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seit 13. Oktober im Kino



Gewaltstudie: A History of Violence. Ein Film von David Cronenberg



Cronenbergs neuester Film berichtet vom gnadenlosen Einbruch der Gewalt in die idyllische Welt einer amerikanischen Kleinstadt und zeigt, dass man hierfür nicht lange an der Oberfläche kratzen muss.

Millbrock, Indiana: Der Familienvater und Dinerbesitzer Tom Stall (Viggo Mortensen) lebt mit seiner Frau Edie (Maria Bello) und seinen zwei Kindern friedlich in einem kleinen Städtchen im mittleren Westen der USA. Alles ist scheinbar im Lot – auf den Sohn haben es zwar ein paar stereotype Schläger seiner Highschool abgesehen, der Konflikt scheint jedoch zu banal zu sein, um das Idyll, in dem die Eltern neben einem ausgewogenen Verhältnis zu ihren Kindern und ihrer Umwelt auch noch Platz für eine liebevolle Beziehung zu einander finden, nachträglich zu stören. Nur die erste Sequenz des Films, in der ein Kind von einem Desperado erschossen wird, lässt vorab vermuten, das es bald zu einer massiveren Störung kommen könnte. Als der Hauptdarsteller vom Sofa hochschreckt, wird die Episode jedoch vorerst als Traumsequenz entlarvt....

Ein Wendepunkt und der erste wirkliche Einbruch in das vorab gezeichnete Idyll ist ein Überfall auf Tom´s Diner, bei dem ein Gast mit dem Tod bedroht wird. Hier zeigt der Hauptdarsteller nicht nur, dass er in der Lage ist, sich zu wehren, sondern auch, die Situation mit brutalerer Sicherheit und Präzision in die Hand zu nehmen. Die beiden Räuber werden von Tom mit ihrer eigenen Waffe erschossen.

Tom Stall (Viggo Mortensen) weiß sich erschreckend gut zu wehren und erschießt kurzerhand zwei Männer, die seinen Diner überfallen
Tom wird zum Medienstar und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Bald suchen Männer in dunklen Autos und Anzügen, „Ortsfremde“ also, das Städtchen auf, um Tom, den sie mit „Joey Cusack“ ansprechen, einen Besuch abzustatten. Hat sich der Familienvater vielleicht für jemand Anderen ausgegeben und seine Familie um seine wahre Identität betrogen? Hat der männliche Protagonist gar eine dunkle Vergangenheit, die ihn nun einholen wird?
Das mag nach der Ausgangssituation für einen spannenden Plot klingen, andererseits aber auch wieder nicht. Denn: Wie viele Filme mit dieser oder einer ähnlichen Thematik gibt es denn schon auf Celluloid? Doppelleben und/oder zweifelhafte Identität, „Killer“ versus „Gutmensch“, am besten alles in einer Person - ein oft verwendetes Motiv. Also sitzt man, hat man die Vorschau nicht gelesen, eventuell noch hoffnungsvoll im Kino und wartet auf eine andere Wendung: Diesmal irren sich die Ortsfremden. Hier kommt noch ein Clou.
Die Hoffnung bestätigt sich nicht und man kann ohne Skrupel verraten: Der nette Tom Stall hatte tatsächlich ein Vorleben als gewalttätiger Joey Cusack. Noch dazu war er brutaler als die meisten anderen seiner verbrecherischen Bekannten. Zum Beispiel hat er versucht, dem Gangster Carl Fogarty (Ed Harris) das Auge mit Stacheldraht zu entfernen, was unter anderem erklärt, warum dieser ihm so massiv nachstellt.

Carl Fogarty (Ed Harris) kennt Tom von früher und will sein vorheriges Ich enthüllen
Als sich auch für die Familie herausstellt, dass die Männer, die Tom aufsuchen, die Wahrheit sprechen, muss der Protagonist handeln. Um seine neu aufgebaute Existenz zu bewahren, zieht er nun aus, um den Drahtzieher dieser Heimsuchung zum Schweigen zu bringen: Seinen Bruder (William Hurt). In einem Showdown mit teilweiser unfreiwilliger(?) Komik, in dem sich sein Bruder beispielsweise aus dem eigenen Haus aussperrt und sich Toms Rache dadurch nahezu ausliefert, bekämpft der Protagonist seine ehemaligen Bekannten und gegenwärtigen Widersacher und damit seine Vergangenheit.

Aktuelle Bezüge zur Waffengesetzgebung in den USA

Die vielleicht ironische Darstellung im letzten Absatz spiegelt aber nur eine Lesart des Filmes wieder. Cronenberg nimmt sich auch einer Thematik an, die in Amerika nicht nur Tradition hat sondern auch Aktualität in den Medien besitzt: Der Selbstschutz des kleinen Mannes und das Recht für jeden, eine Waffe zu tragen und diese zu ziehen, wenn es notwendig ist. Dass die Einschätzung einer solchen Situation natürlich sehr subjektiv ausfallen muss, hat erst kürzlich wieder für Diskussionen gesorgt, als in Florida ein neues Gesetz in Kraft trat, das von Gouverneur Jeb Bush unter Mitwirkung der Waffenlobbyisten, der National Rifle Association (NRA), gebilligt wurde. Diese gibt nun tatsächlich jedem das Recht, eine Waffe zu ziehen, der sich in der Öffentlichkeit bedroht fühlt. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, kann der Film sicherlich anders diskutiert werden. Cronenberg zeigt, wie schnell in einem Städtchen wie Millbrock Waffen bei der Hand sein können; er präsentiert ein rasantes Wechselspiel zwischen Gewalt und Idyll und führt uns wieder einmal die vielzitierte Doppelmoral der Amerikaner vor Augen. So gesehen hat der glatte Plot, der hart an der Realität bleibt, wiederum Berechtigung - als Gewaltstudie ohne verklärende Symbolik.

Edie (Maria Bello) und Tom (Viggo Mortensen) müssen sich Tom`s Vergangenheit stellen
Interessant ist in jedem Fall, wie sich die Liebesbeziehung der beiden Protagonisten unter den genannten Voraussetzungen entwickelt und verändert. Der liebevolle Ehemann plötzlich ein Killer und Lügner? Dem Unbesprechbaren gibt Cronenberg unter anderem folgendes Ventil: Die Sexualität.
Das Schauspiel von Viggo Mortensen und Maria Bello macht den Film auf alle Fälle sehenswert.


Friederike Schwabel, 24. Oktober 2004
ID 00000002082
A History of Violence/USA 2005, 96. Min.
Regie: David Cronenberg
Darsteller: Maria Bello, Viggo Mortensen, Ed Harris u. a.
seit 13. Oktober in den deutschen Kinos

Weitere Infos siehe auch: http://www.historyofviolence.com






 

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