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Feuilleton - Lesung

NAPOLEON UND DIE NATUR IM FRÜHLING

Auf der Suche nach der verlorenen Unschuld oder von der Einsamkeit des Erwachsenwerdens

von Stephanie Hecht/Beate Schulz, Musik: audiokollektiv
Kaffee Burger, Berlin

Zwei Frauen lesen aus ihren Tagebüchern. Damals waren sie vierzehn bis sechzehn Jahre alt. Damals war für die eine 1974, für die andere 1984. Damals gab es noch BRD und DDR. Sie könnten kaum unterschiedlicher sein, die beiden Mädchen, die uns in den Tagebüchern von Stephanie Hecht und Beate Schulz begegnen. Beate, die Ostlerin, die Einserschülerin, die jeden morgen kalt duscht und sich hin und wieder in der Dorfdisko "tüchtig austobt". Beate, die sachlich und mitunter detailliert beschreibt, was es zu essen gab, den Tod ihres Hundes Harras in einem Nebensatz abtut, ebenso wie die erste Begegnung mit ihrem Vater seit sechs Jahren. Und Stephanie, die Westlerin, von Zweifeln, Ängsten und Selbstmitleid gebeutelt, Biographien von Van Gogh bis Napoleon, sowie Tolstoi und Mann verschlingend, in der Schule aber versagend. Stephanie, reflektiert, dunkel, unter ihren Eltern und der Umwelt leidend.

Im Kaffee Burger, das vor allem für seine "Russendisko" auch über Berlin hinaus bekannt ist, sitzen die beiden vor Mikrophonen und lesen. Beate ist Schauspielerin geworden, Stephanie Performancekünstlerin. Sie wissen, mit den Texten umzugehen, das rechte Maß an emotionaler Färbung mitzugeben, aber auch Distanz zu wahren. Hinter ihnen kommentiert und illustriert ein DJ von audiokollektiv wundervoll mit Sounds und Songs. Und ein kleines Wunder entsteht: Fern jeglicher Peinlichkeit, ganz ohne Exhibitionismus, mitunter ironisch, aber niemals sich selbst oder sein früheres Ich diffamierend oder bloßstellend, entstehen Lebensgeschichten, entsteht der Soap-opera Effekt. Der Zuschauer/Zuhörer will mehr wissen, will wissen, wie es weiter geht. Wird Stephanie den Kowa kriegen "auf den sie spinnt" (in den sie verliebt ist)? Wird Beate morgen wieder um sechs Uhr aufstehen und kalt duschen? Wenn die ersten Eintragungen noch voll entlehnter Sprache sind - Beate schreibt im Stil ihrer Mutter und Großmutter, Stephanie zitiert den Stil der Bücher, die sie liest - hört man, wie sich hier und da ein authentischer, eigener Satz einschleicht, wie die Persönlichkeit sich entäußert. Die scheinbar so oberflächliche Beate entdeckt z.B. eines Tages die Tagebücher der Anne Frank und wird sich über ihr eigenes banales Geschreibsel bewusst. Als beide ca. sechzehn Jahre alt sind und die erste echte Liebe sich in ihrem Leben findet, endet die Lesung.

Nein, die beiden Mädchen stehen nicht exemplarisch für eine Kindheit im Osten oder Westen Deutschlands. Sie darauf zu reduzieren, täte ihren Biografien Gewalt an. Nein, sie sind vierzehn- bis sechzehnjährige Mädchen auf dem Weg, zu den Frauen zu werden, die uns diesen charmanten und anrührenden Abend geschenkt haben.



s.l. - red. / 15. Juni 2004

Siehe auch:
www.audiokollektiv.de
www.weisskunstbewegung.de

 

 



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