaufgabe bereit, trotzdem fragte sie sich oft warum sie Widukind immer noch ranließ. Nun wortwörtlich, unter Zuhilfenahme von zweidimensionalem Kraftpulver konnte er ganz passabel Reges treiben und Orgasmen täuschte er nur selten vor.
Selbst die gemeinsame Kurzmitteilungskonversation, mit der er sie ständig in die Knie zwang, und die selten mehr als sechs Buchstaben umfasste, schien akzeptabel - als zeitgemäßes Realitätspuzzle. Erst später, als sie zufällig einem Bauarbeiter hinterherpfiff, erfuhr sie, dass es auch noch andere Männer gab.

Eines Tages jedoch, als Widukind Westwave jr. gerade die spontane Bewilligung für eine Bauchpiercingerweiterungspauschale im Zuge der neuen Gesundheitsreform erhielt, traf er Willy Brandt. Der stand stirnrunzelnd im Flur seines durch erfolgreiche Regenmachoffensiven künstlich durchspülten Mietshauses. Westwave jr. brachte flüsternd vor Überraschung nichts als "Ich dachte, sie wohnen nicht hier!" hervor.
Auch die mittlerweile durch penetrante Grobmotorik fertiggestellten Veränderungen am Durchmesser des Treppenhausniveaus konnten für den Satz nicht als Entschuldigung herhalten.

Aus Frust darüber, das Vorausgegangenes nicht mehr in Abrede zu stellen war, pustete Widukind den Staub von der Brandenburger Jubiläums-Wappenrolle und kippte irrtümlicherweise den vierzehn Zentimeter hohen Inhalt eines Ascheimers unbesehen in eine Körperöffnung. Wie viel Zeit jedoch vergangen war, seitdem die verdauungstraktinnewohnende Bakterienwelt damit begann, verzweifelt nach dem Feinsinn des Lebens zu suchen, konnte er abschließend nicht mehr sagen.
Denn er widmete sich unverzüglich der schönsten Herausforderung, die es auf diesem Erdball gab. Und fand sie auch: Den Autoschlüssel der ostsibirischen Untermieterin. Ein kleiner, rostiger Traum mit gehäkelten Sitzgurten und einem Lenkrad aus Alligatorknochen. Der Unabdingbarkeit entgegen. Eine Brücke aus chinesischem Backblech, die auf ihr Recht pochte, und der Sturz ins Wasser zeugten durch aufsteigende Blasen davon, dass die Reifen wohl schadhaft waren. Als er sich nach diesem Identifikationserlebnis neugierig umblickte und es auf sein Winken hin keine Erwiderung gab, setzte sofort ein Zustand der Leblosigkeit ein.
Verletzt wurde bei diesem Unglück zum Glück niemand.



Angelo John Ashman, Hamburg 08. Februar 2006
siehe auch: John Ashman
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