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Was ist Lomographie?

Was ist Lomographie?


Lomo LC-A - in voller Länge: Leningradskoe Optiko Mechanitschéskoe Objediniénie - ist eine simple mechanische Kleinbild-Kamera die in Russland (St. Petersburg) im Fünfziger-/Sechzigerjahre Design nachweislich seit etwa Anfang der Achtziger entwickelt und vertrieben wird. Laut den Gerüchten soll das Gerät aus exakt 450 Einzelteilen zusammengebaut und ursprünglich als Spionagekamera gedacht gewesen sein. Andere Stimmen behaupten, sie sei als russische Volkskamera gedacht gewesen. Tatsächlich passt sie mit ihrer Größe von 10x4x6 cm in jede Hosentasche.
Bevor die Kamera 1991/92 von zwei Wiener Studenten auf einem Flohmarkt entdeckt wurde, fristete sie ein Dornröschendasein. Die Lomo ist eine Kamera, die eigentlich nicht sehr viel kann:
Sie verfügt sie über 4 verschiedene Entfernungseinstellungen und 7 verschiedene Blenden anhand zweier Bedienungshebel links und rechts des Shutters. Genaugenommen ist nicht einmal ein Blitzlicht vonnöten, auch wenn grundsätzlich die technische Möglichkeit dazu gegeben ist. Da sie mechanisch ist, braucht man auch gar nicht darauf zu hoffen, dass die Kamera sich automatisch auf Lichtverhältnisse und Entfernungen einstellt. Der Auslöser ist im Grunde der einzige Steuermechanismus. Dennoch: aufgrund ihrer nachtsichttauglichen Linse, kommt es bei schlechten Lichtverhältnissen zu langen Belichtungszeiten und herrlichen Wackeleffekten.

Copyright: Cathrine Merdy 2000
So ist die Lomo bestimmt keine Kamera, die in unserer Hightech-Gesellschaft marktfähig wäre, gebe es da nicht den Kult um die Lomographie, der von Menschen getragen wird, denen es offenbar egal zu sein scheint, wie ein Bild auszusehen hat. Sie suchen nicht stundenlang nach Motiven, warten nicht, bis irgendwelche Posen eingenommen wurden, versuchen nicht mit irgendwelchem "Cheesegehabe" das Familienalbum zu bestücken. Sie nehmen vielleicht nicht einmal den Sucher vors Auge. Sie knipsen einfach.

Copyright: Wolfgang Moeller, 2000
Ein Reisevortrag mit Lomos wird wohl kaum die Säle füllen - obwohl, wer weiß, vielleicht mittlerweile schon. Kurz und gut Lomographen lachen allen Predigern der perfekten Photografie ins Gesicht. Was dabei herauskommt, ist jedoch nicht von schlechter Qualität, sondern eine Kunstrichtung und ein Akt der Befreiung von den Zwängen der "klassischen" Photografie.

Copyright: Juan, 2000
Die Weiterbearbeitung des Materials erfolgt auf großen Wänden. Hier werden die einzelnen Bilder zu Tableaus zusammengestellt. Das Ergebnis ist ein Blick in den Alltag, der schräg und doch treffend ist. Was man tagtäglich sieht und einem doch zu entgehen scheint, in der Lomographie wird es festgehalten und einem neu vor Augen geführt.

Copyright: Lomographische Botschaft 2000

Copyright: Lomographische Botschaft 2000
Die Technik ist dabei sehr einfach und läßt sich den 10 goldenen Regeln der Lomographen entnehmen:
  1. Nimm die Lomo mit, wo immer Du gehst
  2. Benutze sie tag und nachts
  3. Lomographie ist ein Teil deines Lebens
  4. Bring die gewünschten Objekte so nahe wie möglich an die Linse
  5. Denke nicht
  6. Sei schnell
  7. Es ist vorher nicht wichtig zu wissen, was Du auf den Film gebannt hast
  8. Erst recht nicht nachher
  9. "Schieß" aus der Hüfte
  10. Denke nicht über Regeln nach
Es wird einfach geknipst, was das Zeug hält. Die Kamera wird zum dritten Auge und überrascht mit ihren Bildern wohl nicht selten die PhotografInnen selbst.

Copyright: Lomographische Botschaft 2000

Lomographie ist nicht nur einfach eine bestimmte Herangehensweise an die Photografie, sie ist auch ein Kult. Seit den 90er Jahren sind "Lomographische Botschaften" entstanden (siehe z. B. : http://www.lomo.de, Lomographische Botschaft Baden-Württemberg), die Aktionen rund um die Lomographie starten und das Gemeinschaftsgefühl der Akteure pflegen. Es werden internationale Wettbewerbe organisiert oder einfach nur Lomo-Meetings für den Erfahrungsaustausch.
Die Webseiten der Lomographischen Botschaft informiert darüber und präsentiert die Bilder und Tableaus ihrer Mitglieder. Das Internet dient hier als ideale Verbreitungsform. Der seit ca. 1992 weltweit steigende Boom der Lomographie zeigt sich auch an der Vielzahl der Einträge, den das Suchwort Lomo bei den Suchmaschinen ergibt.

Copyright: Lomographische Botschaft 2000

Dennoch gibt es zwei Haken an der Sache:
1. Lomographie kostet Geld. Auch wenn die Kamera (samt Paket) mit ihren ca. 250 DM zwar nicht gerade kostengünstig, aber doch erschwinglich ist, die massenhafte Bildentwicklung ist es nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kamera nur über die Lomographischen Gesellschaften vertrieben wird, die die Exklusiv-Verträge für das Gerät halten. Und so verwundert es auch nicht, wenn ein Lehrer im Internet zum Thema Lomographie schreibt:
"Will ich mich in der Schule mit der Lomographie befassen, stehen in der Regel sowieso keine echten Lomos zur Verfügung. Da diese Art der Fotografie im Unterricht sowieso nicht als Kult betrieben wird, können die weitverbreiteten Billigfotoapparate eingesetzt werden. Sobald ich verschiedenen Gruppen die Möglichkeit schaffe, ein eigenes Tableau zu einem Thema zu gestalten, wird das Unterfangen schnell teuer." ( http://www.schulen-thurgau.ch)
Und hier hofft der Pädagoge auf die Möglichkeiten der digitalen Fotographie.
2. Echte Lomographie ist - so ihre Betreiber - an die Marke Lomo gebunden. Selbstverständlich kann man mit jeder mechanischen Billigkamera genauso Arbeiten. Doch dann sind es nur noch Photos. Schade eigentlich, dass eine gute Idee durch einen Lable-Zwang doch wieder ad absurdum getrieben wird. Also, was solls? Ist der eigentliche Kult um die Lomographie die Idee - oder das Lable?

Der Rückgriff auf ein technisch veraltetes Medium ist gleichzeitig die Voraussetzung für die neue/alte Photographie, die den Akteuren wieder etwas zurückgibt, was einem die Technologie schon geraubt hatte: eigentliche Photographie. Und hier kann man allen LomographInnen uneingeschränkt Recht geben:

"Der Charme von Lomographien liegt in der Zufälligkeit der Bildentstehung. Jenem Faktor X, den die Hersteller von vollautomatischen Kameras kurzerhand ausgerottet haben." (http://www.lomo.ch/).

s.p. - red / 23.12.2000


Und jetzt noch die Lomographische Botschaft Baden-Württemberg selbst zum Thema:

Was ist Lomographie?

Ein schnell wachsender Kreis von Erdenbürgerinnen und Erdenbürgern verschreibt sich einer kleinen, einfachen und sehr geheimnisvollen russischen Photokamera namens "Lomo Kompakt Automat" und entwickelt einen neuartigen, künstlerisch-experimentellen Photostil: Möglichst viele Photos - genannt "Lomographien" - in möglichst unmöglichen Situationen und aus möglichst ungewöhnlichen Positionen schießen und diese dann möglichst billig entwickeln lassen. Resultat ist eine Flut von authentischen, bunten, verrückten, schrägen, ungewohnten, oft brillanten Schnappschüssen, die - auf Phototableaus zu einem Meer mit tausenden Lomographien zusammengefügt - durch ihre Farb- und Ausdruckskraft regelmäßig die Betrachter begeistern. Große Ausstellungen in Moskau, New York, Wien, Berlin, St. Petersburg, Toronto, Zürich und vielen anderen Städten der Weit, in denen bis zu 50.000 Lomographien gezeigt wurden, haben die Lomographie international bekannt gemacht. In den ca. 50 sogenannten LomoBotschaften (z. B. Tokyo, Hanoi, Havanna, Kairo, Berlin, Brüssel, Mailand, Paris, London, Malmö, Hamburg, Zürich, New York usw.) bauen eigens inaugurierte LomoBotschafter nach einem neuartigen Kunst-Franchising-System selbstständige Lomographengruppen auf und führen mit den Tausendschaften ihrer Mitglieder - vom Medizinstudenten bis zur Chefredakteurin, von der Lokführerin bis zum Klavierlehrer - eigene Aktionen durch: LomoAusstellungen, Feste, Shows, lomographische Shootings und LomoReisen, Publikationen etc.

Was 1992 im Wiener Underground als (alltags)fotokünstlerische Idee spontan entstanden, hat sich heute zu einer breiten und internationalen Bewegung entwickelt. Lomographie ist mehr als eine neue Art der kreativen Fotografie, Lomographie is a way of being" (Artforum). Die lomographische Idee - sei schnell, don't think, sei offen gegenüber deiner Umgebung, nimm alles auf, sammle und hab' Spaß an der Kommunikation - hat sich zu einer eigenen Wahrnehmungs- und Kommunikationskultur entwickelt. Und die zieht immer größere Kreise: Über 200.000 Mitglieder (Stand Mitte 2000) der Lomographischen Gesellschaft (Tendenz stark steigend) sammeln mit offenen Augen und geschärften Sinnen unmäßig lomographierend rastlos neue Bilder, Stimmungen, Gesichter, Farben, Formen, Wörter und Bewegungen. In hunderten von Projekten, Happenings und Ausstellungen pro Jahr werden Millionen Lomographien der Öffentlichkeit präsentiert. Das Lomographieren selbst, die anschließende Verarbeitung und Präsentation tausender Lomographien auf sogenannten LomoWänden und der soziale und kommunikative Ansatz der Lomographie haben Funktion und Ästhetik der Fotografie in den 90er Jahren stark beeinflußt.

Ziel der Lomographischen Gesellschaft ist es, Lomographie als neue Wahrnehmungskultur über den ganzen Globus zu verbreiten. Über das Medium der Fotografie hinausgehend wurde die Lomographische Idee auch auf den TV-, Musik- und Veranstaltungsbereich ausgedehnt. Ein LomoFilmprojekt mit mehreren Super-8-Filmkameras (LomoTV) wurde im Rahmen der ORF-Sendung "Kunststücke' gesendet, und das LomoEventformat ("LomoExpress" und "Lomotronic") mit seiner experimentellen Verknüpfung von Bild und Sound tourt seit Monaten durch Europa.

Copyright: Lomographische Botschaft 2000

Lomographische Botschaft - Herrenalber Str. 13 - D-71024 Böblingen Tel. ++49 (0)7031 720847 - http://www.lomo.de - info@lomo.de
Subskription des Mail-Newsletters auf:
http://www.lomo.de/docs/Xchange.htm


Events, Aktionen, Projekte 2000/2001

bis Ende 01
Bilderverrücken - Verrückte Bilder tourt als Wanderausstellung

24.03. - 01.04.01
Nord-Indien-Reise Exklusive Reisebegleitung durch World Lomo Vice President Christof Hochenegg
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© 2000 Kultura (alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar.)
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