Feuilleton


museum der moderne salzburg mönchsberg - 17.02.2007 – 24.06.2007

Stephan Balkenhol Werkschau



Mann mit Fliegenpilz

Das museum der moderne mönchsberg setzt Signale bei den Ausstellungen, es geht um die Wahrnehmung in der KUNST.

Wie bereits bei der vorangegangenen Ausstellung von Markus Raetz, wo es um Wahrnehmung ging, wird das Thema Wahrnehmung mit Stephan Balkenhol fortgesetzt.

Es handelt sich um die bislang größte Werkschau des Künstlers Stephan Balkenhol, der auch erstmalig in Österreich präsentiert wird. Die Ausstellung wurde für die Kunsthalle Baden-Baden konzipiert und für die Stationen im MKM Küppersmühle in Duisburg und das museum der moderne mönchsberg in Salzburg adaptiert und erweitert.

Relief Frau mit Kleinem Mann (Voyeur)
Wer ist dieser Künstler Stephan Balkenhol? Er ist einer der international renommiertesten Künstler Deutschlands. Geboren 1957 im hessischen Fritzlar als Sohn eines Oberstudienrates für Deutsch, Geschichte, Französisch und Philosophie, erhält er bereits im Elternhaus eine breite humanistische Bildung. Die Familie übersiedelte 1968 nach Kassel, wo Stephan Balkenhol wie sein älterer Bruder Bernhard auf der documenta V jobbt. Inspiriert durch die Documenta, begann Balkenhol 1976 sein Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Er besuchte auch die Klasse von Ulrich Rückriem, dessen Ideen ihn in der Folgezeit sehr prägten.

Elefantenmann
Stephan Balkenhol ist ein unterschätzter Künstler, nicht dass eine seiner Skulpturen in den letzten 25 Jahren lange ohne Käufer geblieben wäre – mancher Käufer musste sich gedulden um eine Skulptur sein Eigen nennen zu können. Weltweit besitzen viele öffentliche und private Sammlungen Werke des Künstlers. Unterschätzt aber wird Stephan Balkenhol besonders in der Kunstwelt. Viele sind der Meinung , Balkenhols Werk und seine Arbeitsweise kennt man schon, was auch unter anderem zu dem merkwürdigen Umstand führte, dass der Bildhauer seit 1987 viermal nicht zu den Künstlern gehörte, die zur documenta eingeladen wurden. In der Tat ist er ein sehr produktiver Künstler, der bis zu 100 Skulpturen im Jahr schafft.


Tanzende Paare
Der Künstler über seine Skulpturen: „Meine Skulpturen erzählen keine Geschichten. In ihnen versteckt sich etwas Geheimnisvolles. Es ist nicht meine Aufgabe es zu enthüllen, sondern die des Zuschauers es zu entdecken.“

Seine Skulpturen werden aus Wawa oder Pappelholz hergestellt. Er arbeitet mit Kettensägen, die Figuren werden oft aus mächtigen Holzstämmen herausgearbeitet, leicht überlebensgroße Figuren. Die Figuren bemalt Balkenhol abschließend an wenigen Körperstellen und strukturiert sie so in ihrem Aufbau. Die Farbe bleibt stets Lokalfarbe und die Hauptpartien verbleiben in der natürlichen Farbigkeit des Holzes. Seine Skulpturen kleidet er deshalb auch in einfache, alltägliche Kleider.
Seine Vorlagen holt er sich aus den Jahrmärkten, wo er das Leben fotografiert und diese dann in seinem Atelier umsetzt.

Mit Vorliebe zeigt Balkenhol anonyme Figuren, Männer, Frauen, Autos und Gebäude, Bäume aber auch Tiere und Pflanzen, die nichts von sich preisgeben, nichts erzählen, nichts präsentieren.
Betrachtet man die Figuren spiegelt sich Vergangenheit wie auch Gegenwart wider.


Balkenhol’s Grundthese, die Psychologie und die Soziologie vom Menschen wegzulassen, ist eine These, der ich nun gründlich nachrecherchiert habe. Ich kam zu dem Ergebnis: Wenn man beides weglässt, bleibt eine innere Leere im Menschen übrig. Die innere Leere, es ist einfach nichts mehr vorhanden. Betrachtet man die Figuren von Balkenhol, dann kann man beobachten, dass die Gesichtsausdrücke, ob Mann oder Frau, alle diese Leere ausstrahlen.
Soldaten, die in Kriegsgefangenschaft geraten sind und in Massen in kleine Kerker eingesperrt wurden, empfanden diese innere Leere ebenso, sie verspürten weder Leben noch Todesangst.

Intereressant bei der Recherche war auch, dass mir ein Herr Toni Stooss auf die Frage, was passiert, wenn man beim Menschen Psychologie und Soziologie weglässt, auch nicht beantworten konnte, oder dass ich von Prof. Winzen folgende Antwort erhielt: Seele bleibt übrig, Geist bleibt übrig - ja. Und der Leib! Der, mit dem wir wahrnehmen, der, in dem jeder einzelne von uns lebt.

Das Ganze soll heißen: Wenn Stephan Balkenhol Psychologie und Soziologie einmal beiseite läßt, gräbt er etwas Vorsprachliches, noch nicht gesellschaftlich Verabredetes am Menschsein aus, etrwas, das es gibt, selbst wenn wir dafür keine Worte haben, immerhin aber Kunst.

Stephan Balkenhol's Position in der Kunstszene ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall hat er den Mut, die Figuration als Sujet zeitgenössischer Bildhauerei neu zu erfinden. Er versucht linear die Vergangenheit – Gegenwart zu überwinden und eine Punktzeit entstehen zu lassen. Es gelingt ihm, sein Motiv von dessen historischem Ballast zu befreien und ein unpathetisches Menschenbild zu schaffen, welches in seiner Aussage vieldeutig bleibt.

Was immer wieder passiert: Er muss die Position ertragen, dass die, die nicht genau hinsehen, seine Skulpturen nur schön finden und Konzeptuelles nicht sehen.


Kuratiert wurde die Ausstellung „Stephan Balkenhol“ von Prof. Dr. Matthias Winzen, der auf die Frage „Wo steht der Bildhauer?“ eingegangen ist. Er stellt unter anderem den viel gefragten und geschäftigen Künstler als einen Menschen ohne Starallüren vor, dessen Arbeiten nicht „die Welt“, sondern immer „Bilder von der Welt“ zum Thema haben.

Zu dieser Ausstellung ist auch ein umfangreicher Katalog mit Texten von Prof. Dr. Matthias Winzen und Harriet Zilch im Snoeck-Verlag, Köln erschienen.

Die Ausstellung läuft noch bis 24. Juni 2007



chr. l. - red. / 19. März 2007
ID 00000003069

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