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UNSERE NEUE GESCHICHTE (38)

"Bewusstsein zu

definieren,

bedeutet

Macht."



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In der Parabel Die blinden Männer und der Elefant berühren Erblindete jeweils eine unterschiedliche Stelle von einem Elefanten und beschreiben ihn anhand der ertasteten Ergebnisse: So wird er als langer Arm, als dicke Säule, als breiter Fächer, riesige Masse etc. beschrieben. Erst wenn man alle Beschreibungen zusammenfasst, entsteht ein Bild. - Ähnlich „blind“ sind wir in Bezug auf eine Darstellung dessen, was unser Bewusstsein ist. In ihrer Dokumentation Aware – Reise in das Bewusstsein gehen Frauke Sandig und Eric Black nach dieser Methode vor, um sich dem komplexen Thema anzunähern. Die verschiedenen wissenschaftlichen Methoden zur Erforschung des Bewusstseins haben explosionsartig zugenommen. Sandig und Black haben vier Forscher und zwei Forscherinnen bei ihren Untersuchungen begleitet. Die WissenschaftlerInnen werden jeweils in Zweiergruppen eingeteilt.

Christof Koch ist Direktor des Allen Instituts für Hirnforschung in Seattle, USA, und führt konkrete Versuche an den Gehirnen von Menschen und Mäusen durch. Dabei kam er im Laufe seiner langjährigen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass dahinter mehr steckt, als sich physisch greifen lässt:


„Ich war früher ein Vertreter der Vorstellung, Bewusstsein erwachse aus komplexen neuronalen Netzen. Doch im Laufe der Jahre hat sich mein Denken verändert: Ich glaube, dass Bewusstsein eine fundamentale, eine elementare Eigenschaft lebender Materie ist. - Bewusstsein lässt sich nicht auf die Neuronen in deinem Gehirn reduzieren.“


Matthieu Ricard ist promovierter Zellgenetiker, lebt aber seit langer Zeit als buddhistischer Mönch in einem Kloster in Nepal. Er ist ebenfalls Autor und Kunstfotograf. Auch er war zu dem Schluss gekommen, dass die reine Wissenschaft dem Phänomen von außen nicht gerecht werden kann, das Wesen des Bewusstseins könne man nur von innen heraus erfahren, in dessen Tiefe es etwas wie reines Gewahrsein gäbe, das alles andere ermögliche. Es eröffne sich eine Welt, die frei sei von geistiger Vergiftung.


„Es gibt die 'Banalität des Guten'. Altruismus ist der Schlüssel zu unserem Überleben und der entscheidende Faktor für unsere Zukunft.“


Josefa Kirvin Kulix ist eine Gestalttherapeutin und Heilerin aus der Maya-Kultur in Mittelamerika, für die es keine Trennung gibt. Alles ist mit allem verbunden, auch die dingliche und die geistige Welt. Die Natur mit ihren Netzwerken sieht sie als ihre größte Lehrmeisterin an.


„In meiner Kultur sind die Pflanzen lebende und fühlende Wesen, wie die Tiere und Menschen... Ich weiß, dass ich eine Energie aus demselben Stoff bin wie eine Pflanze, eine Eidechse, ein Stein, ein Busch in der Wüste. Das Bewusstsein ist für mich etwas wie der Wind. Etwas, das man fühlt, aber nicht festhalten kann.“


Monica Gagliano spürt genau dieser Erkenntnis von wissenschaftlicher Seite aus nach, sie ist Pflanzenbiologin und wurde zur weltweit renommierten Pionierin des völlig neuen Forschungsgebietes der Bio-Akustik. Anders ausgedrückt: Während sich viele auf KI, die künstliche Intelligenz, stürzen, forscht Gagliano nach BI, biologischer Intelligenz. Sie stieß auf Widerstand, weil die Idee, dass eine Pflanze lernen, dass sie akustische Signale wahrnehmen und darauf reagieren kann, anfangs als verstörend empfunden wurde. (In Deutschland hat der Förster Peter Wohlleben mit dem Buch Das geheime Leben der Bäume und vielen anderen Publikationen die Faszination von den Symbiosen der Bäume und anderer Organismen verbreitet.) Da dies erwiesen ist, müssten wir eigentlich mehr Rücksicht auf die Umwelt nehmen, weil die Teil von uns selber sei, meint Gagliano. Bewusstsein sei kein Ding, sondern ein geistiger Raum.


„Das ist nichts Besonderes, es ist unser Erbe. Es ist eine Frage der Wahl. Wir sind alle dieselben. Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir von all dem getrennt sind. Auch wenn du das Gefühl hast, allein zu sein, stimmt das nicht. Du warst nie allein und du kannst gar nicht allein sein. "


Roland R. Griffiths versteht sich als Philosoph und „Psychonaut“, er arbeitet als Psychedelika-Forscher an der Johns Hopkins Universität in Baltimore, USA, und schätzt das Bewusstsein als die Essenz des Lebens ein. Psilocybin ist eine psychoaktive Substanz, die in Pilzen, den Magic Mushrooms, vorkommt und an denen Griffiths seit 1999 forscht. Für 70 bis 80 Prozent der ProbandInnen gehörten diese Erfahrungen zu ihren bedeutsamsten Lebensereignissen.


„Wenn das Ego und das Selbst überwunden sind, bleibt ein Gefühl von Erwacht-Sein. Da fängt das eigentliche Bewusstsein an... Diese Frage nach dem Wesen des Bewusstseins, der Verbundenheit aller Dinge und der Heiligkeit all dessen, hat einen tiefgreifenden Einfluss darauf, wie wir miteinander umgehen und wie wir als Spezies überleben werden. Ich glaube, dass Meditation der erprobte und wahre Weg ist, die Natur des Geistes zu erforschen und Psilocybin ist der Crashkurs.“


Richard Boothby ist Philosophieprofessor und hat vor über zehn Jahren als Proband an diesem „Crash-Kurs“ von Roland R. Griffiths teilgenommen. Er habe überwältigende Eingebungen bekommen, die theologischer und philosophischer Natur waren. Obwohl er auch dramatische Visionen gehabt hätte, wäre ein Teil von ihm völlig unberührt geblieben. Es sei um Liebe gegangen anstatt um Angst und Verteidigung.


„Gott ist nicht das Ziel oder der Endpunkt – er ist die Reise, die Offenheit selbst. Bewusstsein ist nichts anderes als... unser Wort für diese Offenheit. Ich glaube, die Idee, dass wir nur existieren, damit das Universum sich selbst erklären oder das Göttliche sich selbst erfahren kann, war die Essenz dessen, was mir erschienen ist. Diese Idee war mir schon bei verschiedenen Denkern begegnet, vor allem bei Hegel.“


Frauke Sandig und Eric Black haben mit ihrer Dokumentation das Rad nicht neu erfunden. Auf wissenschaftlicher Ebene war z.B. schon Albert Einstein zu der gleichen Erkenntnis gelangt und beide Filmemacher sind sich auch im Klaren darüber, dass den indigenen Kulturen und fernöstlichen Weisheitslehren dieses Wissen seit Jahrtausenden bekannt ist. Deswegen hat sie die Ähnlichkeit der Erfahrungen auch nicht sonderlich überrascht. Sie schätzen unsere Bewusstwerdung des Bewusstseins als unser Geburtsrecht ein und „vielleicht die mächtigste und befreiendste Kraft in der persönlichen Entwicklung jedes Menschen“. Sie bieten keine Lösungen an, wollen aber zur Selbstreflexion ermutigen.

Bewusstsein hat auch eine politische Dimension. Wer sich getrennt fühlt, kann sehr leicht das eigene Ego über die kollektive Verbundenheit mit dem Rest der Welt stellen, der Flora, Fauna, den Ozeanen und anderen Menschen, und zur Zerstörung beitragen. Es ist folglich durchaus erstrebenswert, sich an seinem eigenen, reinen Bewusstsein auszurichten.

Eric Black wird zwar nicht im Film, aber im Interview in Bezug auf Einflussnahmen sehr deutlich:


„Der anhaltende Aufstieg von populistischen Politikern und dem Fundamentalismus in all seinen verdrehten Formen bezeugt das. Mehr und mehr bestimmen sie, was eine Bedeutung hat und welche das ist. Bewusstsein zu definieren, ist die unsichtbarste und gleichzeitig mächtigste Form politischer Kontrolle. Bewusstsein zu definieren bedeutet Macht.“


Frauke Sandig und Eric Black, der auch virtuos die Kamera führte, haben einen profunden, erhebenden und ästhetisch hochwertigen Film erschaffen. Die Naturaufnahmen von Wäldern, einer Höhle, einer Wüste und ganz oft Himmel und Meer, selbst von Laboren, sind eine Augenweide. Die Filmmusik von Zoe Keating, wie auch David Hykes, Jörg Seibold und Causeyoufair tragen zur atmosphärischen Dichte bei. Der Film könnte zur Selbstermächtigung beitragen in einer Zeit eines überbordenden Regelungseifers, betreuten Denkens und eines vorgegebenen Narrativs, das nicht in Frage gestellt werden soll.



Die Bio-Akustikerin Monica Gagliano freut sich darüber, wie „klug“ ihre Pflanzen sind | © Piffl Medien

Helga Fitzner - 2. September 2021
ID 13115
Weitere Infos siehe auch: http://aware.piffl-medien.de/


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