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Filmbesprechung


Starttermin: 09.02.2006

Die wilden Hühner

Regie: Vivian Naefe
Nach dem Roman „Fuchsalarm“ von Cornelia Funke
ISBN Buch 3-791504703
Dressler Verlag, Heidelberg


„Fuchsalarm“ ist die höchste Alarmstufe der Mädchenbande „Die wilden Hühner“. Und als Bandenchefin Sprotte ihn auslöst, wissen alle Eingeweihten, dass es um Leben und Tod gehen muss. Richtig vorstellen können sich das 12jährigen Schulkameradinnen nicht so ganz. Aber es stimmt. Sprottes Oma Slättberg will tatsächlich ihre Hühner schlachten lassen. Dabei sind die Hühner doch das Maskottchen der Bande. Da alles Bitten und Flehen nichts geholfen hat, bleibt nur eins. Die Hühner müssen entführt werden. Die Mädchen sind aber nur zu fünft. Da schaffen sie es wohl kaum, 15 gackernde Hühner unauffällig und möglichst geräuschlos aus dem Stall zu stehlen. Auch die Frage der geheimen Unterbringung des Federviehs ist noch ungelöst. Die wilden Hühner müssen aber handeln, bevor der Schlachter kommt. Es bleibt ihnen nichts übrig, als die verfeindete Jungenbande aus ihrer Klasse um Hilfe zu bitten. Dabei sind die „Pygmäen“ doch ihre Lieblingsfeinde und die beiden Banden spielen sich ständig Streiche. Die Pygmäen sind aber gar nicht so doof, und machen beim Hühnerklau mit. Das Glück hält an: Trudes Vater hat ihr gerade einen alten Wohnwagen vererbt, der auf einem abgelegenen Grundstück steht. Damit haben die wilden Hühner endlich ihr lang ersehntes Hauptquartier und genug Platz für den Hühnerstall.


Hühner und Pygmäen spielen sich Streiche


Die Hühnerdiebe kommen fast unbeschadet davon, obwohl Oma Slättberg (Doris Schade) ahnt, dass ihre Enkeltochter dahinter steckt. Irgendwann muss Sprotte (Michelle von Treuberg) dann ihre allein erziehende Mutter einweihen. Die arbeitet als Taxifahrerin und hat gerade Liebeskummer. Sie ist wieder mal an den falschen Typen geraten und heult ständig, weil der sie verlassen hat. Den Rettung der Hühner findet sie allerdings toll und ist richtig stolz auf ihre Tochter. Da vergisst sie sogar für einen Moment, dass sie nach Amerika auswandern will, (als ob da das Taxifahren oder die Männer besser wären).


Frieda (Lucie Hollmann) ist von ihren Eltern abgenervt


Nun stehen die wilden Hühner bei den Pygmäen in der Schuld. Die Jungenbande hat schon seit drei Jahren ein eigenes Hauptquartier. Es ist ein echtes Baumhaus, das sie mit viel Einsatz und Sorgfalt eingerichtet und verschönert haben. Da sind ausgerechnet die Mädchen die Verkünder der schlechten Botschaft. Das Gelände wird planiert, weil ein Schrottplatz erweitert wird. Das ist das Aus für die Bäume, den schönen Froschteich und das Baumhaus. Für die Jungs bricht eine Welt zusammen, und Willi (Vincent Redetzki) fängt in einem Wutanfall an, das Baumhaus zu demolieren. Die schöne Melanie (Paula Riemann) aber kann ihn zur Vernunft bringen. Aber lange kann sich Willi, der schlagkräftigste der Bande, nicht bremsen, er rennt zu dem Schrottplatz, auf dem die Planierbagger schon stehen und demoliert einen davon. Der Schrotthändler erkennt ihn und ruft ihm das auch zu. Damit ist es klar. Willi kann nicht nach Hause. Sein Vater ist gewalttätig. Nach der Nummer mit dem Bagger kann Willi auf keinen Fall nach Hause zurückkehren. Er läuft davon und bleibt unauffindbar. Da er nicht nach Hause gekommen ist, taucht Willis Vater auf dem Schulhof auf und geht auf die Pygmäen los. Als sich Sprotte da einmischt, fängt sie eine Ohrfeige ein...


Das Baumhaus der Pygmäen ist in Gefahr

„Die wilden Hühner“ ist im wesentlichen die Verfilmung von Cornelia Funkes drittem Buch über die beliebte Mädchenbande. Zur Verständlichkeit wurden Ereignisse aus den ersten zwei Bänden mitverwendet. Viele der Dialoge sind Originalzitate aus dem Buch, weil die so prägnant und realistisch sind. Überhaupt zeichnen sich die Buchreihe und der Film durch Wirklichkeitsnähe aus. Keines der neun Kinder verfügt über magische Kräfte oder ungewöhnliche Eigenschaften. Sprotte, die Bandenchefin, findet Jungs doof. Nach den schlechten Erfahrungen, die ihre Mutter und ihre Großmutter mit Männern gemacht haben, ist das schon Familientradition, und sie kann den Bandenchef der Pygmäen (Jeremy Mockridge) zunächst nicht ausstehen. Melanies Familie muss in eine kleinere Wohnung ziehen, weil der Vater arbeitslos geworden ist. Sie muss nun ein Zimmer mit ihrer Schwester teilen. Trude (Zsa Zsa Inci Bürkle) hat mit überflüssigen Pfunden zu kämpfen, und Frieda (Lucie Hollmann) muss ständig auf ihren kleinen Bruder aufpassen, seit ihre Mutter einen Halbtagsjob hat. Bei den Jungs ist es die Figur des Willi, der in einen sozialen Kontext gesetzt wird. Im Vordergrund steht dabei Willis gewalttätiger Vater (Axel Prahl). Nur Steve (Philip Wiegratz), Torte (Martin Kunz) und Wilma (Jette Hering) haben ein annähernd vernünftiges Elternhaus.

Da fast alle Erwachsenen Brüche und Schwächen haben, sind die Krisensituationen, in die die Kinder geraten, besonders schwer. Sprotte verheimlicht ihrer Mutter viele Dinge, um sie zu schonen, da die schon mit sich allein nicht zurecht kommt. Die Rolle der Mutter wird trotzdem sehr sympathisch von Veronica Ferres gespielt. Willi wird von seinem Vater geschlagen, ohne dass irgendein Erwachsener eingreift, obwohl es alle wissen. Einzig die Klassenlehrerin Frau Rose (Jessica Schwarz) setzt sich mutig für die Kinder ein und ist für Sprotte auch ein Vorbild. Ansonsten sind die erwachsenen Vorbilder eher rar gesät. Um so beeindruckender sind die Kinder, die sich erfolgreich gegen Hühnermörder und Kinderschläger zu wehren wissen. So machen wenigsten die Kinder eine Zeit der Reifung durch.

Interview mit den fünf Kinderdarstellerinnen


Kultura extra:
Michelle (Sprotte), wie findest Du den Charakter deiner Mutter im Film?

Michelle von Treuberg
Ich glaube, wenn ich wirklich so leben würde wie sie, wäre das schon ganz cool. Aber man muss sich auch damit wohlfühlen, wenn da so gar nichts geplant ist. Auf die Dauer ist das vielleicht nicht so toll. Ich wäre auch nicht so gerne Einzelkind.

Kultura extra:
Was hältst du davon, dass die Sprotte ihrer Mutter nicht erzählt, dass sie auf dem Schulhof geschlagen wurde?

Michelle von Treuberg:
Im echten Leben würde ich das schon meiner Mutter erzählen. Im Film war das schon ein bisschen krass. Die Mutter kommt mit ihren eigenen Problemen nicht zurecht und Sprotte versucht, sie zu schonen.

Paula Riemann (Melanie):
Ich würde so etwas auch sofort meiner Mutter erzählen. Die ist ziemlich locker und liebevoll drauf, ähnlich wie die Filmmutter, nur nicht so chaotisch.

Kultura extra:
Jette (Wilma) wie war das bei dir? Du bist ja diejenige, die zunächst Außenseiter ist und um die Aufnahme in die Mädchenbande kämpfen muss.

Jette Hering:
Man muss sich schon in die Rolle hinein versetzen und auch denken, ich gehöre nicht dazu. Wenn ich das nicht fühlen würde, könnte ich es auch nicht spielen.

Kultura extra:
Michelle (Sprotte), laut Drehbuch wusstest du ja, dass du von einem großen, starken Mann geschlagen werden würdest. Wie hat sich das angefühlt?

Michelle von Treuberg:
Ich hatte am ersten Drehtag echt Angst vor ihm (Axel Prahl). Der rief mich gleich zu sich und sagte: ‚Komm her, ich habe das schon oft gemacht. Ich hau dir jetzt eine drauf und du musst da nur mitgehen“. Zuerst war ich ziemlich geschockt. Und der spielte die Szene so saugut, da hab ich schon Angst bekommen. Danach hatte ich eine echte Wut in mir, so dass ich mich gefühlt habe wie Sprotte. - Aber aus dem Gefühl muss man dann auch wieder herauskommen.

Kultura extra:
Dazu muss man sagen, dass du nicht wirklich geschlagen wurdest. Da gibt es im Film Tricks.

Michelle von Treuberg:
Wir haben das vorher einstudiert und die haben den Film so raffiniert geschnitten, dass es echt aussieht.

Kultura extra:
Lucie, du spielst im Film die Rolle der sozial engagierten Frieda, die auf einem Jahrmarkt an einem Stand für die Hilfsorganisation Terre des Hommes steht. Wie stehst du selbst zu der Rolle?

(Nach längerem Schweigen kommt die Antwort von Sprotte) Michelle von Treuberg:
Frieda ist auf jeden Fall eine Figur, die sich für andere einsetzt. Sie weiß, dass es Kinder gibt, die nichts haben. Die können nicht mal in die Schule gehen. Wir anderen von der Mädchenbande sind noch nicht soweit. Die sind in einem Alter, in dem man das noch nicht so begreift. Frieda ist in der Hinsicht schon weiter.
Ich denke auch schon an die armen Kinder da drüben. Das muss man sich mal vorstellen, die haben so viele Krankheiten, und manche sterben schon sehr früh. Es ist wichtig, dass man merkt, dass es nicht allen so gut geht wie uns. Deshalb finde ich das ziemlich gut von Frieda.

Kultura extra:
Habt ihr selbst schon mal etwas für Menschen in der Dritten Welt gemacht?

Paula Riemann (Melanie):
Wir haben von der Schule aus eine Organisation unterstützt, die für UNICEF arbeitet. Meine Mutter ist ja auch UNICEF-Engagierte (Paulas Mutter ist die Schauspielerin Katja Riemann). Da haben wir rund 300 Päckchen gepackt. Jeder sollte etwas von zu Hause mitbringen, was er nicht mehr braucht. Nicht gerade schon benutzte Zahnbürsten (Gegacker), sondern Sachen, die noch richtig gut waren. Später haben wir dann Fotos bekommen, wie die Sachen verteilt wurden. Man denkt dann immer, das ist so schrecklich und leidet mit denen, und glaubt, dass man da nichts machen kann. Aber man schon irgendwie was machen, auch wenn man nur einem einzigen von Millionen von Menschen hilft und ihm den Tag etwas schöner gestaltet. Wir waren hinterher stolz auf uns und haben uns danach richtig gut gefühlt.

Lucie Hollmann (Frieda):
Unsere Schule macht im Jahr mehrere kleine Aktionen. Kinder sind so und so immer ehrlich und offen. Und sie tun dann auch was, wenn sie das richtig finden. Es gibt da immer ziemlich viele Kinder, die spenden.

Kultura extra:
Habt ihr hier im eigenen Land schon mal soziale Not gesehen?

Zsa Zsa Inci Bürkle (Trude):
Bei uns im Haus gegenüber wohnen zwei, drei Familien, die ziemlich arm sind. Mit den Kindern spiele ich manchmal und bin mit einer ganz gut befreundet. Wenn der Pfarrer von der Zionskirche denen tagsüber nicht was zu essen geben würde, wären die längst verhungert. Die Eltern sind fast nie da und arbeiten den ganzen Tag.

Michelle von Treuburg (Sprotte):
Bei uns an der Hauptschule gegenüber wollte eine Klasse mal einen Ausflug ins Schwimmbad machen und hatten auch schon alles geplant. Da war ein ausländisches Mädchen, die durfte nicht mit, weil ihre Familie sich das nicht leisten kann und das Geld für etwas anderes braucht. Und weil sie nicht mit durfte, musste die ganze Klasse etwas anderes machen.

Frage:
Esst ihr nach der ganzen Aktion noch Hühnerfleisch?

Zsa Zsa Inci Bürkle (Trude):
Also bei mir gibt’s das nicht mehr. Ich esse keine Hühner mehr.

Lucie Hollmann (Frieda):
Ich finde es völlig okay, wenn man Fleisch isst. Man sollte es aber nicht im Übermaß tun. Es wird leider auch in Übermaßen geschlachtet.

Jette Hering (Wilma):
Man muss sich darüber Gedanken machen, welche Tiere dafür gestorben sind. Die Tiere müssen vorher manchmal leiden.

Michelle von Treuberg (Sprotte):
Es ist noch in Ordnung, wenn man die getöteten Tiere dann noch isst. Schrecklich ist es, wenn man die Tiere nur tötet, um irgendwelche Felle daraus zu machen.

Paula Riemann (Melanie):
Pelz ist ganz schrecklich. Erstens ist es hässlich, und ich würde mir lieber einen süßen, kleinen Hasen anschaffen, als ihn zu tragen.



Interview mit der Regisseurin Vivian Naefe vom 28.01.2006 in Köln

Kultura extra:
Was hat Sie an diesem Film besonders fasziniert?

Vivian Naefe:
Mich hat daran besonders interessiert, dass es Mädchengeschichten sind. Ich wollte schon seit frühester Jugend von weiblichen Helden erzählen. Auch in der Filmhochschule habe ich versucht, weibliche Helden zu haben. Dann hat meine Tochter „Die wilden Hühner“ gelesen. Zu dieser Zeit habe ich aber noch nicht weiter über eine Verfilmung nachgedacht, weil ich noch so viele Erwachsenengeschichten zu erzählen hatte. Vor zwei Jahren kam die Uschi Reich (Produktion und Drehbuch) und fragte, ob das etwas für mich sei, und da habe ich natürlich gleich „Ja, ja!“ geschrieen. Das war für mich ganz eindeutig. Das sind starke Mädchenfiguren, und das hat mich immer interessiert.

Kultura extra:
Die Geschichte hat durchaus ernste soziale Hintergründe, wie Arbeitslosigkeit und Gewalt. Trotzdem haben Sie den Film mit leichter Hand inszeniert.

Vivian Naefe:
Ich hatte gerade gestern eine Vorführung in Mainz, in der mehr Erwachsene als Kinder waren. Die haben sich totgelacht. Bei allem sozialen Realismus ist der Film auch sehr witzig. Das ist die englische Art zu erzählen. Wenn Sie mit englischen Filmen vertraut sind, wissen Sie, da werden auch tragische Probleme des Alltags mit einer gewissen Leichtigkeit dargestellt. Ich glaube auch, dass es eine deutsche Unsitte ist, zu glauben, dass alles, was wichtig ist, nicht witzig sein darf. Das halte ich für ein großes Missverständnis. Da kämpfe ich immer dagegen an.

Kultura extra:
Ist das eine bewusste Abkehr vom deutschen Inszenierungsstil?

Vivian Naefe:
Ich bin überhaupt nicht deutsch. Mein Vater ist ungarischer Jude. Er ist letztes Jahr während der Dreharbeiten gestorben. Meine Mutter war Österreicherin, mein Großvater kam aus Polen. Ich meine, ich bin eine nicht-arische, europäische Mischung. Ich bin häufiger in England, fühle mich sehr englisch in meinem Humor und finde, dass die deutsche Trennung zwischen „ernster“ Kunst und „unernster“ Unterhaltung totaler Schwachsinn ist.

Kultura extra:
Die Erwachsenen in der Buchvorlage und auch im Film sind ziemlich fragwürdig. Wenn man bedenkt, dass die Tochter ihrer Mutter nicht einmal erzählt, dass sie auf dem Schulhof geschlagen wurde.

Vivian Naefe:
Das könnte sie ihr schon erzählen, aber sie will ihre Mutter schonen.

Kultura extra:
Ja, das heißt doch aber, dass die Kinder stärker sind als die Erwachsenen.

Vivian Naefe:
Ja. Das finde ich auch nicht schlecht. Oft ist das ja auch so. Da müssen die Kinder stärker sein als die Erwachsenen, weil die Familien eben nicht intakt sind. Ich halte die intakte Familie durchaus für ein Ideal, am liebsten mit Vater, Mutter und vier Kindern. Das ist sicher sehr schön. Aber die Verhältnisse sind oft nicht so.
Ich habe heute gerade von einer Studie gelesen, dass alle Scheidungskinder als Erwachsene darunter zu leiden haben, egal, wie nett die Scheidung vonstatten ging. Es gibt überhaupt keine Kinder, die von Scheidungen und Trennungen nicht verletzt werden. Deshalb finde ich das Ideal, sagen wir, einer italienischen Großfamilie erstrebenswert. Wenn es aber nicht so ist, dann finde ich es toll, dass die Kinder stark sind. Und die Kinder in Cornelia Funkes Buch haben halt solche Probleme und bringen das selber in Ordnung.

Kultura extra:
In den Büchern kommt die Generation der Eltern schon recht gebrochen daher. In Sprottes Fall ist sogar die Großmutter ziemlich ekelhaft.

Vivian Naefe:
Aber die gibt’s ja, die ekelhaften Großmütter. Wobei die Großmutter Slättberg ja gar nicht so ekelhaft ist. Die ja nur traumatisiert durch ihre gescheiterte Hochzeit, und sie kann Zuneigung nicht normal zeigen, und auch nicht empfangen. Das zeige ich in der Szene, in der sie sich der Umarmung der Tochter entziehen will. Diese drei also, Großmutter, Mutter und Tochter, sind allein und traumatisiert und können mit Männern nicht umgehen. Aber die Sprotte lernt es ja. Die ist die erste, die es versucht, obwohl sie auch misstrauisch gegen die Jungs war. Die macht da eine Entwicklung durch. Ich finde die Erwachsenenfiguren nicht fragwürdig, sondern durchaus realistisch.

Kultura extra:
In dem Film kommen realistische Gewaltszenen vor. Wie haben Sie das den Kindern vermittelt?

Vivian Naefe:
Ich habe immer lang und ausführlich mit den Kindern geredet. Es ist erstaunlich, wie normal die damit umgehen können. Erstens können sie sehr gut abstrahieren. Das ist für sie Fiktion. Trotzdem können sie sich in die Situation hereinfallen lassen. Die Michelle (Sprotte) hat zwar nach der gespielten Ohrfeige von selbst angefangen zu weinen, aber eigentlich können sie das sehr gut unterscheiden. Die gehen ja auch mit Märchen um, wo es Mord und Totschlag gibt. Kinder wissen immer viel mehr, als wir glauben.

Kultura extra:
Wieso liegt am Ende der Fahrlehrer im Bett von Sprottes Mutter, der im Buch „Fuchsalarm“ gar nicht vorkommt?

Vivian Naefe:
Das haben wir hereingeschrieben, weil die Mutter in einer späteren Folge ein Verhältnis mit dem Fahrlehrer hat. Das ist ein Ausblick auf den nächsten Band der Buchserie, in der die Mutter ein langes Verhältnis mit ihm hat.

Kultura extra:
Das ist dann wohl ähnlich wie mit Wilmas Aufnahme in die Bande, die aus einem Band VOR dem „Fuchsalarm“ stammt.

Vivian Naefe:
Das haben wir aus dramaturgischen Gründen gemacht. Wir haben alle fünf Bücher gelesen und haben dann ein paar Kleinigkeiten zusammengefasst. Wir haben uns auch ein paar Dialogsätze aus den vorherigen Bänden entliehen.

Kultura extra:
Gibt es in dem Film Parallelen zu ihrem eigenen Leben?

Vivian Naefe:
Ich glaube, man kann nichts inszenieren, ohne das, was man selbst so erfahren hat und ohne seine eigenen Ansichten mit hinein zu bringen. Man entnimmt die Figuren zwar einer Vorlage, aber im Detail werden sie immer mehr zu eigenen Figuren.

Kultura extra:
Waren Sie als Kind auch so selbständig? (Vivian Naefe hat im Alter von fünfzehn Jahren ihre Mutter verloren).

Vivian Naefe:
Ja.

Kultura extra:
Es ist übrigens sehr schwer, etwas über Sie als Person recherchieren. Sie schützen Ihr Privatleben ziemlich erfolgreich.

Vivian Naefe:
Natürlich.

Kultura extra:
Es gibt mittlerweile Presserummel um die jungen Stars. Haben Sie die Kinder darauf vorbereitet?

Vivian Naefe:
Paula (Riemann) kennt das und geht ziemlich reif damit um. Die Kinder haben das alle ziemlich schnell gecheckt. Und die Eltern von denen sind ja auch nicht blöd. Die Eltern haben ihre Kinder darauf aufmerksam gemacht, dass sie, wenn sie etwas Besonderes machen, sie auch auf Neider stoßen werden. Da waren sie schon von zu Hause aus gewarnt, und die Uschi (Reich) und ich haben auf dem Filmset mit ihnen darüber gesprochen. Ich finde, die sind alle schon recht clever.

Kultura extra:
Sie sind selbst ja sehr erfolgreich, und das als Frau. Wie gehen Sie selber mit solchen Neidern um, mit diesem gewissen Gegendruck?

Vivian Naefe:
Ich finde das grauenhaft. Es gibt da schon Gegendruck, auch von der Presse manchmal. Es gibt im eigenen Umwelt Neider und auch in der Filmbranche. Das ist leider so. Darauf haben wir die Kinder auch vorbereitet.

Kultura extra:
Gab es irgendwelche Probleme mit der Disziplin?

Vivian Naefe:
Wir hatten ganz schöne Probleme mit der Kicherdisziplin.

Kultura extra:
Wie haben die Kinder denn auf die traurigen Szenen reagiert? Es gibt ja eine Szene, in der eines der Hühner vom Fuchs gerissen wird und es eine ergreifende Beerdigung gibt.

Vivian Naefe:
Komischerweise, lief das anders, als ich es geplant hatte. Aber oft ist es so, dass die Kinder nicht wirklich spielen, sondern sehr intensiv eine Situation nachempfinden, und die Mädchen haben dann wirklich weinen müssen. Die Jungen allerdings nicht.

Kultura extra:
Wie schwer war es, die Jugendschutzbestimmungen einzuhalten?

Vivian Naefe:
Die Jugendschutzbestimmungen sind in Nordrhein-Westfalen extrem. Deshalb gibt es medienpädagogische Fachkräfte, die sich am Filmset aufhalten. Die notieren ganz genau, was das jeweilige Kind macht. Das Kind darf in diesem Alter rund sechs Stunden am Set sein, aber maximal drei Stunden effektive Arbeitszeit ableisten. Maske, Probenzeit und der eigentliche Dreh gelten dabei als Arbeitszeit. In dem Moment, in dem die drei Stunden Arbeitszeit erfüllt sind, schaltet sich die sozialpädagogische Fachkraft ein. Aber die drei Stunden waren selten voll. Die Zeit für die Aufbauten und die Beleuchtung brauchten oft mehr Zeit, als die maximale Zeit von insgesamt sechs Stunden Aufenthalt am Set, die den Jugendlichen gestattet war.

Kultura extra:
Mussten die Kinder am Set Hausaufgaben machen?

Vivian Naefe:
Wir hatten insofern Glück, als die meiste Zeit der Dreharbeiten in den Ferien lag.

Kultura extra:
Was ist Ihr nächstes Projekt?

Vivian Naefe:
Es gibt da eine Bestseller-Verfilmung, über die ich noch nicht reden darf, und dann möchten wir sehr gerne einen zweiten Teil von den „Wilden Hühnern“ zu drehen, der schon sehr viel erwachsener ist.

Kultura extra:
Wir danken allen Beteiligten für die Interviews und wünschen viel Erfolg.


Helga Fitzner - red. / 16. Februar 2006
ID 00000002256
„Die wilden Hühner“
Regie: Vivian Naefe
Nach dem Roman „Fuchsalarm“ von Cornelia Funke
ISBN Buch 3-791504703
Dressler Verlag, Heidelberg
Starttermin: 09.02.2006

www.wilde-huehner.de



Weitere Infos siehe auch: www.wildehuehner.film.de






 

FILM Inhalt:

Rothschilds Kolumnen

BERLINALE

DOKUMENTARFILME

DVD

EUROPÄISCHES JUDENTUM IM FILM
Reihe von Helga Fitzner

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TATORT IM ERSTEN
Gesehen von Bobby King

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Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal

 


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