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Kunst Feuilleton

Berlin: Ibero-Amerikanischen Institut PK

berlin buenos aires
buenos aires berlin

Kulturfestival „buenos aires berlin“
10 Jahre Städtepartnerschaft
August bis Oktober 2004

Marcos Lopez: “Sireno del Rio de la Plata”

Nicola Costantino: “Tuberias”

Die Partnerschaft der beiden Metropolen Berlin und Buenos Aires geht ins zehnte Jahr. Dieses Jubiläum wird mit einem vielseitigen Programm gefeiert.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und der Regierungschef der Stadt Buenos Aires Dr. Aníbal Ibarra eröffneten im August dieses Jahres den Kulturdialog beider Städte.

In seiner Eröffnungsrede betonte Wowereit vor allem die Gemeinsamkeiten der Städte - beide geprägt durch Diktaturen „und die Anstrengungen, diese Geschichte aufzuarbeiten“. Aber auch kulturelle Gemeinsamkeiten, wie die Leidenschaft für den Tango in Berlin sind von Bedeutung: “Wer weiß schon, dass Berlin Welt-Hauptstadt des Tango ist – nach Buenos Aires natürlich“. Ibarra sieht in Berlin und Buenos Aires „eine von Krisen und Brüchen geprägte Vergangenheit, aber auch den Willen zu überleben und die Entschlossenheit Schwierigkeiten zu überwinden“. Er wies darauf hin, dass „eine Gesellschaft ohne Erinnerung dazu verdammt ist, ihre Fehler zu wiederholen und dabei ihre Erfolge zu versäumen.“
Das Kulturfestival fand bis Ende Oktober 2004 mit zahlreiche Veranstaltungen statt - Literatur, Film, Musik, Bildende Kunst, eine Genre übergreifende multimediale Veranstaltungsreihe. Wir veröffentlichen hier nur einen kleinen Ausschnitt, der kaum repräsentativ sein kann. Dennoch spiegeln die Beiträge ein Stück kultureller Identität und ebenso kultureller Gemeinsamkeit beider Metropolen.

Zum einen zeigen wir die Fotos zweier jüngerer Künstler, des Berliners Arwed Messmer sowie des Argentiniers Sebastián Friedman im Rahmen des Projekts „krise als labor“ , zum anderen den fotografische Essay von Marcelo Brodsky „Buena memoria“, der die Militärdiktatur als junger Mann miterlebte und sich im ständigen Streit mit der Vergangenheit befindet, gegen das Vergessen – auch besonders für Berlin als ehemaliges Zentrum nationalsozialistischen Terrors eine permanente Herausforderung.


Marcelo Brodsky
„Buena memoria“ - ein fotografisches Essay (1996)



Marcelo Brodsky: „Buena memoria“


„Der Rio de la Plata war ein Symbol für die Ankunft und auch für das Ende. Über den Fluss kam mein Onkel Salomón, der Bruder meines Großvaters, Anfang des Jahrhunderts nach Argentinien.“ ( Marcelo Brodsky in seinem Buch „Buena Memoria“, das anlässlich der Ausstellung erscheint.)

Die Einwanderung des Onkels von Brodsky fiel in die Zeit der verstärkten Einwanderungen nach Argentinien. Vor allem aus Spanien und Italien kamen Ende des 19.Jahrhunderts Menschen, die dem Mythos des Reichtums argentinischer Rinderbarone hinterher jagten.
Eine zweite Einwanderungswelle fand während und nach dem 2.Weltkrieg statt. Es kamen nun auch Franzosen, Deutsche und Araber. Um die 50 000 Menschen flohen während des Faschismus nach Argentinien. Nach dem Krieg fanden viele Faschisten in Lateinamerika Unterschlupf, auch in Argentinien.
Aber auch die lateinamerikanische Geschichte selbst ist eine Geschichte von Diktaturen. Argentinien wurde von vielen Militärdiktaturen heimgesucht. Dabei gilt die letzte als die grausamste. Sie dauerte acht Jahre und endete 1983 mit demokratischen Wahlen. Die federführenden Generäle wurden neben anderen Juntamitgliedern allerdings 1991 begnadigt.


Marcelo Brodskys Bruder und Freunde verschwanden während der Diktatur, wie so viele andere. Der Rio de la Plata war ihr Grab, in das sie geworfen wurden. Um die 30 30000 Opfer sind aus dieser Zeit zu beklagen – die meisten zwischen 1976 und 1978. Eine halbe Million Menschen verließen das Land. Argentinien wurde ideologisch gesäubert. Die Verschwundenen, die „Desaparecidos“ wurden von der Polizei geholt, viele gefoltert und ermordet. Keiner wusste wohin sie verschleppt wurden, es gab keine Hinweise und keine Leiche.
„Wir sprachen von ihnen als Opfer von Entführungen, Folter und Mord und erwähnten kaum, wie sie zu dem Zeitpunkt waren, als sie nicht Objekt waren, sondern sich aus Überzeugung für ein Leben entschieden, das ihnen den Tod bringen konnte. Neben anderen Dingen waren es diese Versionen der Geschichte, die dazu beitrugen, dass die Desaparecidos auf eine andere Weise erneut verschwanden.“ (Martin Caparros, aus dem Buch zur Ausstellung). Der Tod war das einzige, was thematisiert wurde. Ihr Leben blieb im Dunkeln.
Das war der Grund für Marcelo Brodsky die Geschichte seines Bruders und seiner Klassenkameraden und Freunde in dieser Ausstellung zu rekonstruieren und zu erzählen, auch um die Geschichte aller zu erzählen, die in dieser Zeit gelebt hatten.

Unter dem Titel „Brücke der Erinnerung“ und unter Mitwirkung der Schüler wurde 1996 ein Festakt organisiert, der an die Verschwundenen der Schule „Colegio Nacional de Buenos Aires“ erinnern sollten - die Schule, die auch Marcelo Brodsky besuchte. Das war der Ausgangspunkt für Brodskys Arbeit, die in der Ausstellung „Buena memoria“ ihren Abschluss fand.
Sogar während des Festaktes wurden der Liste der Verschwundenen noch Namen hinzugefügt. Insgesamt waren 105 Personen aufgelistet.


Marcelo Brodsky: „Buena memoria“

Marcelo Brodsky: „Buena memoria“

„Die Fotografien waren einige Tage im Colegio zu sehen. Wenn die Sonne im Zenith stand und durch die riesigen Fenster in den Flur drang, schien sie in die Gesichter der Schüler, die vor den Bildern standen. Dadurch spiegelten sich ihre Gesichter im Glas des von mir bearbeiteten Bildes.
Die Fotografien mit den Spiegelbildern dieser Gesichter gehören zu den wichtigsten Teilen dieser Arbeit, da sie den Moment des Erfahrungsaustausches zwischen den Generationen verdeutlichen.“(Brodsky, aus dem Buch zur Ausstellung) Das andere Foto zeigt den Künstler mit seinem verschwundenen Bruder Fernando auf einem Schiff im Fahrwasser des Rio de la Plata…

Marcelo Brodsky vor einer Arbeit: Im Hintergrund die Klasse von 1967 vom „Colegio Nacional de Buenos Aires“.

„Alfredo ist Bevollmächtigter der Frepaso, einer progressiven politischen Partei. Bei internen Diskussionen stand er immer auf der Verliererseite, darin ist er sich treu geblieben. Uneigennützig setzt er sich für andere ein. Das zählt heute um so mehr, weil es völlig aus der Mode gekommen ist.“ ( Kommentar Brodskys zum Leben seines Mitschülers Alfredo)
Im Hintergrund die Klasse von 1967 vom „Colegio Nacional de Buenos Aires“- zwei Schüler dieser Klasse sind nach ihrem Verschwinden nie wieder aufgetaucht.
Auf diese Art stellte Brodsky alle seine MitschülerInnen dar mit kleinen Kommentaren zu deren Leben. Durch die Kommentare wird deutlich, dass die Diktatur bei allen Spuren hinterlassen hat.

Für die Ausstellung benutzte er das Mittel der Fotografie, „da nur sie in der Lage ist, einen Zeitpunkt exakt einzufrieren“.(Brodsky im Buch zur Ausstellung)
„Fotografie spielt eine wichtige Rolle in unserem Bemühen. Fotografie erzählt nicht, sie stellt dar. Wenn ein Foto sagt, dass wir existieren, dann müssen wir existieren. Fotografie steht der Geschichte zur Seite – gegen die Zeit.
Fotografie ist ein verzweifelter Versuch, die Zeit aufzuhalten und Fehler im Ablauf aufzudecken. In jeder Fotografie erscheint das, was nicht mehr ist und nie wieder so sein wird, so als wäre es immer noch da – so wie die lange Blüte der Blume auf der Tapete. (…)
Fotografie ist immer grausam. Sie verdeutlicht ihre eigene Ohnmacht, insbesondere in diesem Fall. (…)
Mir gefällt die Vorstellung, dass die heutige Zeit unter anderem auch aus dieser Konfrontation hervorgegangen ist – aus der Konfrontation dieser Gesichter, die für das Argentinien von damals und von heute stehen und miteinander reden und manchmal sogar, fast ohne es zu bemerken, einen Konsens erreichen. “(Von Martin Caparros, aus dem Buch zur Ausstellung „Buena Memoria“)

Die Ausstellung fand im jüdischen Museum statt. Im Vergleich zu der Gesamtausstellung im Museum ist „Buena Memoria“ nur ein ganz kleiner Teil und voll integriert in den Gesamtzusammenhang des Museums. Für Brodsky selbst spielt seine jüdische Identität zumindest im Rahmen dieser Erinnerungsarbeit keine große Rolle. Nur am Ende des Begleitbuches schreibt er über seine Eltern, die in der Religion und in jüdischen Traditionen in Zeiten der schlimmsten Angst Trost gefunden hatten.

Ist das der alleinige Grund dafür, die Ausstellung dort zu zeigen?
Ein weit gewichtiger Grund dafür, „Buena Memoria“ in den Hallen des jüdischen Museums zu präsentieren ist der Inhalt des Fotoessays an sich. Oder könnten folgende Zeilen von Martin Caparros zu „Buena Memoria“ nicht ebenso von einem während des Faschismus ins Exil Geflüchteten und nach Jahren wieder nach Deutschland Zurückkehrenden stammen?
„Es war eine meiner ersten Begegnungen mit dem neuen Argentinien. Nach sieben Jahren kehrte ich in dieses Land zurück, und es überrasche mich, erzählte mir von seinem Wandel. Dieses Argentinien tat alles, um mich davon zu überzeugen, dass es ein anderes Land war als jenes, das ich einst verließ und das so viele getötet hatte. Das neue Argentinien war das Ergebnis der vielen Toten und deshalb tat es alles, um nicht über das Leben dieser Toten zu sprechen.“ (Martin Caparros, Buch zur Ausstellung „Buena Memoria“.)
Oder ist es gar so, dass Deutschland gar nicht mehr versucht die Zurückgekehrten davon zu überzeugen, dass es ein anderes Land geworden ist? Ja, Deutschland experimentiert mit einem neuen Inhalt von Normalität, gewöhnt sich an Mahn – und Denkmäler, ist wieder gerne katholisch und wählt Faschisten in die Landesregierungen. Vielleicht ist ein Grund dafür, dass zuviel über den Tod der Ermordeten geredet wurde und zu wenig über deren Leben. Der Regierungschef der Stadt Buenos Aires hätte es für Berlin nicht besser ausdrücken können: “Unabdingbar für den Aufbau der Identität eines Volkes oder einer Nation weltweit ist die Erhaltung eines lebendigen kollektiven Erinnerungs-Bewusstseins.“ (Aníbal Ibarra in seiner Eröffnungsrede)


krise als labor

Brüche, Bilder und - Erinnerung - in Berlin und Buenos Aires



Arwed Messmer: “Marx-Engels-Forum", 2003

Sebastián Friedman: „Empleados“ (Angestellte), 2001

Das Foto links ist von dem deutschen Arwed Messmer und trägt den Titel“Marx-Engels-Forum (2003) , das rechte Foto ist von dem Argentinier Sebastián Friedman aus der Serie „Empleados“, Angestellte (2001)
Die Erinnerung und die Kunst der Erinnerung sind auch hier, ähnlich wie bei Brodsky, ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Allerdings wird die Erinnerungskunst von einer anderen Perspektive beleuchtet.
Eine Ausstellung und vier Roundtables fanden in der Rinderauktionshalle des Alten Schlachthofes statt. Die Halle, die im Ostteil der Stadt steht und abgerissen werden soll, ist schon seit längerem ein Ort für Ausstellungen und Projekte - ein Resultat des Umbruchs während der Wendezeit.

Hier ein kleiner Einblick in die Ausstellungsräume: Ein Sofa vor den Bildern Friedmans Aus der Serie „familia y doméstica“ (Familie und Hausangestellte)

An den Hallen selbst ist kaum etwas verändert.
Sie bieten viel Platz für Ideen in reichlich ungemütlicher Atmosphäre.
Außer man tut etwas dagegen. Eine warme Suppe und einen Gasofen, damit die Füße nicht einfrieren, könnten schon etwas tun. Und so war es auch. Fast heimelich wirkte die etwas kleinere Halle, in der das Projekt „krise als labor“ stattfand. Man hatte das Gefühl hier brodelt etwas, und das war nicht nur die Suppe….
Der Alte Schlachthof, genau der richtige Ort um die schöpferische Kraft von Brüchen und Krisen sinnlich zu erfahren.

Im Folgenden werden die Schwerpunkte der dort stattgefundenen Diskussionen zusammengefasst. Daneben werden die Bilder der Fotoausstellung zu „krise und labor“ in den Artikel gestreut. Die Kommentare zu den Bildern sind kursiv geschrieben:

Argentinien befand sich in den letzten Jahren in einer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Krise. 2001 stürzte der Präsident, angesichts der Geschichte des Landes eine schockierende Situation. Dennoch wurde die Krise auch als Chance begriffen. Soziale und kulturelle Räume wurden eröffnet. Auch „die Wende“ in Berlin 1989 war ein Niedergang und zugleich eine Chance neue Freiräume zu entdecken. Andererseits verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation drastisch. Diesen aktuellen Krisen in beiden Städten gehen viele andere voraus.
In „krise und labor“ einem Projekt im Rahmen des 10-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft Buenos Aires und Berlin werden die Fragen gestellt: Was passierte in diesen Krisen, welche kulturelle Räume entstanden, zum Beispiel Vernetzungen, Experimente?
Zum anderen kommt die Frage nach „Erinnerungskulturen“ auf. Welche Erinnerungskulturen haben sich an den Bruchstellen von Vergangenheit und Gegenwart entwickelt? Zum Beispiel gibt es in Buenos Aires eine politische Straßenperformance zur Ächtung straflos gebliebener Kollaborateure der argentinischen Militärdiktatur, die vor deren Häusern stattfindet.
Oder welcher Berliner kennt sie nicht, die Pflastersteine aus Bronze, die vor Haustüren in den Boden eingelassen an diejenigen erinnern, die bis zu ihrer Deportation dort lebten. Diese Beispiele haben sowohl in Berlin als auch in Buenos Aires einen alltäglichen und klaren räumlichen Bezug, zumal viele diese Pflastersteine in Berlin vor Häuser gesetzt sind, die den Krieg überstanden. Welche Bedeutung haben Denkmäler für das Erinnern? Sind es nicht Objekte, an die man sich gewöhnt, deren Bedeutung mit der Zeit bedeutungslos wird, weil sie einfach dazugehören? Keiner, der vorübergeht, denkt noch darüber nach. Ein Denkmal setzt sobald es gebaut ist keinen Prozess mehr in Gang. Es ist leblos.

Für dieses Foto „Baugrube“ bekam Arwed Messmer im Rahmen seiner damaligen Arbeit „Panorama einer Stadt im Übergang“ 1995 den Otto-Steinert-Preis. Auch hier ist Krise und Erinnerung durchaus ein Thema. Die Vergangenheit wird ausgelöscht und dem Erdboden gleichgemacht. Der entstandene Raum wie selbstverständlich wieder gefüllt. Die minutiös funktionierende Kette von Maschine und Mensch, die riesige Baugrube als Landschaft – Zeugnisse der Macht.

Ein weiteres Diskussionsforum beschäftigte sich mit der Frage nach dem „Wir“.
Wer sind wir, Portenos und Berliner? Migration und Ausgrenzung standen dabei im Mittelpunkt. Es wird eine Lateinamerikanisierung von Buenos Aires konstatiert.
In den Neunzigern noch, so Stefan Thimmel in seinem Readerbeitrag, war der Blick von Buenos Aires auf Europa gerichtet. „Jetzt erst scheinen sie zu akzeptieren, dass sie LateinamerikanerInnen sind.“
Uwe Rada, taz-Journalist vertritt die These der „Osteuropäisierung“ der Stadt Berlin. „Berlin ist eine polnische Stadt“ stellt er im ersten Satz seines Beitrages im Reader fest. Dies macht er zum einen an der wachsenden Zahl von Mittel-und Osteuropäern fest, zum anderen an der Art des Wirtschaftens, eine neue Form der Subsistenzwirtschaft, des „Durchwurschtelns“. Sicherlich eine These über die man streiten kann und muss. Das „Durchwurschteln“ und Subsistenzwirtschaft keine allein polnische Erfindung ist, zeigt schon der Bericht von Stefan Thimmel , der davon zu berichten weiß, wie die EinwohnerInnen von Buenos Aires sich in höchster Not zu helfen wussten: ökologischer Gemüseanbau in Stadtgärten, die Schaffung von Tauschringen, selbstorganisierte Stadtteilversammlungen… Vor allem der Tauschring ist eine interessante Sache. Eine zeitlang war das Tauschen von Waren und Dienstleistungen die wichtigste Art des Handelns. Die Menschen entzogen sich so auf eine Art kapitalistischen Verwertungsinteressen und das Selbstbewusstsein wurde gestärkt, ein „Wir“ kristallisierte sich raus. Auch wenn letztendlich von den Strukturen nicht viel übrig geblieben ist, ist es doch so, das die Erfahrung schon ein Wert an sich ist.

Sebastián Friedman, aus der Serie „Empleados“, 2001


Sebastián Friedman, „familia y domestica“ aus der Serie „Empleados“, 2000-2003

Dies ist ein Foto aus der Serie “Empleados“ von Sebastián Friedman (2000-2003) mit dem Untertitel „familia y domestica“(Familie und Hausangestellte)zeigt eine Hausangestellte links an ihrer Arbeitsstelle mit ihrem Arbeitgeber, rechts zu Hause mit ihrer eigenen Familie.

Auch dies hat viel mit Identität zu tun. In vier zusammengetackerten DINA4 Blättern, die für die BesucherInnen der Ausstellung dort ausliegen erklärt uns unter anderem „Hilda“, die Zeit ihres Lebens Hausangestellte ist, warum. Ihr hat man den Namen genommen, weil er sich nicht gut anhört. Die Arbeitgeber (patrones)haben ihr einfach den Namen Hilda gegeben. Das war der Beginn des Verlustes ihrer eigenen Identität. Um so länger sie als Hausangesellte arbeitete, um so mehr verlor sie ihren eigenen Familienhintergrund, bis sie letztendlich zu dem Schluss kam „nach und nach wirst du ausgelöscht“.
In der Arbeit von Friedman scheinen beide Orte, Familie und Arbeitsort gleich zu sein, gleichgut oder gleichschlecht, austauschbar. Das bewirkt die Form der Gegenüberstellung. Dennoch fällt trotz aller Ähnlichkeiten die inhaltliche Kluft beider Fotografien auf. Der Patrone sitzt breitbeinig im Sessel in einem Raum, der eher an die Außenaufnahme einer Feuerleiter erinnert in Kombination mit einem beflaggten Wohnzimmern während der Kolonialzeit. Es ist ein unbehagliches Gefühl, diese vertraute Distanziertheit der beiden. Rechts dagegen die doppelte Umrahmung der Einheit der Familie als Foto und im Rahmen des Fensters, die Liebe, die den Sohn hervorbrachte - an Ende ist doch sie, die Angestellte, diejenige, die auf der Gewinnerseite steht.


Eine Krise als Labor ist keine neue Sache, schon immer hat Not erfinderisch gemacht Dennoch erschleicht einen manchmal das Gefühl, das gesellschaftskritische Momente im künstlerischen und kulturellen Bereich ausgestorben sind. Es war da ein kleines Licht im Schlachthof, ein Gefühl, als würde etwas vorangebracht. Viel zu wenig offensiv kritische Künstler und Künstlerinnen scheinen ihre Arbeiten nach draußen zu tragen.

Das Projekt „Krise als Labor“ bezeichnet sich selbst als Werkstatt. Da ist noch nichts zu Ende. Deswegen bleiben wohl auch mehr Fragen als Antworten.

Auf jeden Fall wird in absehbarer Zeit ein Buch erscheinen mit den beiden Schwerpunkten - Krise und Erinnerung, vermutlich in spanisch und deutsch. Man darf gespannt sein. Wenn es erschienen ist, werden wir es Euch wissen lassen.

silke parth - red / 31. oktober 2004 2003
Falls ihr noch weitere Informationen auch zum Gesamtprojekt braucht, hier die Kontaktseite:
www.iai.spk-berlin.de
oder
www.buenosaires-berlin.com

Es ist ein Reader zum Jubiläumsfest erschienen, der ist zweisprachig spanisch/deutsch, nicht billig und vor allem für Leute, die es genauer wissen wollen. Infos über angegebene Internetseiten. Das Buch zum Fotoessay von Marcelo Brodsky hat den Titel „Buena Memoria“, ist zweisprachig englisch/deutsch und ist im Hatje Cantz Verlag erschienen.




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