Filmstart: 10. November 2005
Schattenväter
Deutschland 2005
Regie/Drehbuch: Doris Metz
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Schattenväter - ein interessanter Titel für einen Film und zugleich ein Begriff, mit dem sich die unterschiedlichsten Väter assoziieren lassen. Es ist aber auch ein melancholisches Wort, gerade für einen Sohn, der aus seiner Sicht glaubt, das eines dieser Assoziationen auf seinen Vater passt: der Dominante, der Erfolgreiche, der Unnahbare, der Fremde, der Lieblose. Ob Preußenkönig Friedrich der Große, Schriftsteller Franz Kafka oder die zahlreichen nicht bekannt gewordenen Söhne dieser Welt, sie alle standen unter dem Eindruck eines übermächtigen Vaters. Einiges aus der Aufzählung trifft auch sicherlich auf die beiden im Film immer präsenten, inzwischen jedoch verstorbenen Väter zu, dessen Söhne Doris Metz in ihrem ersten Kinofilm zu Wort kommen lässt.
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Pierre Boom
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Zwölf und siebzehn Jahre waren Matthias Brandt und Pierre Guillaume im Frühjahr 1974, als Willy Brandt von seinem Amt als Bundeskanzler zurücktreten musste, nachdem sich herausgestellt hatte, dass sein persönlicher Referent Günter Guillaume ein DDR-Spion war. Fast 30 Jahre nach diesem politischen Ereignis begleitet Doris Metz die beiden Söhne an die Orte ihrer Vergangenheit und befragt sie nach ihren persönlichen Erinnerungen, ihrem Leben nach der Spionageaffäre und über das Verhältnis zu den Vätern.
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Matthias Brandt
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Während Matthias Brandt durch die leer stehenden Räume der ehemaligen Kanzlervilla geht, beschreibt er in vielen kleinen Sequenzen sein Leben als Sohn des Bundeskanzlers. Sein Vater, sagt er, sei ein Naturereignis gewesen. Einer, der nun mal nicht veränderbar gewesen sei. Alles Leben hätte sich also um ihn herum arrangieren müssen. Man erfährt sehr viele Details über Willy Brandt – dessen politisches Leben zwar sehr bekannt ist, doch die private Seite nicht mal für den eigenen Sohn zugänglich war. Matthias Brandt, der zwischen seinen Erinnerungen fast wie der einsamste Mensch der Welt wirkt, sagt von sich selbst, dass er erst als Schauspieler auf der Bühne jene Geborgenheit gefunden hat, die er zuhause immer vermisst hat.
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Pierre Guillaumes Reise in die Vergangenheit beginnt mit seiner Schilderung von der Verhaftung seiner Eltern, die für ihn den Verlust von Vertrautheit, Jugend, Familie und eine schwerwiegende Änderung seines bisherigen Lebens bedeuteten. Als Spion hatte sich Günter Guillaume verpflichtet, seine wahre Identität niemandem preiszugeben, auch nicht in der eigenen Familie. Aus diesem Grund fühlt sich Pierre Guillaume als Sohn auch irgendwo um seine Kindheit betrogen: Seine Existenz sollte das Leben der unauffälligen bürgerlichen Familie unterstreichen und abrunden, das sein Vater brauchte, um seine wahre Identität zu verheimlichen. Was als Familie dargestellt wurde, war eigentlich eine Tarnung, eine Inszenierung und ein Leben an der Grenze eines Missbrauchs.
Auch wenn Matthias Brandt behauptet „Pierre und ich haben ja in dem Sinne gar keine gemeinsame Geschichte, finde ich. Es gibt die Geschichte unserer Väter. Es gibt nicht so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft, sondern zwei zur gleichen Zeit sehr verschieden gelebte Leben.“, so gibt es doch sehr viele Parallelen in ihrer weiteren Entwicklung. Beide Söhne gehen innerlich und räumlich auf Distanz zu ihren Vätern und möchten nicht über sie definiert werden, da sie selber nicht in der Lage sind, ihre Väter zu definieren.
Matthias Brandt sieht seinen Vater erst an seinem Sterbebett wieder und Pierre Guillaume, der den Familiennamen seiner Mutter angenommen hat, erfährt später von Dritten, wo das Grab seines Vaters liegt. Erst dort bemerkt er, dass auch sein Vater mittlerweile den Familiennamen Guillaume abgelegt hat und somit nun auch die letzten Spuren der früheren Familie nicht mehr existent sind.
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Doris Metz
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Durch jedes Erinnerungspuzzle der Söhne wird dem Zuschauer schnell klar, dass das Sein hinter dem Schein eine sehr traurige Geschichte war. Gleichzeitig freut man sich darüber, dass auch eine neue Generation von Vätern in diesem Land heranwächst. Eine Generation, die neben dem beruflichen Erfolg auch das private Glück sucht und sich dafür engagiert, dass das Familienleben auch mit einen Mittelpunkt des Daseins bildet. Mögen viele Kinder in solche liebevollen und authentische Familien reingeboren werden, die fern jeder Inszenierung und Manipulation gelebt werden.
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Mensure Rüffer - red. / 8. November 2005 ID 00000002118
DORIS METZ – Buch und Regie
Geboren 1960 in Oberstdorf/Allgäu. Lebt in München. Studium der Germanistik und Politik. Volontariat bei der Süddeutschen Zeitung. Regie- und Produktionsassistenzen bei mehreren Spielfilmen. 1989 bis 1998 Redakteurin und Autorin der Süddeutschen Zeitung im Bereich Medien/Innenpolitik. Nach dem Mauerfall: 1990/91 Berichterstatterin der Süddeutschen Zeitung in Sachsen und Thüringen. Seit 1998 Autorin und Regisseurin von Dokumentarfilmen. Mehrfach Jurorin beim Adolf-Grimme-Preis, der Duisburger Filmwoche und dem Münchner Dokumentarfilmfestival.
Fernsehfilme:
¨ Zwischenland - Eine Reise in den muslimischen Norden Griechenlands (1996)
¨ Lesbos – Insel der Zehnten Muse (1998, Nominierung Grimme-Preis)
¨ Die Wolfs – Eine deutsche Familiengeschichte. Ein Film über Markus Wolf, den ehemaligen Spionage-Chef der DDR und seine Familie (2000)
¨ Ich werde reich und glücklich (2002)
Kinofilme:
¨ Schattenväter (2005)
Schattenväter
Deutschland 2005
Regie/Drehbuch: Doris Metz
Kamera: Sophie Mainigneux
Schnitt: Gaby Kull-Neujahr
Musik: Markus Stockhausen
Verleih: movienet film
Länge: 93 Min.
Filmstart: 10. November 2005
Weitere Infos siehe auch: http://www.movienetfilm.de/schattenvaeter/
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