„Before Sunset“
(USA 2004)
Regie: Richard Linklater
Starttermin: 17. Juni 2004
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Eine zufällige Begegnung und ein paar Stunden gemeinsam verbrachte Zeit können das ganze Leben verändern. - Oder auch nicht! Als sich Jesse (Ethan Hawke) und die Französin Céline (Julie Delpy) 1995 in Wien ineinander verlieben, wollen sie sich in sechs Monaten dort wieder zu treffen. So endet 1995 Richard Linklaters Film „Before Sunrise“, für den er damals den Silbernen Bären auf der Berlinale erhielt. Das ist jetzt neun Jahre her, im Film wie auch im wirklichen Leben.
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Ethan Hawke in Before Sunset
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In „Before Sunset“ (2004) ist Jesse inzwischen Schriftsteller geworden und hat seinen ersten Roman veröffentlicht, in dem er, wen wundert’s, seine Wiener Romanze thematisiert. Als er in der Pariser Kultbuchhandlung „Shakespeare & Co“ eine Lesung hält, erkennt er im Publikum seine einstige Jugendliebe Céline wieder. Bis zu seinem Rückflug in die Vereinigten Staaten hat er noch eine Stunde Zeit. Die beiden beschließen, einen Kaffee trinken zu gehen. Die Kamera begleitet sie durch die Straßen von Paris, in einem Café und auf all ihren Unternehmungen. Paris, als Stadt der Liebe, wird zur dritten Hauptfigur. Gedreht wird in Echtzeit, es gibt also keine Zeitsprünge. Die Uhr für die rund 65 Minuten Zeit, die sie für sich haben, tickt in der filmischen und in der tatsächlichen Wirklichkeit also immer mit. Die beiden haben sich viel zu erzählen. Vor allem müssen sie klären, wer die zweite Verabredung in Wien nicht eingehalten hat, so dass sie sich aus den Augen verlieren mussten.
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Ethan Hawke und Julie Delpy in Before Sunset
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Beide haben sich verändert. Sie sind reifer geworden und die Dinge des Lebens sind nicht mehr so neu und einzigartig, wie sie den Jugendlichen von damals erschienen. Céline arbeitet als Umweltschützerin und lebt in einer festen Beziehung. Jesse ist Schriftsteller, Ehemann und Vater. Über den Gesprächen der beiden schwebt die Frage, ob sie die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Was wäre, wenn sie sich damals wiedergesehen hätten und zusammen geblieben wären? Sie unterhalten sich über Literatur, Umweltschutz, politische und gesellschaftliche Themen. Doch dann wird ihr Gespräch immer intensiver. Sie erzählen von ihren Wünschen und Träumen, ihren Zweifeln und Beziehungskrisen. Es kommt zu einer Art Lebensbeichte. Während die beiden in Célines Wohnung eine CD hören, wartet draußen Jesses Chauffeur. Die Zeit ist abgelaufen! Wenn Jesse sein Flugzeug erreichen will, muss er JETZT gehen.
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Ethan Hawke und Julie Delpy in Before Sunset
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Schon während der Dreharbeiten 1995 entstand die Absicht, eine Fortsetzung zu „Before Sunrise“ zu drehen. Linklater, Hawke und Delpy haben gemeinsam an dem Drehbuch für die Fortsetzung gearbeitet. „Before Sunset“ ist ein fast pausenloser Dialog, der zufällig und improvisiert wirkt. Die Autoren haben aber jede Zeile vorher genau festgelegt. Manche Einstellungen sind mehrere Minuten lang ohne Schnitt gedreht. Das ist für einen Spielfilm eher ungewöhnlich, bei dem meist alle paar Sekunden ein Schnitt folgt. Allein durch die gegebene Einheit von Zeit und Ort entsteht eine Authentizität, die man auch als eine besondere Art von Realität bezeichnen könnte. Auch die Spontaneität des Spiels von Hawke und Delpy verleiht dem Film eine gewisse Echtheit. Für diejenigen Zuschauer, die 1995 den ersten Teil gesehen haben, entsteht ein Effekt wie bei einem Klassentreffen. Der Zuschauer kann anhand des thematisch weit gestreuten Gespräches der beiden seine eigene Entwicklung beobachten. Welche der Erfahrungen in Bezug auf Politik, Umwelt und Beziehungen hat er ähnlich erlebt, von welchen kann er sich absetzen. Linklater gelingt damit ein fließender Dialog mit dem Publikum, der zwar einseitig bleibt, doch in seiner Spiegelfunktion sehr reizvoll ist.
Richard Linklater gehört zu den führenden unabhängigen Filmemachern der Vereinigten Staaten. Er wurde 1960 in Austin, Texas geboren und gründete schon 1985 die Austin Film Society, in der jährlich rund 100 internationale Filme gezeigt werden, die ansonsten keine Chance gegen die amerikanischen Blockbuster hätten. 1999 wurde die Society für ihr Engagement von der Directors Guild of America, der Gewerkschaft der Regisseure, mit dem National Honoree Award ausgezeichnet. Mit Ethan Hawke und Julie Delpy hat Linklater schon mehrfach zusammen gearbeitet. Mit „Before Sunset“ ist dem Team auf jeden Fall ein künstlerisch wertvoller Film gelungen, dem vermutlich auch ein kommerzieller Erfolg beschieden ist.
h.f. - red / 16. Juni 2004
Siehe auch:
www.warnerbros.de/movies/beforesunset/
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