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Eine Gruppe schreibender Menschen stellt sich vor:
"texte aus der gartenstraße"
   
 
AutorInnen-Porträts:

Armgard Dohmel

Kurzbiographie


Geboren 1939, Verwaltungsangestellte, seit 2000 Rentnerin.
Rund 20 Jahre aktiv in der Reutlinger Frauenszene.

Schreibtätigkeit: ab ca. 1980 kurze Betrachtungen zu alltäglichen Situationen, zur "Tücke der Objekte", Natur, Jahreszeiten; Teilnahme an Schreibwettbewerben und Lesungen von Hobby-AutorInnen;
    Beiträge in div. Büchern/Anthologien; freie Mitarbeiterin einer Tageszeitung; vier Jahre ehrenamtliche Mitarbeit bei „die kleine“ Reutlinger Zeitung; seit 1996 bei "texte aus der gartenstraße".

   Eine Gruppe schreibender Menschen stellt sich vor:
"texte aus der gartenstraße"

Kontaktadresse:
Carolyn Murphey Melchers
Corrensstr. 45
72076 Tübingen
Telefon: 07071/610221
e-mail: carolynmelchers@more2discover.com

 


Texte von Armgard Dohmel


  
Die Möweninsel

Eigentlich gehört die kleine Insel Sveti Nikola gegenüber von Porec in Istrien den Lachmöwen, deren lautes Geschäker überall in der Luft liegt. Mit ihnen wetteifern, was die Lautstärke anbelangt, die Zikaden: Sie bringen Geräusche hervor, als würde jemand ein Drahtseil mit einer Metallfeile bearbeiten. Außer ihnen gibt es noch jede Menge halbzahmer grauer, brauner und weißer Häschen, die dafür sorgen, dass Gras und Wildpflanzen auf dem Eiland nicht in den Himmel wachsen. Dazwischen huschen grünbraun gezeichnete Mauereidechsen über die Wege und verstecken sich in den Felsritzen. Und natürlich gibt es auch noch Touristen dort - ungefähr 200 in dem imposanten Hotel „Fortuna“ und noch ein paar handverlesene im Luxus-Schlosshotel „Isabella“. An den kleinen, bescheidenen Bungalows im Kiefernwald, die früher den Feriengästen als Quartier dienten, hat der Zahn der Zeit heftig genagt und sie stehen leer. Seit den 60er und 70er Jahren, als hier der Fremdenverkehr boomte, sind die Ansprüche gestiegen. Nach den Kriegswirren im ehemaligen Jugoslawien gilt es nun, wieder Anschluss an den Tourismus zu finden - und für die zahlenden Gäste ist das Beste gerade gut genug.

Doch zurück zu den Lachmöwen: Wie gesagt, sie sind überall. Zu Wasser, zu Lande, auf den Küstenfelsen und auf den Dächern der Hotels. Und ihr Gelächter schallt den ganzen Tag bis spät abends über die Insel. Manchmal haben sie sogar versucht, mich aus meiner kleinen Felsenbucht zu vertreiben. Sie flogen dann schreiend dicht über meinem Kopf hin und her und mir war dabei nicht besonders wohl. Doch nach solchen Drohgebärden verlieren sie schnell wieder das Interesse an harmlosen Eindringlingen wie mir und gehen ihren Möwengeschäften nach.

Man kann sich sein ganz persönliches Stückchen Strand suchen, aber es ist mühsam: Schmale Wege und Steinstufen führen durch das Wäldchen hinab zu den scharfkantigen Felsen, die die Insel zum Meer hin begrenzen. Ohne Badeschuhe hat man kaum eine Chance, mit heilen Füßen ins Wasser und wieder heraus zu kommen. Doch die Mühe ist schnell vergessen, wenn man in der kristallklaren Adria schwimmt, in der Ferne vor sich den weiten Bogen der Küste und viele kleine Inseln, die felsig aus den Meer aufragen.

Von meinem Stück Felsenstrand aus beobachtete ich einmal zwei junge Möwen, die nebeneinander auf einer Klippe saßen. Sie waren zwar flügge, trugen aber noch ihr unscheinbar grau-weiß gestromertes „Baby“-Federkleid, in dem sich haargenau die Farben der Felsen wiederholen: eine vorzügliche Tarnung. Als sich eine erwachsene Möwe mit strahlend weißen Brustfedern und grauen Flügeln in ihrer Nähe niederließ, verneigten sie sich abwechselnd ganz tief und stießen leise fiepende Laute aus. Die so um Futter angebettelte Möwe jedoch beachtete sie überhaupt nicht. Wahrscheinlich waren sie groß genug, selbst für sich zu sorgen. Resigniert gaben die Beiden auf und begannen sich eifrig zu putzen. Nach getaner Arbeit kuschelten sie sich eng aneinander und dösten in der Sonne.

Als ich nach dem Schwimmen wieder zu der Klippe hinüber schaute, waren die kleinen Möwen verschwunden. Dann entdeckte ich sie auf dem Wasser: Wieder ganz eng nebeneinander, ließen sie sich von den Wellen schaukeln und knabberten dabei ab und zu an einer Wasserpflanze, die auf der Oberfläche schwamm. Die beiden Kleinen wichen einander nicht von der Seite, eins suchte den Schutz des anderen. Manchmal waren sie so dicht an dicht, dass sie zu einem einzigen Vogel zu verschmelzen schienen. Auch einige große Möwen nahmen ein Bad im Meer - und andere flogen ständig kreischend darüber hin. Bisher schien sich keine für die beiden Jungvögel verantwortlich zu fühlen. Doch nun landeten zwei dieser schönen, großen Vögel in ihrer Nähe auf dem Wasser. Die Jungen schwammen vertrauensvoll auf sie zu und zwischen die beiden. Die vier steckten die Köpfe zusammen wie in einer zärtlich-freundlichen Begrüßung. Dann waren die Jungmöwen wieder sich selbst überlassen auf ihrem Weg ins Erwachsenwerden.

Vielleicht besuche ich „meine“ Möweninsel ja nächstes Jahr wieder; das wünsche ich mir, weiß aber, dass bis dorthin vieles geschehen kann. Falls ich wiederkomme, werden die beiden Jungmöwen längst ihre Babyfedern verloren haben und im Heer dieser schönen großen Vögel mit strahlend weißem Federkleid und grauen Flügeln über der Insel kreisen. Ihr jämmerliches Fiepen von einst wird sich zu kraftvoll-spöttischem Möwengelächter gewandelt haben.



***
Wir sind
Rucksacktouristen des Lebens,
die ihre Vergangenheit
mit sich tragen
überall hin.
Unsere Rücken
beugen sich tiefer und tiefer
unter der Lebenslast,
je älter wir werden.
***



alt sein heißt
sich ertragen müssen
- trotzdem -
den körper
der verfällt
und einen im stich lässt
den kopf
auf den man sich
immer weniger verlassen kann
das alte gesicht
im spiegel

alt sein heißt
immer noch leben
- trotzdem -

***








 

Armgard Dohmel

 
siehe auch / Literatur:
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© 2003 Kultura-Extra (alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar.)
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