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Kupferstich-Kabinett Dresden im Residenzschloß

Eberhard Havekost. Graphik 1999–2004

sowie

Aus der Sammlung: Italienische Landschaften – Photographien des 19. Jahrhunderts


Noch bis 23.1.2005
Geöffnet täglich 10–18 Uhr, dienstags geschlossen

Eberhard Havekost: Windmesser (Bl. 2). 2002.
Handoffset in 4 Farben, 350 x 251 mm (Druck); 404 x 287 mm (Blatt).
Bez. unten: EA, Windmesser (1/2); havekost DD 02
Inventarnummer: A 2004-60
© Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Foto: Werner Lieberknecht


Kunst des Sichtbarmachens

Warum hat ein Kupferstich-Kabinett eigentlich keine ständige Sammlung, die es präsentiert? Das könnte man sich jedenfalls fragen, während man durch das lichte Treppenhaus des restaurierten Dresdner Schlosses zur Sonderausstellung von Eberhard Havekost in den dritten Stock hinaufsteigt, wo nämliche Institution ihren Sitz, ihr Depot und ihre Ausstellungsräume hat.
Daß es penibel zu beachtende konservatorische Richtlinien gibt, die es überhaupt ermöglichen, zum Teil jahrhundertealte graphische Werke auszustellen, ohne daß sie unter UV-Strahlung und allzu intensivem Besucherschweiß leiden, scheint die wenigsten Menschen zu beeindrucken, die derzeit das Dresdner Kabinett aufsuchen. Wo sind denn hier die Kupferstiche, ist die Frage, die auf vielen Gesichtern geschrieben steht. Und da sie augenblicklich nicht beantwortet werden kann, verliert sich das Interesse relativ rasch.

Vom Kupferstich zur Photo-Graphik

Dabei haben die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden mit der Doppelschau, die noch bis 23. Januar 2005 im Kupferstich-Kabinett zu sehen ist, über sämtliche Stränge geschlagen. In den zwei dezenten Dachräumen ist nicht nur die gesammelte Druckgraphik von Eberhard Havekost zu sehen, die der in Berlin lebende Nachwuchskünstler und Dresdner Akademieabsolvent seit 1999 hergestellt hat. Gezeigt wird im hinteren Teil der Räumlichkeiten – und zunächst völlig unsichtbar für den Besucher der Ausstellung – eine Sammlung italienischer Reisefotografien, welche durch die Arbeit der Krupp-Stipendiaten für Fotografie aus dem Bestand des Kabinetts zu einer kleinen Ausstellung aufbereitet wurde.
Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Es ist nicht eben üblich, eine direkte Linie zu ziehen von den Anfängen des Kabinetts, das heute mit seinen über 500.000 Blättern eine der größten Graphiksammlungen Europas besitzt, als fürstliche Kunst- und Wunderkammer, in der Schongauer, Cranach und Dürer gesammelt wurden, bis zu den vielen „photo-graphischen“ Mischformen unserer Tage.
Was die beiden derzeitigen Ausstellungen verbindet, ist gerade die Tatsache, daß beiden die Fotografie zugrundeliegt. Die Bilder, die so namhafte italienische Fotoateliers wie Naya, Alinari oder Anderson zu ihrer Zeit verkauften, waren touristische Aufnahmen, die einem Massenpublikum Auskunft über die Kunststätten Italiens zu geben versprachen. Die gestochen scharfe, braunstichige Schwarz-Weiß-Ästhetik der Albuminabzüge kontrastiert zwar mit den grellen Inkjet- und den stumpfen Handoffsetdrucken von Havekost. Doch liegen auch diesen Drucken Fotografien zugrunde – vielfach Schnappschüsse, aber auch abfotografierte eigene Gemälde, deren Fotoästhetik nicht zu übersehen ist.

Eine Geschichte des Sehens

„Keine Kunst!“ wettert da die Kupferstich-Fraktion unter den Besuchern. Wer sich allerdings ein wenig Zeit nimmt und sich auf die Ausstellungen einläßt, wird bald feststellen, daß hier durch einen glücklichen Zufall eine Art Geschichte des Sehens erzählt wird.

© O. Simon
Zunächst die italienischen Aufnahmen. Sie zeigen die schönsten Plätze Italiens, die der Reiseführerblick parat hält: Venedig, Florenz, Rom, Neapel, Sizilien – allesamt spätestens seit Goethes „Italienischer Reise“ die kanonischen Orte einer jeden Rundfahrt. Der Charakter der Bilder ist je nach den Objekten und Perspektiven verschieden, ob es sich nun um Ausblicke vom Campanile von San Marco, die Aussicht auf die Bucht von Neapel oder einen Straßenzug in Pompeji handelt, der eine Fluchtlinie genau auf den Vesuv zuläßt.
Der Betrachter dieser Bilder wird zum Sehen angeleitet, die Kuppel des Petersdoms über dem Häusermeer, die vier Anblicke der kapitolinischen Venus oder auch die Bucht von Amalfi –immer wird etwas inszeniert, dem Betrachter vor Augen geführt, was übrigens – ein besonderer Kniff der Ausstellung! – seinen Widerhall in den Zitaten alter Baedeker-Reiseführer findet, welche die einzelnen Bilder kommentieren.
Bei Eberhard Havekost, der mit der Graphikschau die bisher größte Einzelausstellung in seiner Geburtsstadt bekommen hat, liegt diese Inszenierung eher in der zum Teil mehrfachen Brechung durch die angewandten Techniken. Sicherlich mag es befremdlich erscheinen, daß da jemand erst ein – ödes, schlichtes, ja langweiliges – Foto von einem Haus macht, nach diesem Foto dann ein Bild malt, welches er wiederum abfotografiert, am Computer ein wenig verfremdet und anschließend mit einem hochwertigen Tintenstrahldrucker ausdruckt. Doch veranschaulicht die Resultate, die Havekost mit so sprechenden Titeln wie „Druck 1“, „Druck 2“ oder gar – ganz postmodern – „Druck Druck“ versehen hat, das Gemachte und Gelenkte eines jeden Blickes.

Das Gemachte eines jeden Blickes

Und so geht es weiter, wobei die Motive nicht immer hinter der Inszenierung, der Machart der Bilder zurücktreten. Kinder, die vor einem Aquarium stehen („Zukunft“), Windschutzscheiben von parkenden Autos („Car Park“), Segel- und Motorflugzeuge (u.a. „Windmesser“) und Autokarosserien, in deren poliertem Lack sich Büsche spiegeln („Mercedes“), gehören ebenfalls zu Havekost Motivarsenal.

Eberhard Havekost: Robotron. 2001.
Handoffset in 4 Farben, 360 x 221 mm (Druck); 407 x 254 mm (Blatt)
Bez. Unten: EA, ROBOTRON; havekost DD 01
Inventarnummer: A 2004-52
© Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Foto: Werner Lieberknecht
Spiegelungen, etwa die einer grauen Häuserfront in einem geöffneten Fenster in „Robotron“ oder die drei Ebenen von „Theke“, wo in den Vitrinenscheiben des eigentlichen Gegenstandes die Straße und in der Fensterscheibe, durch die hindurch die Aufnahme gemacht wurde, der Fotograf selber anwesend ist, unterstreichen noch die subtile Technik des Sichtbarmachens, die Havekost in seinen Graphiken zeigt. Dabei gehören die zuletzt genannten Bilder zu den nach 2001 entstandenen Drucken, die nur noch auf Fotos beruhen.
Es ist – das muß bei allem Lob gesagt sein – trotz der Empathie und Sorgfalt, die die Ausstellungsmacher bewiesen haben, für die Besucher nicht immer leicht, sich auf den „Genuß des Sehens“ einzulassen, den die beiden Ausstellungen bewußt machen. Doch sind es vor allem die Motive, die den Zugang erleichtern. Wer seine Alltagsumgebung mit einem wachen, ethnographischen Blick wahrnimmt, wird vielleicht zu ähnlich poetischen „Einstellungen“ kommen wie Eberhard Havekost. Wer sich als kunstinteressierter Urlauber unter Italien etwas vorstellen kann, dem werden die klassischen italienischen Reisebilder einiges mitteilen und man wird sich über die pittoreske Armut einer Neapler Straßenszene und über die Ziegen vor einem Palazzo genauso wundern können wie über Havekosts Müll-Bilder.
Schade nur, daß durch die Begrenztheit der räumlichen Möglichkeiten im Dresdner Kupferstich-Kabinett weitere Experimente mit Doppelausstellungen vorerst ausgeschlossen scheinen. Es verwundert auch, daß das durchaus nicht unwesentliche Sammlungsgebiet Fotografie, für das sogar von der Krupp-Stiftung eine eigene Stipendiatenstelle geschaffen wurde, von seiten der Staatlichen Kunstsammlungen nicht stärker akzentuiert wird – und das in einer Stadt, die mit den Zeiss-Ikon-Werken und dem VEB Pentacon in ihren Mauern an eine große Vergangenheit anknüpfen kann. Nichtsdestoweniger ist mit der aktuellen Doppelausstellung etwas gelungen, was hoffentlich Zukunft besitzt.


p.w. – red. / 4. Januar 2005
ID 1546
Zur Ausstellung „Eberhard Havekost. Graphik 1999–2004“ ist beim Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln, ein Katalog erschienen; er kostet 19,80 Euro.
Zum besseren Verständnis der Ausstellung „Italienische Ansichten“ zu empfehlen ist der Text von Agnes Matthias: „Vom Souvenir zum musealen Objekt. Reisephotographien des späten 19. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kupferstich-Kabinetts“, der in der aktuellen Ausgabe der Dresdener Kunstblätter (Heft 6, 2004; Preis: 4 Euro) abgedruckt ist.

Weitere Infos siehe auch: http://www.skd-dresden.de






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