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Stiefkind des Monats - Februar 2002


Kopfjagd - Preis der Angst
(Le prix du danger)


Frankreich/Jugoslawien 1982
Regie: Yves Boisset
UFA-Video


Um die seitens der Leserschaft möglicherweise gehegte Vermutung zu entkräften, ich würde mich in dieser Rubrik hier bevorzugt mit künstlerischen Grenzfällen mediterraner Herkunft befassen, trifft' s heute zur Abwechslung mal nicht die Italiener, wenn der Großteil deren filmischen Wirkens auch reichlich Material für beinahe unzählige "Stiefkinder" bieten würde - nein, jetzt sind ausnahmsweise die Franzosen dran, die für nachfolgendes Werk mit dem für seine burlesken Politparabeln berüchtigten Balkan kollaborierten, oder besser gesagt: kollabierten. Man verzeihe mir diesen recht schmerzhaften Kalauer, aber das bringt die Sache schon ziemlich genau auf den Punkt. Es geht um das von tumben Dauerglotzern bevölkerte Europa in nicht allzu ferner Zukunft, und die Ursache für jene Entwicklung der Sehgewohnheiten auf Kosten der intellektuellen Ressourcen ist in einem live übertragenen, äußerst erfolgreichen Unterhaltungsformat namens "Le prix du danger" zu sehen, welches mit einem relativ leicht verständlichen Regelwerk ausgestattet ist - es handelt sich nämlich um einen Wettkampf auf Leben und Tod. Ein wohlgemerkt freiwillig teilnehmender Kandidat wird von mehreren ebensolchen, dem bürgerlichen Lager repräsentativ entstammenden Feierabendkillern gehetzt, und wenn er das vier Stunden lang durchhält, dann bekommt er eine Million Dollar ausbezahlt, was irgendwie nicht so ganz logisch ist, denn die Handlung spielt in Frankreich. Diesmal hat der produzierende Sender die Rechnung aber ohne das scheinbar chancenlose Opfer gemacht: Der junge Mann fährt mit den Verfolgern ordentlich Schlitten und deckt manche, für den heimischen Betrachter unsichtbare Schiebung auf. Künftige Ausstrahlungen wird das allerdings nicht beeinflussen, denn am Ende beseitigt man den mißliebigen Zeugen des Unlauteren ganz einfach unter Zuhilfenahme der Staatsgewalt.

Es dürfte nun wohl kein Geheimnis mehr sein, daß der Geschichte Robert Sheckleys visionärer Roman "The Prize Of Peril" aus dem Jahre 1958 zugrundeliegt, der im übrigen bereits mehrfach - und jeweils erheblich besser als hier - adaptiert wurde: Unter anderem bedienten sich des brisanten Stoffes schon Wolfgang Menge und Elio Petri, letzterer mit dem angenehm bizarren "Das zehnte Opfer". Auch der ehemalige Seriendarsteller Paul Michael Glaser fledderte die Vorlage kräftig für seinen "Running Man", und obgleich jener Neon-Alptraum aus den späten Achtzigern eigentlich nur ein Vehikel für Arnold Schwarzeneggers physische Präsenz gewesen ist, war er doch um Längen überzeugender als "Kopfjagd - Preis der Angst" - denn bei diesem stimmt beinahe nichts und fast alles wurde falsch gemacht. So steht das Gezeigte mit den mutmaßlichen Intentionen des auch ansonsten überwiegend glücklosen Regisseurs Boisset auf Kriegsfuß, kann er sich doch einfach nicht entscheiden, ob er jetzt die ungehindert wuchernden Auswüchse des Medialen geißeln will oder doch lieber ein relativ derbes Actionstück präsentieren möchte. Ob dieser Unentschlossenheit zerspringt der Film dann auch in mehrere Stücke, wobei in den dialoglastigen Passagen vorzugsweise ermüdende Sozialkritik geübt wird - Nachhilfe in Staatsbürgerkunde gibt' s obendrein gratis. Die mimischen Leistungen wirklich aller Beteiligten beschränken sich entweder in bloßer Anwesenheit oder Chargieren um Kopf und Kragen, was insbesondere auf den grundsätzlich keineswegs unbegabten Michel Piccoli in der Rolle des diabolischen Showmasters zutrifft - dermaßen grotesk agierend hat man den Mann noch nie gesehen, seine Mitwirkung an besagtem Opus wird ihm auf Ewigkeit eine Ehrenloge im Olymp des Trashkinos sichern. Ja, und erst der von Gérard Lanvin dargestellte und durch Manfred Lehmann synchronisierte Held! Dieser ist ein visuell wie akustisch gleichsam ekelhafter Kotzbrocken, bei dessen Anblick man sich permanent fragt, wo denn bitteschön das ihm seitens der übrigen Protagonisten schon beinahe hysterisch nachgesagte Charisma abgeblieben sein mag - wenn er endlich mittels Zwangsjacke hoffentlich dauerhaft entsorgt wird, dann kann sich der Zuschauer eines befreienden Gefühls der Erleichterung jedenfalls nicht so ohne weiteres entziehen.

dd - red / 17. Februar 2002


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