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Kunst-Feuilleton / Ausstellung / Besprechungen


Street Art Ausstellung in Berlin

“The Art Of Losing It”


Berlin Juli 2004 Friedrichstraße, U-Bahnhof Oranienburger Tor



Was hier wie eine öffentliche Passage anmutet, die frau nachts lieber meiden sollte, ist in Wirklichkeit der momentane Ausstellungsraum des Street Art Künstlers Nomad.

***

Und mit dem völlig entkernten, nackte Stahlträger tragenden Raum, der vielleicht lieber eine Passage hätte sein sollen, fangen die Querelen auch schon an:

Darf ein Street Art Künstler, dessen Betätigungsfeld auf der Straße liegt, der geradezu angewiesen ist auf Vergänglichkeit, Veränderung und Kommunikation mit dem öffentlichen Raum seine Objekte in einer Galerie – egal wie schmuddelig und heruntergekommen sie auch ist – ausstellen?
Und wenn er es darf, kann er es auch?
Und was macht der Kritiker damit?
Wie beurteilt er die Stickers, Stencils, Poster und Graffities in einem Ausstellungsraum?
Kann er sie einfach ignorieren?

***

Zitat zweier Writers zur Nomad-Ausstellung, gefunden im Netz:

„ich versteh das immer nicht ganz. erst machen alle street art dudes ein auf: ‚ähhh wir brauchen keine gallerien und museen, die strasse ist unser feld’.... und dann wollen sie natürlich doch da rein. in einen raum, in galerieform zu den ach so verpönten ‚elitären künstlern’. fuck streetart-hype. die sind alle unglaubwürdig und nicht wirklich relevant.“


„ja da kann ich nur zustimmen. letzendlich sind von der ganzen streetart nur 1 prozent wirklich relevant und sind nicht nur bunte bildchen und nette stencils. streetart ist total gehyped und völlig zu unrecht. sie wird nie wirklich die strasse ändern und nur minimal einen beitrag leisten können...ausser den characters, grafitties als grafisches element.
ja fuck streetart. produce content.”

***

Auf der Straße klebt und malt jeder, was er will, kunstkritische Momente sind hier nicht angebracht und das ist auch gut so. Die Beurteilung findet vom Volke statt, so die Werke gesehen werden, meistens in Form von haufenweise seriellen Anfertigungen, die sich dann doch einprägen.
Aber in Rahmen einer Galerie wird alles anders: Der Charakter der Objekte, die Zielsetzung der Objekte, die Intention des Künstlers sowie die Wirkung auf die Betrachtenden.
Die Galerie reißt die Kunstwerke aus dem alltäglichen Zusammenhang, macht sie zu etwas Künstlichem - und zwar jede Art von Kunstwerken, wenn auch im Besonderen die Street- und Urban-Art. Die Galerie wird zur Konservatorin. Ars longa, vita brevis, die Kunst währt lang, das Leben ist kurz (Hippokrates). Das wiederum ruft den theoretisch versierten Kritiker, der nur in der Galerie seine Existenzberechtigung findet, auf den Plan. So schließt sich zumindest dieser Kreis …

Die Skull-Eier (Totenkopfeier) werden vom Urwurm geworfen um dann als Raketen gen Erde zu fliegen.
Mr. Friendly steuert das Ganze.



Nomad dazu:
„Ich sehe die Chance in einer Galerie auszustellen als eine Chance Menschen dazu zu inspirieren, die Straße und ihre Bilder und Schriften zu lesen.“
So auch die OrganisatorInnen der Ausstellung (raumcommander):
„Die Ausstellung im geschlossenen Raum soll eine Brücke zu den Objekten draußen sein.“

„The Art Of Losing It“ ist eine Reflexion, eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte als Street Art Künstler und eine Auseinandersetzung mit dieser Form von Kunst. Alle Objekte sind für den speziellen Raum geschaffen, kleben an dem abbröckelnden Putz oder sind gar in diesen eingeritzt, sind aber keine Exponate, die man käuflich erwerben oder transportieren kann. Nur die Photos sind in Rahmen gefasste Dokumente seines internationalen Schaffens:

100% Street Brewed / Everwanting Streets / Göteborg, Sweden 2004



“The Art Of Losing It” ist Nomads Nachdenken über sein ständig wiederkehrendes Thema, das Vergängliche, die Einheit von Geburt und Tod, symbolisiert in seinen Skull-Eiern, der Symbiose von Eigelb und Eiweiß mit dem Totenkopf. Übrigens findet sich ein ähnliches Thema im oberen Bild mit Reggie, dem Totenkopfhasen, Symbol für Fruchtbarkeit und Tod.


Rechts:Das Skull-Ei in seiner Vollendung…



In Berlin hat sich Street Art seit der Ausstellung über internationale Street Art 2003 im Bethanien endgültig durchgesetzt. Street Art Künstler waren international vertreten und zeigten in der ganzen Stadt ihre Werke. Immer häufiger sieht man Jungs und Mädels in den frühen 20ern, die ganz offensichtlich aus dem nahe liegenden Youth Hostel kommen und mit Photoapparat bewaffnet die Stickers, Poster und Graffities ablichten.
Street Art hat also das geschafft, wonach auch die MacherInnen der Ausstellungen streben:
Schaut nicht nur ständig auf die Hundescheiße vor Euren Schuhen, schaut Euch wieder genauer um, nehmt wieder wahr.

gesehen in Barcelona
„die naiv-putzigen Protagonisten setzen Gewalt Zärtlichkeit entgegen“ (raumcommander)



Nach dem Ende der Ausstellung sollen die Werke mit Farbe übertüncht werden, als Gemeinschaftsprojekt der AusstellungsmacherInnen „raumcommander“, vielleicht als Beleg ihrer Glaubwürdigkeit? Oder ist es einfach nur die logische Konsequenz aus dem Thema der Ausstellung? Wäre es nicht logisch konsequenter die Sachen sich selbst zu überlassen, ganz so wie auf der Straße? Es ist wohl “The Art Of Losing It“ und die uralte Frage, was war zuerst da: „das Skull oder das Ei?“

Mr. Friendly, das war Nomad lange vor dem Skull-Ei



w.p. - red. / 18. Juli 2004

Ausstellung kann besucht werden vom
14. Juli 2004 – 28. Juli 2004
Dienstag bis Freitag 16-20 Uhr, Samstag 14-18 Uhr
Friedrichstraße 112, U-Bahnhof Oranienburger Straße, Eintritt frei

 



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= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


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